Wenig Geld und Grapsch-Attacken

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Sexuelle Belästigung und schlechtere Bezahlung von Frauen sind für manche Arbeitgeber noch immer ein Kavaliersdelikt.

Wie das Leben so spielt: Eine Sekretärin wird von einem Kollegen fast vergewaltigt. Sie verlässt umgehend das Büro, geht zu ihrem Ehemann, anschließend zu einem Arzt und erstattet Anzeige bei der Polizei. Tags darauf teilt ihr der Arbeitgeber mit, dass sie wegen unentschuldigten Fernbleibens fristlos entlassen ist.

Variante zwei: Eine Sparkassenbedienstete bemüht sich seit Jahren darum, definitiv angestellt - und damit unkündbar - zu werden. Obwohl sie die Voraussetzungen dafür erfüllt, kommen nur männliche Kollegen zum Zug, die viel kürzer im Unternehmen tätig sind.

Recht statt Schmerzensgeld

Zwei Geschichten, die empören. Zwei von vielen Geschichten, wie sie an die Gleichbehandlungskommission herangetragen werden. Seit 1979 - dem Jahr, in dem Österreich erstmals ein Gleichbehandlungsgesetz für Männer und Frauen erhielt - kümmern sich die elf Expertinnen und Experten darum, Opfern von Diskriminierung auf Grund des Geschlechts (immerhin 85 Prozent davon Frauen) zu ihrem subjektiven Recht zu verhelfen. Schadenersatzansprüche zuzusprechen oder Fälle endgültig zu entscheiden, vermag nur das Sozial- oder Arbeitsgericht.

21 Fälle von Diskriminierung konnte die sozialpartnerschaftlich besetzte und derzeit im Frauenministerium beheimatete Kommission im Jahr 2002 abschließen; die Hälfte aller Beschwerden betraf sexuelle Belästigung. Dass es sich bei den Anträgen nur um die Spitze eines Eisbergs handelt, ist der Vorsitzenden der Kommission, Alice Karrer-Brunner, bewusst: "Diskriminierungen im Arbeitsbereich nehmen noch immer zu."

Wird der vorliegende Entwurf zum Gleichbehandlungsgesetz abgesegnet, dann hat die Kommission noch mehr zu tun: Um zwei Senate erweitert müsste sie auch andere Fälle von Diskriminierung behandeln (siehe Seite 2). Eine Zusatzaufgabe, mit der Karrer-Brunner leben kann. Auch den vorliegenden Gesetzesentwurf sieht sie überwiegend positiv: Durch das neue Gesetz würde die Obergrenze bei Schadenersatzzahlungen aufgehoben. Als größten Schritt empfindet sie die vorgesehene Beweismaßerleichterung: "Bisher mussten Frauen beweisen, dass sie sexuell belästigt wurden. Nun reicht es, das glaubhaft zu machen."

Ganz anders die Einschätzung eines Mitglieds der Kommission, Martina Thomasberger von der Arbeiterkammer Wien: "In dem geplanten Gesetz werden sachlich nicht zusammengehörige Rechtsgebiete zusammengewürfelt", kritisiert die AK-Frauenreferentin. Die vorgesehene Beweismaßerleichterung würde außerdem nicht ausreichen, um die Vorgaben der EU-Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie zu erfüllen: "Geht es nach der EU, müsste der Arbeitgeber beweisen, dass keine Diskriminierung vorgelegen hat. Nach dem Gesetzesentwurf reicht es aber aus, das nur zu behaupten und Indizien anzuführen", so Thomasberger. Schließlich sei auch im geplanten Gesetz nur von einer Gleichbehandlung der Geschlechter, nicht aber von aktiver Gleichstellung die Rede.

23 Prozent weniger Lohn

Auch Ingrid Nikolay-Leitner, Leiterin der Gleichbehandlungsanwaltschaft, die pro Jahr über 6.000 Beratungen durchführt und die schwierigsten Fälle an die Gleichbehandlungskommission weiterleitet, vermisst diesen Aspekt im Gesetzesentwurf: "Wir fordern die Verpflichtung der Arbeitgeber, die Gleichstellung von Männern und Frauen im Betrieb aktiv zu fördern - etwa durch die Erhöhung des Frauenanteils in leitenden Positionen oder durch die Gleichstellung beim Entgelt."

Gerade hier bleibt noch viel zu tun: Nach den aktuellen Zahlen der Statistik Austria verdienen Frauen um 40 Prozent weniger als Männer. Umgerechnet auf die tatsächliche Arbeitszeit beträgt die Einkommenskluft noch immer 23 Prozent. "Das Problem ist, dass es in Österreich kein egalitäres Grundverständnis zum Geschlechterverhältnis gibt", glaubt Margareta Kreimer, Obfrau des Vereins "Peripherie" - Institut für praxisorientierte Genderforschung in Graz. "Jeder weiß, dass Frauen weniger verdienen, aber bekämpft wird es nicht." Eine Gleichgültigkeit, die sich für Frauen spätestens in der Pension mit einem Einkommensminus von 45 Prozent bitter rächt. Statt die bestehenden Ungerechtigkeiten mit einem früheren Pensionsantrittsalter zu kompensieren (worauf Österreichs Frauenpolitikerinnen beharren), würde sich Kreimer mehr Frauenförderinitiativen im Berufsleben wünschen. "Nur sehe ich die nicht."

Im Fall unserer Sparkassenbediensteten wäre wohl auch eine Förderinitiative gescheitert: Wie die Gleichstellungskommission dokumentiert, wurden "auf ausdrücklichen Wunsch des Direktors" bei der definitiven Anstellung Alleinverdiener bevorzugt. Pech für die Frau, mit einem erwerbstätigen Mann verheiratet zu sein... Doris Helmberger

Informationen bei der Anwaltschaft für Gleichbehandlungsfragen: (01) 532 02 44 oder gaw@bmgf.gv.at

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