Die verschleppten Kinder der Ukraine - © Foto: picturedesk.com / Eyevine / Ed Ram

Die verschleppten Kinder der Ukraine

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Der Haftbefehl des ICC gegen Wladimir Putin basiert vor allem auf dem Vorwurf der gezielten Kindesentführung. Dieser Tatbestand kommt dem ebenfalls im Raum stehenden Vorwurf des Völkermordes am nächsten.

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Der Haftbefehl des ICC gegen Wladimir Putin basiert vor allem auf dem Vorwurf der gezielten Kindesentführung. Dieser Tatbestand kommt dem ebenfalls im Raum stehenden Vorwurf des Völkermordes am nächsten.

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So trocken formuliert kommen juristische Rammböcke des Internationalen Strafgerichtshofes (ICC) daher: „Herr Wladimir Wladimirowitsch Putin, geboren am 7. Oktober 1952, Präsident der Russischen Föderation, soll für das Kriegsverbrechen der rechtswidrigen Deportation der Bevölkerung (Kinder) und des rechtswidrigen Transfers der Bevölkerung (Kinder) aus den besetzten Gebieten der Ukraine in die Russische Föderation verantwortlich sein.“ Damit steht Putin auf einer Fahndungsliste zusammen mit Maria Alekseyevna Lvova-Belova, der Chefin des Kinderrechts-Büros Russlands. Bei dem Haftbefehl geht es ausdrücklich um ein „Kriegsverbrechen“. Der Tatbestand aber ist der, dem das belegte Vorgehen Russlands in der Ukraine am nächsten kommt: der ebenfalls immer wieder laut werdende Vorwurf des Genozids.

Berichte über Verhöre, Folter

Es ist ein Vorwurf, der Russland seit Beginn der breit angelegten Invasion in der Ukraine anhaftet: Russlands Behörden würden gezielt ukrainische Kinder entführen, zur Adoption freigeben und umerziehen. Laut ukrainischen Angaben geht es um rund 15.560 Kinder, deren Namen auch bekannt seien.

Wir sehen, dass es nicht nur um Zwangsdeportationen geht, sondern auch um die illegale Adoption und den Diebstahl von Kindern“, sagt Olha Reshetylova. Sie ist Aktivistin in diesem Feld und für die „Medieninitiative für Menschenrechte“ tätig. Über die Maße betroffen seien jedenfalls Kinder aus Wohneinrichtungen – und hier nicht nur Waisen, sondern auch Kinder mit lebenden Elternteilen. „Wir haben einige Fälle von Kindern, deren Eltern in der Ukraine oder in russischer Kriegsgefangenschaft leben“, sagt Olha Reshetylova.

Sehr oft passierten die Entführungen schleichend, erzählt Olha Reshetylova. So wurden Kinder von russischen Stellen in großem Umfang zu „Rehabilitations-Urlauben“ eingeladen. Die Eltern stimmten dem Angebot zu, viele Kinder verschwanden dann aber. Bei einigen gelang es, sie wieder durch Verhandlungen freizubekommen.

Der Hintergrund der Opfer ist allerdings so vielschichtig wie die Schicksale, die dieser Krieg verursacht. Sehr gezielt wirkt jedenfalls das Vorgehen gegen Kinder, die Elternteile in der ukrainischen Armee haben oder einen Elternteil, der oder die im Zuge einer russischen „Filtration“ ins Visier des Okkupationsregimes geraten sind. Solche „Filtrationen“ muss praktisch jede Person über sich ergehen lassen, die sich im russisch besetzten Teil der Ukraine von einer Stadt in eine andere bewegt.

Dabei wird alles auf eine mögliche pro-ukrainische Haltung kontrolliert: Mobiltelefone, Profile auf sozialen Medien, Körperöffnungen. Es gibt Berichte über stundenlange Verhöre – inklusive Folter – Minderjähriger wegen Bemerkungen in Chats. Besonders betroffen sind auch Kinder, die bereits vor der russischen Invasion in Pflegeeinrichtungen waren und solche, die im Zuge von Kampfhandlungen den Kontakt zu ihren Eltern verloren haben.

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