Mehr Pflichten als Rechte

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In Wien ist die Straßenprostitution innerhalb des Wohngebiets verboten. Das macht die Arbeit für die betroffenen Frauen noch gefährlicher, sie werden weiter in die Illegalität abgedrängt.

Seit November 2011 ist Straßenprostitution nur noch außerhalb des Wiener Wohngebiets erlaubt. Die einzigen Erlaubniszonen, wo derzeit Prostituierte stehen, sind zwei Straßen im Prater und ein abgelegener Parkplatz am Auhof bei der Westautobahn. Zudem ist die Straßenprostitution im Prater seit Juni 2012 auf die Zeit zwischen 22 Uhr und 6 Uhr beschränkt.

Die gewünschte Entlastung der Anrainer in den ehemaligen Straßenstrichgebieten von Penzing und Rudolfsheim-Fünfhaus ist damit eingetreten. Etwa 150 Prostituierte sind von der Straße verschwunden. NGOs vermuten, dass die Frauen in Prostitutionslokale und in die illegale Wohnungsprostitution ausgewichen sind oder Wien verlassen haben. "Die Erlaubniszone im Prater ist nun überfüllt, wodurch die Freier leichter Druck ausüben können, um die Preise zu senken“, so Renate Blum von Lefö, einer Beratungsstelle für Migrantinnen. Da es in der Nähe des Praters keine Stundenhotels gibt, müssen die Frauen zu den Freiern in den Wagen steigen und anschließend durch die Sperrzone in den Prater zurückgehen. Im ersten Halbjahr 2012 hat es wegen Verletzung des Wohngebiets-Verbotes 1.300 Strafen für Prostituierte gegeben, aber nur 70 Strafen für Freier. In Schweden hingegen steht nicht die Prostitution, sondern das Freiertum unter Strafe.

Die Empfehlung für den Auhof als Erlaubniszone hat eine Steuerungsgruppe, bestehend aus Vertretern von Politik, Polizei sowie NGOs, aufgrund von Sicherheitsbedenken wieder zurückgenommen. "Beim Auhof sind permanent Zuhälter vor Ort, die die Frauen kontrollieren“, berichtet Elisabeth Jarolim vom STD-Ambulatorium für sexuell übertragbare Krankheiten des Wiener Gesunheitsamts.

Nur die Spitze des Eisbergs

Die vielfach unter Vorspiegelung falscher Tatsachen aus Osteuropa geholten Frauen machen den Großteil der geschätzten 100 bis 200 Wiener Straßenprostituierten aus. Die meisten von ihnen stammen aus Rumänien, Bulgarien und Ungarn. "Gleichzeitig wurden der Task Force Menschenhandel jedoch die Ressourcen gekürzt“, kritisiert Birgit Hebein, Sozialsprecherin der Wiener Grünen.

Der Wiener Straßenstrich stellt nur die Spitze des Eisbergs dar: Derzeit sind in Wien insgesamt 2695 Frauen als Prostituierte gemeldet, darunter sind weniger als 100 Österreicherinnen. Die Dunkelziffer soll doppelt so hoch sein: "Allein in Wien gibt es 600 gemeldete Prostitutionslokale“, berichtet Peter Goldgruber, Leiter der Sicherheits- und Verkehrspolizei Wien. Mit Bezeichnungen wie "Sauna - oder Massagestudio“ wollen sich Betreiber und Freier ein besseres Image verschaffen. Darüber hinaus gibt es mehr als 120 Escortservices in Wien. "Weil die Arbeit dort fälschlicherweise nicht als Prostitution gilt, müssen sich die Frauen nicht als Prostituierte registrieren“, berichtet Christian Knappik, Sprecher des Sexworker-Vereins.

Um migrierte Prostituierte vor Frauenhandel, Gewalt und Ausbeutung zu schützen, müsste sich ihre rechtliche und soziale Lage verbessern. "Ein besserer Zugang zum Arbeitsmarkt sowie eine Aufenthalts- und Beschäftigungsbewilligung auch nach dem Ausstieg aus der Prostitution wären der Schlüssel“, fordert die Grüne Hebein.

Sittenwidrigkeit gefallen, Folgen fraglich

Laut einem Urteil des Obersten Gerichtshofes (OGH) vom 18. April ist Prostitution nicht mehr per se sittenwidrig. "Bisher galten Verträge über sexuelle Dienstleistungen als sittenwidrig, weshalb Prostituierte trotz Steuerpflicht keine Möglichkeit hatten, ihr Honorar einzuklagen“, kritisiert Eva van Rahden von der Beratungsstelle Sophie. Honorare könnten nun theoretisch eingeklagt werden, praktisch ist das noch nicht geschehen. Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek appelliert nun an die Justizministerin Beatrix Karl, eine auf dem OGH-Urteil basierende arbeits- und sozialrechtliche Gesetzesvorlage zu erarbeiten.

Indessen diskutiert die Steuerungsgruppe über weitere mögliche Erlaubniszonen. Vorschläge scheitern am Widerstand der Bezirke. "Verdrängung und Verbote tragen nicht dazu bei, dass Prostitution verschwindet. Sie führen zu unsicheren Arbeitsbedingungen, fördern Zwangs- und Abhängigkeitsverhältnisse und begünstigen Gewalttaten“, sagt die Grüne Birgit Hebein.

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