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Der Muttertagskitsch und -kommerz verdeckt die enormen Belastungen, unter denen Frauen im alltäglichen Leben stehen. Ob künftige Generationen dazu noch bereit sein werden, ist äußerst fraglich.

Nur Weihnachten ist noch besser als der Muttertag. Ökonomisch gesehen, wie uns das Handelsblatt einmal wissen ließ - zumindest in den USA, von wo der Mother's Day auch herkommt. Der Vergleich hat was: Bei beiden Festen lässt sich unschwer eine zunehmende Entfernung von der ursprünglichen Intention erkennen, beide arten tendenziell in Kitsch- und Kommerz-Orgien aus - in denen sich freilich auch tief wurzelnde Sehnsüchte, Rast- und Orientierungslosigkeit ausdrücken -, beide leben von und kranken gleichermaßen an der Überhöhung ihrer selbst: des Festes und seines Inhalts (der übrigens auch bei Weihnachten zum Teil eine Mutter-Geschichte ist).

"Mütter mögen's märchenhaft"

Überhöhung, Idealisierung - damit sind Frauen, Mütter nach wie vor konfrontiert, allem gesellschaftlichen Wandel, aller Liberalisierung, allen Gleichstellungsbemühungen zum Trotz. "Mütter mögen's märchenhaft" lautet da einer der zahllosen Slogans, die an der Verblödungsgrenze entlangschrammen und mit denen die "Buben" auf den Tag der vielen Herzchen eingestimmt werden sollen: "Wenn Sie noch ein Geschenk suchen, sind Sie bei uns genau richtig …" Buben? Ja, denn es sind laut Wirtschaftskammer Wien weitaus mehr Söhne als Töchter, die ihre Mütter entsprechend hochleben lassen wollen. Vielleicht weil Töchter, sei es ex negativo oder affirmativ, sich mehr in ihre Mütter hineinfühlen können und daher weniger dazu neigen, was auch immer auf sie zu projizieren?

Von hoch leben ist freilich in der alltäglichen Realität vieler Mütter kaum die Rede. Und das gilt keineswegs nur für die vielzitierte alleinerziehende Supermarktkassierin, sondern nicht minder für - auch nicht alleinerziehende - Lehrerinnen, Ärztinnen, Anwältinnen, Wissenschaftlerinnen. Mit enormem Einsatz, eiserner Disziplin und Fähigkeit zur (Selbst-)Organisation schaffen sie den Spagat zwischen Beruf und Familie - aber oft nur verschwitzt und mit hängender Zunge.

Die jetzt im Berufsleben stehende Frauengeneration ist die erste, für die das im großen Maßstab gilt. Es könnte freilich auch die letzte sein, die sich das "antut". Schließlich bleibt der oft aberwitzige Parforceritt gesellschaftlich weitgehend unbedankt: Selber schuld, wenn du Kinder hast, heißt es von links; selber schuld, wenn du arbeiten gehst, von rechts. Gut, das stimmt nicht mehr ganz so, ist aber im Unterbewusstsein nach wie vor gespeichert und bei Bedarf abrufbar.

Bei den Männern sieht die Sache anders aus. Natürlich gibt es Väter, die sich weit mehr, als das früher üblich war, um ihre Kinder kümmern, die in Karenz gehen, beruflich zurückstecken, um stärker in der Familie präsent zu sein. Aber im Normalfall ist es doch noch so, dass man bei einem berufstätigen Mann hinsichtlich seiner Verfügbarkeit und Flexibilität kaum merkt, ob er Vater ist oder nicht. Am deutlichsten wird der Unterschied in der gesellschaftlichen Wahrnehmung vielleicht sogar bei der schmalen Schicht der Eliten: Der Power-Mann, den es als Begriff eigentlich nicht gibt, ist Power-Mann, weil er beruflich erfolgreich ist. Die Power-Frau, die als Role-Model bis zum Abwinken die Covers bunter Hefte ziert, ist Power-Frau, weil sie beruflich erfolgreich ist und auch noch Kinder hat.

Abgehetzt durchs Leben

Das kann und wird auf Dauer nicht gutgehen. Was also dann? Weder ist es wünschenswert, dass statt der Frauen die Männer oder auch Frauen wie Männer gleichermaßen abgehetzt durchs Leben gehen, noch dass für Führungspositionen nur kinderlose Singles oder Singlepaare (DINKS - double income, no kids) in Frage kommen. Vielmehr müssten doch gerade jene, die in Form von Kindern auf die Zukunft setzen, auch an den Entscheidungen über ebendiese Zukunft maßgeblich beteiligt sein.

Nur soviel lässt sich sagen: Wenn es auch künftig Lebens-Gemeinschaften von Kindern, Müttern, Vätern geben soll, wird es eines Wandels bedürfen, dessen Ausmaße wir nur erahnen können, geschweige denn, dass die Politik davon etwas begriffen hätte. Wir stehen hier erst ganz am Anfang.

* rudolf.mitloehner@furche.at

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