Häusliche Gewalt - © Foto: iStock/iweta0077

Häusliche Gewalt in Russland: Vatermord als letzte Chance?

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Drei Töchter ermorden ihren eigenen Vater in Moskau, nachdem er sie jahrelang körperlich erniedrigt hatte. Der Mord zeigt vor allem eines: die fehlenden Strukturen für Opfer häuslicher Gewalt.

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Drei Töchter ermorden ihren eigenen Vater in Moskau, nachdem er sie jahrelang körperlich erniedrigt hatte. Der Mord zeigt vor allem eines: die fehlenden Strukturen für Opfer häuslicher Gewalt.

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Als sich Michail Chatschaturjan für ein Nickerchen in seiner Wohnung in Moskau niederlegte, rechnete er wohl nicht damit, dass er nie wieder aufwachen würde. Auch für seine drei Töchter, die mit ihm lebten, wird der Nachmittag des 27. Juli 2018 Folgen für ihr Leben haben. Jahrelanger emotionaler und sexueller Missbrauch an ihnen durch den Vater hat an diesem Nachmittag ein Ende gefunden mit dem Mord an ihm – aus Verzweiflung. Die Ermittlungen werden später ergeben, dass er zuvor seine drei Töchter Kristina, Angelina und Maria, zu dem Zeitpunkt 19, 18 und 17 Jahre alt, an diesem Nachmittag des 27. Juli 2018 eine nach der anderen in sein Zimmer gerufen hatte.

Wie so oft zuvor hatte er sie auch diesmal verbal und körperlich erniedrigt. Gegen Maria hatte er Pfefferspray benützt, sie brach davon später in ihrem Zimmer zusammen. Als sie zu sich kam, sah sie ihre Schwestern mit ihrem Vater kämpfen. Was für Maria nach einer abermaligen Attacke durch den Vater aussah, war laut den Ermittlungen der Versuch, den Vater zu ermorden. Angelina hätte ihn erstochen. Die Frage nach Selbstverteidigung oder Mord lässt seitdem in Russland die Wogen hochgehen. Der Kriminalfall, der hauptsächlich in Russland und Armenien bekannt geworden ist als „Fall der Chatschaturjan-Schwestern“, wirft neues Licht auf Russlands schwache Gesetzeslage zum Schutz vor und vor allem zur Prävention von häuslicher Gewalt. Den drei jungen Frauen drohen acht bis 20 Jahre Haft wegen angeblichen Gruppenmordes.

Dem Vater ausgeliefert

In der russischen Gesellschaft tut sich eine Tendenz besonders hervor, nämlich die altbewährte Taktik gegenüber den Opfern: Frauen wären selbst schuld an erlittener häuslicher Gewalt. Doch die Version der Mädchen zeichnet ein anderes Bild: Lehrer und Freunde wären machtlos dem Vater gegenüber gewesen. Selbst bis in hohe Riegen der Polizei hätte Chatschaturjan Verbindungen gehabt. Der Fall der Chatschaturjan-Schwestern könnte zu einem Präzedenzfall in Russland werden, hofft der Moskauer Anwalt der drei jungen Frauen, Alexej Parschin. Anders sieht es der russische Gesetzgeber, der bereits 2017 mit seinem Gesetz über häusliche Gewalt national und international für Aufsehen gesorgt hat. Demnach wird der Täter lediglich zu einer Geldstrafe verurteilt.

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