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„Papa, das weiß ich ja eh' schon alles ...!"

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In einem Punkt sind sich alle beteiligten Eltern einig: sie haben in ihrer Jugend keine • Sexualaufklärung erhalten. Und: das wollen sie bei ihren Kindern vermeiden. Etwa 20 Eltern einer Volksschule in Flo-ridsdorf haben sich deshalb zu einem Arbeitskreis zum Thema Sexualerziehung zusammengefunden (siehe Beitrag unten).

Die Eltern werden gemeinsam mit den Lehrern und einer Mediatorin eine Projektwoche rund um die immer noch heiklen Themen „Liebe und Sexualität" für ihre Kinder erarbeiten. Erste Anhaltspunkte für die Gestaltung des Sexualunterrichtes lieferten die Volksschüler selbst. Sie haben bereits anonym Fragen zu Themen aufgeschrieben, über die sie gerne besser Bescheid wüßten. Diese Fragen werden in der ersten Sitzung den Eltern präsentiert. Bereits Achtjährige wollen genau wissen, ob Liebe schön ist und wie ein Baby auf die Welt kommt.

Ein Vater bringt es auf den Punkt: „Das größte Defizit in unserer Jugend war die Information. Ich will die Aufklärung meiner Kinder aktiv mitgestalten."

Das ist bei weitem nicht selbstverständlich. In einer Studie vom Institut für Ehe und Familie in Wien bezeichnet nur ein Drittel der befragten Jugendlichen das Gespräch über sexuelle Dinge in der Familie als positiv. Ebensoviele geben an, daß sie daheim überhaupt nicht über diese Themen sprechen können. Lieber reden die Jugendlichen mit einem Freund oder einer Freundin.

In Sachen Aids-Information ist es noch schlechter bestellt. Eltern stehen an zwölfter Stelle, wenn es um die Bedeutung verschiedener Informationsquellen im Bahmen der Aids-Prävention geht. An erster Stelle stehen Aids-Broschüren und an zweiter Stelle Lehrer. Sogar Fernsehen und Jugendzeitschriften liegen klar vor den Eltern.

„Viele Eltern klagen darüber, daß die Jugendlichen nicht zu ihnen kommen, wenn sie Fragen haben", berichtet die Psychologin und Leiterin des Projektes „Arbeitskreis - Sexualerziehung", Brigitte Cizek vom Osterreichischen Institut für Familienforschung in Wien.

Cizek weiß aus ihrer Erfahrung an den Schulen, daß dem Gespräch über Liebe und Sexualität im Elternhaus auch heute noch viel zu wenig Beachtung geschenkt wird: „Teilweise ist die Unwissenheit der Eltern schuld daran. Sie sind mit den Fragen der Kinder überfordert. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Kommunikationsprobleme." Eltern selbst geben häufig als Grund für die schlechte Gesprächsbasis eigene Schwierigkeiten mit der Sexualität an, was in den meisten Fällen ebenfalls auf mangelnde Aufklärung zurückzuführen ist, meint die Psychologin.

In den Arbeitskreisen stößt Cizek bei den Jugendlichen auf Unsicherheit und Wissenslücken. So werden etwa Fragen gestellt, ob die Pille vor Aids schützen kann, oder ob Selbstbefriedigung schädlich sei. „Diese Ent-tabuisierung, die es im Moment unter dem Motto gibt, es ist ja eh' alles so offen und frei, das stimmt einfach nicht. Einen echten und offenen Austausch über Sexualität gibt es nach wie vor nicht", so die Psychologin. Was nütze es, wenn die Jugendlichen zwar wissen, wie sie mit einem Kondom umgehen müssen, sich aber nicht trauen, mit ihrem Partner oder Partnerin offen über Verhütung zu reden? Offensichtlich hat sich seit der „sexuellen Bevolution" der sechziger Jahre doch nicht viel geändert.

Die Autorin ist freie Journalistin.

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