Richter und Henker: Über "die Wahrheit" im Netz und vor Gericht

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Ob zum Urteil über Sebastian Kurz oder zum Thema Femizide: Wer schuldig ist, wird im digitalen Raum längst standrechtlich entschieden. Umso nötiger ist die Besinnung auf Tatsachen – und der Kampf gegen die Delegitimierung der Justiz.

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Ob zum Urteil über Sebastian Kurz oder zum Thema Femizide: Wer schuldig ist, wird im digitalen Raum längst standrechtlich entschieden. Umso nötiger ist die Besinnung auf Tatsachen – und der Kampf gegen die Delegitimierung der Justiz.

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Dagmar Belakowitsch hat ein Faible für kantige Aussagen: „Was ist Lüge? Wo ist die Wahrheit? Ich sehe nicht, dass die absolute Wahrheit in den etablierten Medien gegeben ist“, meinte die FPÖ-Nationalratsabgeordnete vergangenen Montag in einem parlamentarischen Dialogforum zum Thema: „Soziale Medien als Gefahr für die Demokratie?“. Belakowitsch hat natürlich Recht: „Absolute Wahrheiten“ gibt es nicht – zumindest nicht im Bereich des Profanen. Stets bleibt „Wahrheit“ relativ, stets müssen Aussagen oder Urteile hinterfragt, korrigiert und notfalls verworfen werden. Auch wissenschaftliche Erkenntnisse sind nicht sakrosankt – ganz im Gegenteil: Nur durch das Falsifizieren von bisher Gedachtem entsteht wissenschaftlicher Fortschritt. Am Ende bietet gute Wissenschaft aber das bestgesicherte Wissen der Zeit.

Ein Blick in die „sozialen Medien“ bietet freilich das schiere Gegenteil: Jede Differenzierung zwischen „richtig“ und „falsch“, zwischen „Faktum“ und „Meinung“ scheint aufgegeben. Und Populisten forcieren diese Verwirrung bewusst: Mudding the water nennt sich diese Strategie – das Wasser so lange trüben, bis jede Klarsicht auf unleugbare Tatsachen vernebelt ist. Donald Trump war und ist mit seinen „Alternativen Fakten“ ein Großmeister dieser Kunst. Und die Pandemie war ihre beste Zeit.

Festgefahrene Fronten

Aber auch aktuell zeigt sich, wie schwer oder unmöglich ein differenzierter öffentlicher Diskurs über vermeintliche "Tatsachen" geworden ist. Jüngstes Beispiel ist etwa die Debatte über jene sechs Femizide, die seit vergangener Woche ganz Österreich erschüttern. Allein am Freitag wurden vier Frauen und ein Mädchen in Wien ermordet: eine Mutter und ihre Tochter vom (autochthonen) Ehemann; und drei Sexarbeiterinnen von einem Asylwerber aus Afghanistan. Montag dieser Woche folgte der sechste Fall: Ein 94-Jähriger erschoss seine 84-jährige Ehefrau und versuchte danach, sich selbst zu töten.

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