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Plausibel, aber auch unsozial

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Runde um Runde punkteten die Frauen in den letzten Wochen beim Poker um das 55-Punkte-Forderungspaket von Ministerin Johanna Dohna! zur Besserstellung der Frauen. Offen sind zwei Knackpunkte: Einer davon ist die „Beweislastumkehr" für behauptete Diskriminierung im Berufsleben. Was verbirgt sich hinter dieser schweren Formel? Was beschert sie den berufstätigen Frauen, die unter Ungleichbehandlung leiden? Was den Unternehmern?

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Runde um Runde punkteten die Frauen in den letzten Wochen beim Poker um das 55-Punkte-Forderungspaket von Ministerin Johanna Dohna! zur Besserstellung der Frauen. Offen sind zwei Knackpunkte: Einer davon ist die „Beweislastumkehr" für behauptete Diskriminierung im Berufsleben. Was verbirgt sich hinter dieser schweren Formel? Was beschert sie den berufstätigen Frauen, die unter Ungleichbehandlung leiden? Was den Unternehmern?

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Zunächst bedeutet die Forderung - in die Praxis umgesetzt - eine tiefgreifende Änderung der bestehenden österreichischen Rechtsordnung. Diese verlangt, daß jede Schuldvermutung bewiesen werden muß. Selbst ein Mörder gilt als schuldlos, bis seine Schuld bewiesen ist. Es genügt nicht, eine Tat „nur" gesehen zu haben. Sie muß auch entsprechend überprüft werden. Die Rechtsordnung schützt so das Rechtsgut der Unbescholtenheit. Gleiches gilt derzeit auch für vermutete Diskriminierung der Frauen im Berufsleben. Der Kläger muß Beweise für seine Anschuldigung erbringen, nicht der Angeklagte für seine Schuldlosigkeit.

Seit 1979 - mit Novellierungen 1985 und 1989 - gibt es das Gleichbehandlungsgesetz. Frauen, die sich aus geschlechtsspezifischen Gründen benachteiligt fühlen, können die Gleichbehandlungskommission oder (seit 1990) auch eine Gleichbehandlungsanwältin ihren „Fall" prüfen lassen.

Die Praxis hat gezeigt, daß viele Dienstgeber schon bereit sind, erwiesene Diskriminierungen aufzuheben. Teilweise ignorieren sie eine solche Feststellung aber auch. Den Weg zu Gericht wagen in weiterer Folge dann aber nur wenige Frauen. Die - vermeintliche oder tatsächliche -Diskriminierung bleibt bestehen. Hier haken die Politikerinnen ein: Es herrsche

bei der Umsetzung des Gleichbehandlungsge-setzes keine Waffengleichheit. Die Praxis habe gezeigt, daß die bloß „rechtliche" Gleichstellung in eine „faktische" umgewandelt werden müsse, um effizient zu sein. Die entsprechende Waffe ist die „Beweislastumkehr". Ein Arbeitgeber soll künftig die Beweise auf den Tisch legen, daß er eine Angestellte nicht deshalb schlechter behandelt, weil sie eine Frau ist. Nicht - wie bisher umgekehrt. Aus dieser Forderung der Beweislastumkehr ist die sexuelle Belästigung ausgeklammert. Sie wurde selbst von der Frauen-Phalanx als überspitzt angesehen.

Ganz erfolglos waren die Frauen im Kampf gegen Ungleichheit bisher aber auch nicht.

Entgeltnachzahlung, die Gewährung eines gleichen Einstiegsgehaltes, Einstufung in höhere Lohnkategorien, Gehaltskorrekturen wurden bereits erfolgreich durchgeboxt. Auch das Selbstbewußtsein der Frauen ist etwas stärker geworden. Sie treten in den Betrieben mit ihren Ängsten und Sorgen über ungleiche Behandlung zunehmend an die Betriebsräte heran.

Die Unternehmer bleiben aber ebenso bei ihrem eisernen „Nein" zu den Dohnal-Attacken. Die Wirtschaft, so heißt es, warte lieber auf die entsprechende Beweislastumkehr-Richtlinie, die die Europäische Gemeinschaft derzeit vorbereitet. Gegen den Druck aus Brüssel werde man sich dann nicht mehr sperren. Warum also nicht gleich freiwillig

gewähren, was man später ohnehin tun muß? Man wolle nicht schon wieder den sozialen Vorreiter spielen und Vorleistungen erbringen, kontern Unternehmervertreter. Doch auch das Begehren der Europäischen Gewerkschaften dürfte nicht ganz glatt über die Bühne gehen. Denn noch ist unklar, wann und in welcher Form diese Richtlinie kommt.

Die Unternehmen befürchten außerdem eine Prozeßlawine kämpferischer Frauen. Scharen von Frauen, die aus Solidaritätsgründen zu Gericht pilgern? Ein Beweis dafür, daß die Ungleichbehandlung doch kein ungewichtiges Problem ist?

Andererseits könnten die Frauen in Zukunft vor neuen Problemen stehen: Welches Unternehmen will eine potentielle Problemquelle und ein erklärtes „Liebkind des Gesetzgebers" - sprich ein weibliches Wesen -besonders gerne einstellen?

Die Beweislastumkehr ist - vermutlich nicht nur aus der Sicht der Frauen - durchaus plausibel. Aber sie ist auch unsozial und schafft neue Ungerechtigkeiten. Es ist gut vorstellbar, daß „kluge" Unternehmen immer „gute" Gründe finden, eine Frau ungleich zu behandeln und sich dies nicht nachweisen zu lassen. Konzerne und größere Unternehmen beschäftigen halt in Zukunft Spitzenanwälte, um dafür die entsprechenden „sachlichen Gründe" auf den Tisch zu legen. Finanzielle Sanktionen dürften hier wohl auch kein Problem sein. Daß kleinere Unternehmen hier eindeutig benachteiligt sein würden, liegt klar auf der Hand.

Die beiden Kontrahenten bei den Verhandlungsrunden haben sich jedenfalls in ihren Positionen eingemauert.Ohne Gesichtsverlust können sie nicht nachgeben.

Daß Frau Dohnais Herz nicht für die Unternehmer schlägt, ist klar. Ob sie mit der Durchsetzung der „Beweislastumkehr" ihren Schwestern tatsächlich nur gute Dienste erweisen würde, ist nicht so klar. Ob sich der harte Kampf wirklich lohnt?

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