"Bereits in den Schulen soll man das diskutieren"

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Christiane Druml, Vorsitzende der Bioethikkommission des österreichischen Bundeskanzleramtes, spricht im Furche-Interview zur aktuellen Stammzellendebatte.

Furche: Was ist die Aufgabe der Bioethikkommission?

Christiane Druml: Die österreichische Bioethikkommission ist in erster Linie ein Beratungsorgan für den Bundeskanzler. Sie erarbeitet und empfiehlt Vorschläge über mögliche rechtliche Maßnahmen in Bezug auf die Biopolitik. Ihre zweite Aufgabe - eigentlich die vordringlichste - liegt in der Diskussion diverser bioethischer Inhalte in der Öffentlichkeit, um die Bewusstseinsbildung über solche Frage- und Problemstellungen zu fördern.

Furche: Eine Reihe an Wissenschafter ist in dieser Kommission vertreten (Juristen, Mediziner, Theologen und Philosophen), alle aus der Perspektive ihrer Disziplin heraus. Wer vertritt die Meinungen der österreichischen Bevölkerung in diesem politischen Gremium?

Druml: Es handelt sich bei der Bioethikkommission weniger um eine politische Kommission, als vielmehr um eine Expertenrunde. Sie ist dazu da, die politischen Entscheidungsträger, die von der Bevölkerung gewählt werden, zu beraten und Expertisen zu den diversen Fragestellungen, die an sie herangetragen werden, zu erstellen. Bezüglich der konkreten Umsetzung sind die Politik und ihre Vertreter gefordert.

Furche: Die Stammzellenforschung ist seit wenigen Wochen wieder ein großes Thema in Wissenschaft und Forschung. Wie sieht zurzeit die rechtliche Regelung in Österreich aus?

Druml: Jede einzelne Methode der Stammzellenforschung verlangt ihre eigene Betrachtungsweise sowie ein Abwägen der unterschiedlichen rechtlichen, ethischen und gesellschaftlichen Implikationen. Die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen ist in Österreich nicht konkret geregelt, weil es auch kein spezifisches Gesetz zum Embryonenschutz gibt. In anderen Bereichen der Stammzellenforschung gibt es hingegen diverse Bestimmungen.

Furche: Für wen ist diese rechtliche Ungeregeltheit von Vorteil?

Druml: Als Juristin empfinde ich rechtliche Ungeregeltheiten natürlich nie von Vorteil. Gerade in Bezug auf so etwas Schwerwiegendes und Zukunftsorientiertes wie in dem Bereich der Forschung. Vor allem hier, wo auch viel Geld im Spiel ist, bräuchte es doch gewisse Rechtssicherheiten, die auch wünschenswert sind. Es mag schon sein, dass in dieser derzeitigen Situation manche einen Vorteil sehen.

Furche: Gegenwärtig ist zu beobachten, dass Österreich, nicht zuletzt durch vorhandene rechtliche Lücken, in Bezug auf die Biopolitik passiv wirkt. Das 7. Rahmenprogramm Forschung der EU hat im Vergleich zu anderen Ländern der Europäischen Union kaum Diskussionen in der Öffentlichkeit oder politische Debatten hervorgerufen. Warum?

Druml: Ich glaube, dass in Österreich eine relativ gering entwickelte Kultur und Übung in solch bioethischen und auch biopolitischen Debatten existiert. Solche Fragen werden eher in kleinen Fachkreisen behandelt, nicht aber in einem öffentlichen Diskurs. Deshalb ist es auch ein Ziel der Kommission, solche Frage- und Problemstellungen der Bioethik in der Öffentlichkeit zu diskutieren. Bereits in den Schulen müssen solche Fragen diskutierbar sein. Um das zu ermöglichen, plant die Bioethikkommission in naher Zukunft eine gemeinsame Kampagne mit dem Unterrichtsministerium.

Furche: Wie steht die österreichische Bioethikkommission zu den jüngsten Forschungsergebnissen in Bezug auf die Stammzellenforschung, nämlich in adulten Stammzellen die "Besonderheiten" von embryonalen Stammzellen zu entwickeln?

Druml: Diese Entwicklungen sind noch zu kurzfristig, um sie konkret einschätzen und bewerten zu können. Die jüngsten Entwicklungen werden mit Sicherheit diskutiert, aber eine "wie steht die österreichische Bioethikkommission dazu"-Stellungnahme gibt es (noch) nicht. Erste Ergebnisse über diese Beratungen werden sich frühestens im Spätherbst bzw. im Winter entwickeln. Eine einheitliche Stellungnahme zu diesen neuen Forschungen ist aber nicht zu erwarten, da das Spektrum der diversen Meinungen auch innerhalb der Bioethikkommission ein sehr vielfältiges ist.

Furche: Wie stehen Sie persönlich zu diesen jüngsten Entwicklungen der Forschung?

Druml: Das alles in diesem Forschungsbereich in Bewegung ist, entwickelt eine besondere Faszination. Doch eines ist klar, dass die Forschung in diesem Bereich "mehrgleisig" (Anm.: interdisziplinär) unterwegs sein muss. Auf der einen Seite braucht es Richtlinien, die diese Entwicklungen lenken, auf der anderen Seite hingegen muss die Forschung aber auch ihre Möglichkeiten bekommen, neue Methoden - wie z.B. jene der Stammzellenforschung ohne die verbrauchende embryonale Stammzellenforschung - überhaupt entwickeln zu können. Eine große Herausforderung.

Das Gespräch führte Simon Varga.

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