Hoffnung durch neue Methoden

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Brustkrebs ist das häufigste Karzinom bei Frauen. Bei einem Symposium in Wien wurden vielversprechende neue Behandlungsmethoden vorgestellt. Auch herkömmliche Therapien und Vorsorgemaßnahmen konnten verbessert werden. Erstmals gelang es die Sterblichkeit zu senken.

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Brustkrebs ist das häufigste Karzinom bei Frauen. Bei einem Symposium in Wien wurden vielversprechende neue Behandlungsmethoden vorgestellt. Auch herkömmliche Therapien und Vorsorgemaßnahmen konnten verbessert werden. Erstmals gelang es die Sterblichkeit zu senken.

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Stellen Sie sich vor, Sie sitzen im Theater und zählen in der Reihe vor Ihnen die Frauen. Eine von Ihnen hat oder wird Brustkrebs haben. Vielleicht weiß sie es schon, vielleicht hat sie keine Ahnung, vielleicht ist es ihr gar nicht bewußt wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist." So schildert eine von Brustkrebs betroffene Frau im Wiener Wilhelminenspital ihre Erfahrung.

Die Gefahr für Frauen, an Brustkrebs zu erkranken, ist tatsächlich sehr hoch. "Dieses Schicksal trifft jede achte bis zehnte Frau in Österreich", berichtet Universitätsprofessor Heinrich Salzer, Leiter der gynäkologisch-geburtshilflichen Abteilung des Wiener Wilhelminenspitals und Präsident der österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe bei einem Symposium zum Thema Brustkrebs in Wien.

Brustkrebs ist das häufigste Karzinom bei Frauen. Jedes Jahr erkranken weltweit etwa eine Million Frauen und einige tausend Männer an Brustkrebs. 600.000 Frauen sterben daran. In Österreich werden jährlich 4.000 Neuerkrankungen registriert, darunter 30 bis 40 Männer. 1.200 Todesfälle gehen hierzulande auf das Konto von Brustkrebs. Bis zur Menopause verdoppelt sich bei Frauen alle zehn Lebensjahre das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken. Danach steigt das Risiko weniger rasant an. Drei von vier Betroffenen sind über 50 Jahre.

Obwohl bösartige Erkrankungen der weiblichen Brust signifikant zunehmen, ist es nun erstmals gelungen, die Sterblichkeitsrate bei dieser Krebsart zu senken. Die Überlebenschancen sind besser geworden. Diesen Erfolg führen Ärzte in erster Linie auf bewußtseinsbildende Maßnahmen zurück, wodurch Brustkrebs immer häufiger bereits im Frühstadium diagnostiziert werden kann - ein wesentlicher Faktor für die vollständige Heilung.

Sehfehler korrigieren Aber auch in anderen Bereichen hat sich viel zugunsten der betroffenen Frauen entwickelt. "Bei keiner anderen Krebsart hat man derartige Fortschritte bezüglich Therapie gemacht wie beim Mammakarzinom", berichtet Salzer. Noch vor 25 Jahren war es selbstverständlich, bei jedem bösartigen Tumor der Brust, diese automatisch zu entfernen. Die psychischen Folgen für die betroffenen Frauen waren enorm. "Man hat später bemerkt, daß Frauen die gleiche Lebenserwartung haben, auch wenn man nur den Tumor entfernt", erklärt Salzer den Umschwung zur brusterhaltenden Operation. 1970 wurden erst fünf Prozent der Frauen so operiert, daß die Brust erhalten blieb. Heute ist es möglich, in nahezu 80 Prozent der Fälle brusterhaltend vorzugehen. Die radikale Entfernung der Brust ist nur dann nötig, wenn der Tumor zentral sitzt, mehrere Tumore vorhanden sind oder der Tumor verhältnismäßig groß ist.

Auch für die Zukunft ist Salzer optimistisch: "In den nächsten 20 bis 30 Jahren wird eine 100prozentige Heilung möglich sein, und dabei wird das Bild der Frau gewahrt bleiben können."

Ein Weg dahin könnte die neue Therapie mit Hilfe von bestimmten Eiweißstoffen (Antikörpern) sein, die in den nächsten Wochen auch in Österreich zur Verfügung stehen wird. "Bei den meisten Brustkrebs-Patientinnen ist, entgegen der allgemeinen Auffassung, das eigene Abwehrsystem sehr gut. Es hat nur einen ,Sehfehler'. Eine Art Sehhilfe konnten Forscher jetzt entwickeln", erläutert Universitätsprofessor Heinz Ludwig, Vorstand der Ersten Medizinischen Abteilung für Onkologie am Wiener Wilhelminenspital, das Prinzip der neuen Methode. Dabei wurden Eiweißstoffe entwickelt, die sich an bestimmte Strukturen binden, die ausschließlich auf der Oberfläche von Tumorzellen vorkommen. Diese Eiweißstoffe können vom körpereigenen Immunsystem erkannt werden. Durch diese "Sehhilfe" kann das Immunsystem die Krebszelle vernichten. "Es ist in Zukunft vorstellbar, daß man nach der Operation nicht mehr die Chemotherapie einsetzt, sondern nur noch diese Antikörper zur Therapie benötigt", meint Ludwig.

Eine zweite Methode, die sich derzeit im Entwicklungsstadium befindet, geht ebenfalls völlig neue Wege bei der Therapie. Tumore können nur wachsen, wenn sie durch den Wirtsorganismus entsprechend genährt werden. Ludwig: "Man hat jetzt bestimmte Stoffe gefunden, die die Nährstoffzufuhr unterbinden. Dadurch stirbt der Tumor ab." Eine erste Patientin mit Brustkrebs stehe bereits unter dieser Therapie. In Tierversuchen habe sich, so Ludwig, diese Behandlung als erstaunlich wirksam erwiesen.

Eine weitere Richtung, die von den Medizinern bei der Krebsbehandlung verfolgt wird, ist die Korrektur von Gendefekten mittels Gentherapie. Denn oft ist für die Entstehung von Tumorzellen nur ein bestimmtes Gen verantwortlich: das p53-Gen, auch "Zellpolizist" genannt. Ein gesundes p53-Gen überwacht den Aufbau anderer Gene und korrigiert diese, falls es zu Mutationen kommt. Ist das p53 Gen selbst defekt, kann es zu unkontrolliertem Wachstum kommen, da die Fehler im Erbgut nicht mehr korrigiert werden können. Jetzt versuchen Wissenschafter ein gesundes p53-Gen über einen Virus in die Tumorzelle einzuschleusen. "Dann könnte das p53 Gen in der Zelle seine Wirkung entfalten und so zur Abtötung der Tumorzelle führen", erklärt Ludwig. Das Problem sei dabei heute noch, daß man das Präparat direkt in den Tumor hineinspritzen muß. Viele Tumore sind aber schwer zugänglich.

Zuckersüchtige Zellen Auch die Diagnostik von Brustkrebs kann mit eindrucksvollen Neuerungen aufwarten. Auf dem einfachen Prinzip, daß Krebszellen gleichsam "zuckersüchtig" sind, beruht das neue diagnostische Verfahren, PET (Positronen Emissions Tomografie) genannt. "Wir können damit regionale Stoffwechselvorgänge bildlich darstellen", stellt Universitätsprofessor Horst Köhn, Chef der Nuklearmedizin am Wiener Wilhelminenspital, die neue Methode der Öffentlichkeit vor. An Zuckermoleküle werden radioaktive Teilchen angehängt, allerdings in minimaler, unschädlicher Dosis. Da die Krebszellen wesentlich mehr Zucker aufnehmen als gesunde Zellen, kommt es im Tumor zu einer höheren Radioaktivität. Herkömmliche radiologische Methoden können lediglich feststellen, "daß da etwas ist" und Aussagen zu Form und Größe machen, so Köhn. Mit PET hingegen sind wesentlich detailliertere Aussagen möglich. Köhn: "Die Methode ermöglicht uns enorme Fortschritte, denn wir können nicht nur sagen, ob ein Tumor gut- oder bösartig ist, sondern bald nach der Chemotherapie beobachten, ob und wie gut die Patientin auf die Behandlung angesprochen hat. Nicht zuletzt erkennen wir bei unseren Messungen des ganzen Körpers Metastasen von nur wenigen Millimetern."

Als Risikofaktoren für die Entstehung von Brustkrebs gelten: * die familiäre Vorbelastung; * eine fettreiche Ernährung und dadurch bedingtes Übergewicht; * Bewegungsmangel und * Alkohol und Rauchen.

Die wichtigsten und oft lebensrettenden Vorsorgemaßnahmen sind: die Selbstuntersuchung der Brust durch die Frauen mindestens ein Mal pro Monat, die halbjährlichen bis jährlichen Kontrollen durch den Frauenarzt und die jährlich bis zweijährlich durchgeführte Mammographie ab dem 35sten bis 40sten Lebensjahr. Vor der Mammographie, so Salzer, müsse sich heute keine Frau mehr fürchten. Die Strahlendosis sei sehr gering. Eine regelmäßige Mammographie senkt bei Frauen zwischen 50 und 69 Jahren die Sterblichkeit um 28 Prozent.

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