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Digital In Arbeit

Neue Ideen für Kinder gesucht

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Die Verfasserin ist als Psychologin an der Heilpädagogischen Station des Landes Niederösterreich und in der Familienberatungsstelle Mödling tätig.

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Die Verfasserin ist als Psychologin an der Heilpädagogischen Station des Landes Niederösterreich und in der Familienberatungsstelle Mödling tätig.

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Man hört oft, daß der Mensch von heute in emotionaler Hinsicht etwas abgestumpft erscheint. Mehr oder weniger gleichgültig nehmen wir alle die vielen Berichte über Hungersnöte, Kriege, Massenmorde und andere Katastrophen auf. Reportagen über all diese Greuel werden uns vom frühen Morgen bis in die späte Nacht durch Zeitungen, Radio oder via Fernsehen ins behagliche Heim geliefert.

Wenn wir dann dennoch während des Tages unserer Arbeit nachgehen und nachts schlafen können, dann nur deshalb, weil wir imstande sind, zu vergessen, zu verdrängen und Probleme von uns wegzuschieben. Wir tun das gewiß nicht aus Grausamkeit, sondern um uns selbst zu schützen, um dem unerträglichen Gefühl der Ohnmacht, das den einzelnen Menschen angesichts der weltweiten Krisen und Untaten ergreifen müßte, zu entgehen.

Infolge dieses Prozesses übersehen wir aber leider auch oft die Not von so manchen Menschen in unserer Nähe - von Menschen also, denen wir manchmal leicht helfen könnten.

Haben Sie zum Beispiel gewußt, daß in Österreich

nach Schätzungen von Experten etwa 50.000 Kinder schweren körperlichen Züchtigungen ausgesetzt sind? Sie werden jetzt vielleicht denken, eine Orfeige hätte noch niemandem geschadet (und schon darüber könnte man streiten) - was halten Sie aber von Schlägen mit Gürteln, Peitschen und Schürhaken, vom Verbrühen mit heißem Wasser, vom Brechen von Gliedmaßen und vom Kot-Essen-Lassen? Was halten Sie davon, daß heranwachsende Mädchen von ihren leiblichen Vätern oft durch Jahre sexuell mißbraucht werden?

Ich gebe zu, daß ich zu Beginn meiner beruflichen Tätigkeit mehr erschüttert war als jetzt, wenn mir Eltern von solchen „Erziehungsmaßnahmen" oder Kinder von diesen „Strafen" erzählten. Es geht mir eben wie allen anderen. Auch ich muß mich durch bestimmte Abwehrmechanismen vor der Grau-enhaftigkeit solchen Geschehens schützen.

Trotzdem meine ich, daß man diese Vorfälle nicht mit Resignation und Achselzuk-ken abtun darf, sondern nicht aufhören sollte zu überlegen, wie man Kindesmißhandlungen wirksam begeg-

nen, ja vielmehr prophylaktisch abwehren könnte, handelt es sich dabei doch zumeist nicht um einmalige Entgleisungen der Erziehungspersonen, sondern um wiederholt gesetztes Fehlverhalten, unter dem zu über 50% Kinder unter sechs Jahren zu leiden haben.

Daß Mißhandlungen neben schweren physischen auch oft nicht wieder gut zu machende psychische Schäden hervorrufen, braucht wohl nicht eigens erwähnt werden.

Die Ursachen für solche Delikte sind zum Teil in der

persönlichen Eigenart der Mißhandler, manchmal auch der betroffenen Kinder und wohl sehr oft in der wenig kinderfreundlichen Atmosphäre unserer Gesellschaft zu suchen. So greifen zum Beispiel nicht wenige Eltern zu solchen Maßnahmen, um Beanstandungen von Nachbarn zu vermeiden.

Sicher kann man durch geeignete Aufrufe die Dunkelziffer, die derzeit bei 90% liegen dürfte, wesentlich verkleinern. Meiner Meinung nach fehlen jedoch weitgehend wirksame Hilfsangebote für die Betroffenen, nämlich für Kinder und Eltern.

Es würde wohl wenig zur Verbesserung der Situation beitragen, wenn den Behörden mehr Mißhandlungsdelikte bekannt würden und diese nur mit Strafen und Kindesabnahmen reagieren könnten. Das hilft in der Regel weder Eltern noch Kindern, besser miteinander auszukommen.

Konstruktive Verbesserungsvorschläge, neue Ideen und Initiativen sind dringend notwendig!

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