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Sexualentwicklung berücksichtigen

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Der Medienkoffer für Sexualerziehung wird uns eine weitgehend technisch ausgerichtete Schulaufklärung bescheren. Wie schädlich das ist, zeigen die folgenden Beiträge.

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Der Medienkoffer für Sexualerziehung wird uns eine weitgehend technisch ausgerichtete Schulaufklärung bescheren. Wie schädlich das ist, zeigen die folgenden Beiträge.

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Um besser zu verstehen, warum die heute in den Schulen eingesetzten Programme zur Sexualerziehung sowohl für die Schüler als auch für die Gesellschaft ernsthaft schädlich sind, mag eine kurze Darstellung der drei Phasen der sexuellen Entwicklung des Menschen nützlich sein ...

Die erste Phase der Sexualentwicklung beginnt mit der Geburt und dauert etwa bis zum fünften Lebensjahr. Heute setzt die Sexualerziehung schon im Endstadium dieser ersten Phase, also zwischen drittem und fünftem Lebensjahr, ein.

Vorherrschend sind in diesem Lebensabschnitt jene sinnlichen Impulse, die man am besten als exhibitionistisch und voyeuri-stisch bezeichnen könnte. So zeigen sich drei- bis fünfjährige Kinder etwa, wenn sie lustvoll nach dem Bad nackt durch die Wohnung laufen.

Normalerweise wird diese Phase kindlicher Sinnlichkeit rasch durchlaufen, und sie stellt nur eine kleine Facette ihrer gesamten Entwicklung dar. Man sollte die Kinder daher nicht dazu ermutigen, in dieser ersten Phase der Sexualentwicklung zu verharren.

Genau das aber kann durch die Sexualerziehung im Kindergarten passieren. Dieser Sexualunterricht für Drei- bis Fünfjährige besteht im Vorführen der Nacktheit, der Anatomie der Sexualorgane und in der Darstellung, wie der Mensch, aber auch einige Tiere sich paaren.

Nun haben aber Drei- bis Fünfjährige keinerlei Bedarf an solcher Anleitung. Diese erzielt daher auch keinerlei wohltätigen Effekt, sondern kann höchstens bewirken, daß die weitere sexuelle Entwicklung des Kindes unterbrochen wird, indem sie schon in früher Kindheit zu einer Fixierung auf dieses exhibitionistisch-voyeuristische Stadium führen.

Kommt es zu einer solchen Fixierung, wird „Schauen und Herzeigen“ von da an zum vornehmlichen sexuellen Anliegen. Das Auge ersetzt das Sexualorgan als Hauptsitz der Sexualität. So kann die seit Jahren weitverbreitete Sexualerziehung im Kindergarten durchaus in Zusammenhang gesehen werden mit der zunehmenden Akzeptanz von Pornographie in unserer Alltagskultur ___

Sexualunterricht im Kindergarten lenkt überdies die Aufmerksamkeit der Kinder unnötigerweise auf ihre Sexualorgane. Dabei werden sie ermuntert, ein gesteigertes Lustgefühl durch sexuelle Spiele zu erleben — eine Befriedigung, die das Kind dann zwangsläufig immer wieder und wieder sucht. Durch diesen „Instinkt der Wiederholung“ kann es zu fortgesetzter Selbstbefriedigung von der Kindheit über die Jugendzeit bis ins Erwachsenenalter kommen...

Ein weiteres Faktum sollte nicht unerwähnt bleiben: Trotz der falschen Propaganda der Sexualerzieher, daß Perversionen — wie etwa die Homosexualität — Ergebnis von vererbten, genetischen Faktoren seien, haben zahllose Untersuchungen zweifelsfrei nachgewiesen, daß perverses Verhalten bei Erwachsenen vor allem ein Ergebnis sexueller Erfahrungen und Verführungen in der Kindheit ist. Eine Verführung in der Kindheit hinterläßt einen unauslöschlichen Eindruck in der Psyche des Kindes...

Das gilt sowohl für die Verführung, die das Ergebnis eines sexuellen Angriffs durch persönliche Belästigung ist, als auch durch jene, die durch allzu starke Konfrontation mit sexueller Aktivität im Unterricht oder in pornographischen Medien ausgelöst wird.

Die zweite Phase der Sexualentwicklung findet zwischen dem Alter von sechs und zwölf Jahren statt. Sie wird weltweit als „Latenzperiode“ bezeichnet. In dieser Phase hört normalerweise der direkte sexuelle Druck auf. Die ruhenden Sexualenergien werden (durch einen psychischen Prozeß, der als Sublimierung bezeichnet wird) umgelenkt und anderen Zwecken dienstbar gemacht.

So wird etwa ein Teil dieser sexuellen Energie für den Wissenserwerb eingesetzt. Daher sind die Sechs- bis Zwölfjährigen, in deren sexuelle Entwicklung nicht eingegriffen worden ist, auch besonders ansprechbar für Erziehung. Tests an Sechsjährigen mit Sexualerziehung zeigen deutlich, daß sie schulisch weniger leisten als nicht aufgeklärte Schüler.

In der ungestörten Latenzperiode wird ein Teil der Energie auch für die Entfaltung menschlichen Mitgefühls eingesetzt. Dieses ist ja eines der Merkmale, das den Menschen von den übrigen Geschöpfen unterscheidet. Durch die Entfaltung von Mitgefühl werden menschliche Regungen der Grausamkeit zum Stillstand gebracht.

Mißlingt die Entfaltung von Mitgefühl durch Einwirken auf die Sexualität in dieser Latenzphase, so kann dies zur Entwicklung von sozialgestörtem Verhalten führen___

Wichtig ist auch, daß die Latenzzeit die psychischen Barrieren stärkt, die für eine Kontrolle der rohen sexuellen und aggressiven Instinkte sorgen. Diese Barrieren sind angeboren und bestehen aus Gefühlen wie Scham, Abscheu, Sinn für Moral und Schönheit ... Obwohl vpn Geburt an vorhanden, müssen sie — um im späteren Leben wirksam zu sein — in.der Latenzperiode durch die Familie, die Erziehung und die Religion gestärkt werden.

Statt diese psychischen Kontrollen zu stärken, setzen die Sexualerzieher vielmehr alle möglichen Erziehungstechniken ein, um die natürlichen Barrieren gegen Perversion und „Primitiv-Sex“ niederzureißen ...

Die dritte Phase beginnt etwa mit 13 Jahren, währt die Jugend hindurch und dauert bis zum frühen Erwachsenenalter.

Bei den 13jährigen Knaben und den männlichen Jugendlichen sind die wiedererwachten sexuellen Energien sehr unmittelbar auf die Genitalien zentriert. Die erotischen Gefühle gleichaltriger Mädchen hingegen folgen einer sehr unterschiedlichen Orientierung. Ihre sexuellen Gefühle mögen zwar gleicher Intensität wie die der Knaben sein, sind aber keineswegs so eng mit dem Sexualakt verknüpft wie beim männlichen Geschlecht.

Weil die Struktur des weiblichen Fortpflanzungsapparats biologisch unfertig und die weibliche, auf Mutterschaft ausgerichtete Psyche erst gegen Ende der Jugendzeit voll entfaltet ist, hat die Natur die junge Frau mit einer natürlichen Abneigung gegen den Sexualakt ausgestattet.

Die Dichotomie zwischen der Bereitschaft des männlichen Jugendlichen zu sexueller Betätigung und der natürlichen Hemmung des weiblichen dient anderen lebenswichtigen Zwecken. Die Natur hat stets Gründe für ih-

,,Diese neuen Werte sind nichts anderes als Verzicht auf jegliche Werte“ re Vorsorge. Die natürliche weibliche Zurückhaltung stärkt den Charakter der Zuneigung und der geistigen Zuwendung menschlicher Sexualität.

Genau diese Haltungen sind aber unabdingbar, wenn die Sexualität des Menschen erfüllt gelebt werden soll. Werden nämlich die geistigen und emotionalen Bedürfnisse nicht befriedigt und bleibt nur die physische sexuelle Begegnung, so entsteht Frustration, die sich zu psychischer Belastung und zu Depressionen steigern kann.

Ein breites Spektrum psychoanalytischer Fallstudien zeigt ebenso wie meine 40jährige sorgfältige Beobachtung von Patienten, daß Menschen, die sich auf „leichte“, also auf „freie Liebe“ einlassen, häufig in ihrem Leben zu Apathie neigen...

Das Hauptthema des Sexualkundeunterrichts ist aber Sinnlichkeit. Die heutigen Programme sind technische Anleitungen. Sie lehren oder dulden den Geschlechtsverkehr außerhalb der Ehe und leiten zu verschiedensten Arten perverser Sexualpraktiken an. Vom Kindergarten bis zur höheren Schule wird der junge Mensch heute durch den Sexualunterricht zu einem Sexualroboter erzogen, der sich beliebig und ohne jedes Schuldgefühl auf ein sexuelles Tun jeder Art einläßt. Genau das sind aber die Kennzeichen von Strichjungen und Huren ...

Unerfahrene Jugendliche werden von den Sexlehrern ermutigt, ihr Gewissen beiseite zu schieben und sich nach neuen Werten zu richten. Diese neuen Werte sind aber letztlich nichts anderes als der Verzicht auf jegliche Werte. Den Schülern wird von ihren Lehrern der Glaube nahegelegt, daß Sexualmoral sich einfach darauf reduziere, „sich an dem zu erfreuen, was man tut, und das zu tun, was Spaß macht.“

Der Autor ist Arzt und Psychiater, sein Beitrag ein Auszug aus einem Artikel in „The Bulletin of the American Society of psycho-analytic physicians“ 1/88, übersetzt von Christof Gaspari.

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