Lebenspolitik muss im Mittelpunkt stehen

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Zur Halbzeit der Legislaturperiode, gilt es, die entscheidenden Herausforderungen jenseits der Finanzpolitik zu benennen.

Im Frühling installierte Wolfgang Schüssel eine Bioethik-Kommission im Kanzleramt, deren Aufgabe es ist, in Österreich Diskurs zu den exis-tentiellen Fragen, die von der Medizin jetzt aufgeworfen werden, zu ermöglichen. Zwei Drittel der Österreicher fühlen sich laut einer Umfrage von Mitte August nicht ausreichend über das Thema Biotechnologie informiert - der Meinungsbildungsprozess steht noch am Beginn: Nicht ängstliches Problemwälzen ist angesagt, sondern durch Vernunft und Ethik mit Sensibilität zu definieren, wovon wir lieber die Finger lassen, und herauszufinden, wo Chancen liegen, die wir nützen sollten.

Die schwierigste Problemstellung, vor die uns die Gentechnik stellt, ist die des Gebrauchs von Embryonen zu Forschungszwecken. Die Idee zu einer solchen Forschung entspringt nicht nur der übermütigen Versuchung, an Kindern im Mutterleib herumzubasteln, um sie vermeintlich besser, schöner, intelligenter zu machen, sondern auch seriösem wissenschaftlichem Interesse im Dienst der Bekämpfung schlimmer Krankheiten. Nach entsprechenden Forschungsergebnissen wäre es möglich, durch genetische Tests Erbkrankheiten zu erkennen und das Ungeborene zu heilen. Von Experten ist zu hören, dass die dazu nötige Forschung sehr bald auch mit adulten Stammzellen möglich sein wird und damit die scheinbar unlösbare Problemstellung der Verwendung embryonaler Zellen obsolet wäre.

Eine denkbare vernünftige Vorgangsweise des Gesetzgebers wäre, ers-tens eine möglichst klare Grenze zu ziehen zwischen Praktiken, die vertretbar und deshalb näher zu prüfen sind, weil sie der Heilung dienen, und solchen, die nicht vertretbar sind, weil sie nur im Dienst physischer oder psychischer Kosmetik stehen. Zweitens sollte die Politik die Forschung mit adulten Stammzellen anhand der definierten Grenzen zielgerichtet fördern und damit erreichen, dass es nie zu einer Zulassung von Embryonen ge- und verbrauchender Forschung kommt.

Es ist notwendig, eine Bio-Ethik, also eine Lebens-Ethik zu entwickeln - hier stößt das brandaktuelle Thema eine Tür auf zum umfassenden Begriff "Leben", der von nun an im Mittelpunkt des politischen Handelns stehen soll: Unseren Lebensraum Mitteleuropa innerhalb eines zusammenwachsenden Kontinents in Freiheit gemeinsam mit unseren Nachbarn gestalten zu dürfen, kann uns optimis-tisch stimmen. Österreich braucht eine breite Bewusstseinsbildung dafür, dass wir allen Grund haben - ökonomische und ökologische Probleme lösend -, um die so genannten Beitrittswerber unsererseits zu werben.

Wenn es um "Leben" geht, geht es auch um die Lebenszeit, die wir alle gerade gewinnen - in der Gesamtdauer durch steigende Lebenserwartung, im Alltag durch neue Medien. Gut wäre, würde die gewonnene Zeit investiert in längere Erwerbstätigkeit; entstaatlichte, verpersönlichte Solidarität und Bildung.

Betreffend den Wert menschlichen Lebens müssen wir darauf achten, nicht eine Doppelmoral zu verfolgen, indem wir mit aller Kraft versuchen, den Verbrauch von Embryonen in der Forschung weiterhin zu verhindern und mit der gebotenen Sorgfalt zu diskutieren, gleichzeitig aber die nicht einmal mit wissenschaftlichen Zwecken zu rechtfertigende, aus rein subjektiven Motiven resultierende Tötung menschlichen Lebens bis zum dritten Schwangerschaftsmonat beziehungsweise bis zur Geburt - je nach Gesundheitszustand des Kindes - zu dulden.

Wer sich den Lebens-Fragen, zu denen auch Themen wie Kultur, Partizipation oder Lebenspartnerschaften zählen, in offener Diskussion und mit unideologischem Zugang widmet und den Mut hat, rechtzeitig Entscheidungen zu treffen, betreibt verantwortungsbewusst zukunftsorientierte Politik.

Der Autor ist Mitarbeiter eines ÖVP-Nationalratsabgeordneten und Mitbegründer der "Initiative Christdemokratie" im Rahmen der ÖVP.

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