Wer schlägt, der geht …

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Zehn Jahre Gewaltschutzgesetz: Es hat sich bewährt, aber Grund zum Zurücklehnen gibt es sicher nicht.

Jede fünfte Frau in Österreich kann davon berichten - von Gewalt gegen sich und die Kinder, verübt von Ehemännern, Lebensgefährten oder Verwandten, von Menschen, die sie einmal liebten oder noch lieben, mit denen sie eine komplexe Täter-Opfer-Beziehung verbindet.

In manchen Fällen endet die Gewalt tödlich. So auch im Jahr 2002 und 2003, als zwei Frauen trotz zahlreicher Hilferufe an die Behörden letztlich von ihren Männern ermordet wurden. Das UN-Frauenrechtskomitee hat nun in einem Gutachten darauf reagiert und der Republik vorgeworfen, ihrer Verpflichtung zum Schutz der Oper von Gewalt nicht ausreichend nachgekommen zu sein. "Wir können die Kritik nicht ernst genug nehmen", war die Reaktion von Frauenministerin Doris Bures (siehe Interview).

Dass sich das Gewaltschutzgesetz - es trat am 1. Mai 1997 in Kraft - bewährt hat, bezweifelt kaum jemand. Durch dieses Gesetz wurde die Polizei ermächtigt, prügelnde Männer (95 Prozent der Täter sind männliche Familienangehörige) aus dem Haus zu verweisen. Zugleich wurden Interventionsstellen zur Unterstützung der Opfer errichtet. Und die gesetzliche Maßnahme griff: Wurde 1997 in 1365 Fällen zu diesem Mittel gegriffen, waren es 2006 bereits 7235, Tendenz steigend. "Es ist für die Betroffenen eine enorm wichtige Maßnahme für ihren eigenen Schutz, die Polizei wird öfter gerufen. Auch die Zivilcourage in der Nachbarschaft ist gestiegen", sagt Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser. "Unsere Erfahrung zeigt, dass die Polizei dieses Gesetz in den meisten Fällen gut und richtig anwendet, die Polizei erhält auch regelmäßig Schulungen. Defizite erleben wir dagegen immer wieder bei der Staatsanwaltschaft und in der Justiz generell", kritisiert Rösslhumer, die verpflichtende Schulungen und die Verankerung des Themas in der Grundausbildung der angehenden Juristen fordert.

Abwertung und Ignoranz

Dieser Kritik schließt sich auch Birgitt Haller, Expertin am Institut für Konfliktforschung, an. Auch sie ortete in einer Untersuchung in der Richterschaft und bei Staatsanwälten eine teilweise geringe Sensibilisierung gegenüber der Thematik und eine abwertende Haltung gegenüber den betroffenen Frauen. "Es herrscht wenig Wissen darüber, was eine Gewaltbeziehung aus den Frauen macht", sagt Haller. Gewiss sei die Justiz auch in einer anderen Ausgangslage als die Polizei, erklärt sie. "Die Schwierigkeiten sind aber nicht nur auf Ignoranz oder Abwertung zurückzuführen, sondern manchmal fehlen Beweise, das Gericht ist zur Objektivität verpflichtet." Haller empfiehlt daher Staatsanwälte oder Richter mit Sonderzuständigkeiten. Mit der Spezialisierung ginge Fortbildung und erhöhte Sensibilisierung einher. "Das gebe es bereits bei Sexualdelikten, aber noch nicht für häusliche Gewalt."

"Eine akkordierte Gefährlichkeitseinschätzung des Täters wäre wichtig", betont Albin Dearing, Kabinettschef von Justizministerin Maria Berger (SPÖ) und Mitautor des Gewaltschutzgesetzes. "Polizei, Staatsanwälte und Interventionsstellen haben kein einheitliches Instrument zur Einschätzung der Gefahr." Dearing schlägt daher eine standardisierte einheitliche Checkliste vor. Weiterbildung im Bereich Gewaltschutzgesetz sei im nächsten Jahr verstärkt geplant, erklärt Dearing. Zur Zeit würden Juristen mit den Neuerungen in der Strafprozessordnung, die ab 2008 in Kraft tritt, vertraut gemacht.

Das Justizministerium bereitet einige Maßnahmen zur Weiterentwicklung des Gewaltschutzgesetzes vor. Ab 2008 werden Opfer mit mehr Rechten ausgestattet. Auch soll ein neuer Straftatbestand geschaffen werden, der die Gesamtheit einer Gewaltbeziehung hervorstreicht, nicht nur einzelne Gewaltdelikte. Zudem soll die Einstweilige Verfügung, die nach einer Wegweisung im Zivilrecht vorgesehen ist, von bisher drei auf sechs Monate ausgeweitet werden. Dearing geht von einer Umsetzung im nächsten Jahr aus.

Peter Goldgruber, führender Beamter der Wiener Polizei, betont, dass die Exekutive aus den tragischen Morden gelernt habe. "Häusliche Gewalt" sei Gegenstand der Grund- und Weiterbildung der Beamten. "Wichtig ist die Aufsicht von höherer Stelle sowie ein entsprechendes Hintergrundwissen über Gewaltbeziehungen." Im Umgang mit Migrantenfamilien komme dieses Wissen besonders zum Tragen. "Bei vielen Migranten gibt es eine große Scheu vor der Exekutive, wenn diese Frauen die Polizei wegen Gewalt rufen, dann kann man von sehr ernsten Situationen ausgehen."

Maria Rösslhumer fordert überdies eine gesetzliche Absicherung der Finanzierung der Frauenhäuser. Ebenso "fehlen Mittel und Möglichkeiten zur kontinuierlichen Gewaltprävention in den Schulen." Erfreut und zugleich abwartend zeigt sie sich in puncto stärkerer Finanzspritze für Gewaltschutzeinrichtungen (Interventionsstellen und Helplines), die Ministerin Bures umgesetzt hat. "Wir werden sehen, wie die Gesamtsituation bis zum Ende der Legislaturperiode aussieht."

www.aoef.at

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