Europakarte - © Grafk: Rainer Messerklinger

Femizide ohne Ende

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Krisenzeiten befeuern Frauenmorde. Um sie zu verhindern, ringen Experten um zielgerichtete Maßnahmen. Diese scheitern nicht zuletzt auch an fehlenden Daten. Über Zahlen der Ohnmacht.

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Krisenzeiten befeuern Frauenmorde. Um sie zu verhindern, ringen Experten um zielgerichtete Maßnahmen. Diese scheitern nicht zuletzt auch an fehlenden Daten. Über Zahlen der Ohnmacht.

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Die 50-jährige Niederösterreicherin Silvia K. steht mitten im Leben, als sie am Abend des 9. Jänners 2019 Teil einer traurigen Statistik wird. Die Mutter eines Jugendlichen wird anderthalb Jahre nach der Trennung durch mehrere Messerstiche von ihrem Ex-Partner getötet. Die Polizei wird später von einer „reinen Beziehungstat“ sprechen.

Ein Fall, wie er hierzulande laut Statistik der Autonomen Österreichischen Frauenhäuser (AÖF) etwa zweimal im Monat vorkommt. Es handelt sich laut Definition der AÖF um einen Femizid, also die vorsätzliche Tötung einer Frau durch einen (Ex-)Partner. Gerechnet auf die Einwohnerzahl wird Österreich dadurch zu einem der Länder mit der prozentuell höchsten Femizidrate.

Daten sind kaum vergleichbar

Auffällig ist das vor allem deshalb, weil die Mordrate mit 0,7 pro 100.000 Einwohner (Stand 2022) zwar insgesamt gering, der Anteil an Frauen unter den Getöteten aber mit mehr als 50 Prozent sehr hoch ist. Zum Vergleich: Im EU-Schnitt wird von einer Mordrate von 0,7 ausgegangen, 36 Prozent davon sind Frauen. Die polizeiliche Kriminalstatistik in Österreich (PKS) verzeichnet 312 Morde, die zwischen 2010 und 2020 in Österreich an Frauen verübt wurden.

In 80 Prozent der Fälle liegt eine familiäre Beziehung oder ein nahes Bekanntschaftsverhältnis zwischen Opfer und Täter vor. In wie vielen dieser Fälle die Frauen aber tatsächlich eine Paarbeziehung mit ihren späteren Mördern hatten, erfasst die österreichische Kriminalstatistik nicht. Österreichs Zahlen sind dadurch nur teilweise mit jenen anderer Länder vergleichbar.

Hier entsteht aus Sicht von Experten eine Datenlücke. Das ist einer der Gründe, wieso das AÖF mittels Medienbeobachtung eine eigene Statistik führt. 14 von 16 Frauenmorden im ersten Halbjahr 2023 werden als Femizid eingestuft, dazu kommen 24 versuchte Morde an Frauen. „In Krisen steigt die Gewalt“, sagt AÖF-Geschäftsführerin Maria Rösslhumer. Zuletzt habe man das in der Pandemie beobachtet.

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