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Fit und aktiv älter werden

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Das Innsbrucker Institut für Aiternsforschung präsentierte interessante Ergebnisse im Bereich der Atherosklerose und des Immunsystems. Damit ist ein wichtiger Schritt getan, um Menschen einen Lebensabend in Würde zu ermöglichen.

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Das Innsbrucker Institut für Aiternsforschung präsentierte interessante Ergebnisse im Bereich der Atherosklerose und des Immunsystems. Damit ist ein wichtiger Schritt getan, um Menschen einen Lebensabend in Würde zu ermöglichen.

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Regen, Nebel und Kälte - viele Menschen liegen jetzt mit Fieber und Schnupfen im Bett. Der Grippeerreger hat Hochkonjunktur. Wen die Grippe erwischt hat, sollte diese auf alle Fälle ernst nehmen, warnen Mediziner. Denn sie kann, insbesondere bei Kindern und älteren Menschen, tödlich seih. Als wirksames Mittel gegen eine Ansteckung empfehlen Ärzte die Grippeschutzimpfung. Die aber hat bei alten Menschen bisher unentdeckte Tücken:

„Wir impfen Pensionisten und glauben, es ist eine Äuffrischungsimp-fung”, erklärt Georg Wiek, Leiter des Innsbrucker Institutes für Biomedizinische Aiternsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Das Immunsystem hat die Eigenschaft, daß es sich an Erreger erinnert. Da dieses Erinnerungsvermögen im Alter aber nicht mehr einwandfrei funktioniert, sollten ältere Menschen wieder wie Kinder geimpft werden. „Das heißt, man muß mit den Impfungen von vorne anfangen”, so Wiek. Sonst könnte es passieren, daß sich ein älterer Mensch trotz Grippeschutzimpfung ansteckt.

Darüber hinaus sollte für Pensionisten ein Spezialimpfstoff hergestellt werden. Ein passendes Serum wurde am Institut entwickelt. Es wird ab nächsten Jahr erhältlich sein.

Das vor fünf Jahren gegründete Institut ist eine Initiative der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Es soll der Entwicklung unserer Gesellschaftsstruktur Rechnung tragen. Immerhin werden im Jahr 2000 rund 22 Prozent der österreichischen Bevölkerung über 60 Jahre alt sein. Im Jahr 2030, so die neuesten Bevölkerungsprognosen des Statistischen Zentralamtes, sogar mehr als ein Drittel. Werden keine Maßnahmen ergriffen, sind dann die Belastungen für jüngere Familien enorm. Als Beispiel führt Wiek den Medikamentenverbrauch an: Der derzeitige Anteil an Versicherten über 65 Jahre beträgt 20 Prozent. Sie benötigen aber 55 Prozent der Geldmittel für Medikamente. Daher sei Aiternsforschung ein wichtiges Thema. „Das Ziel der Aiternsforschung”, so Wiek, „ist aber nicht die Verlängerung des Lebens um jeden Preis, sondern Grundlagen zu schaffen, damit der Mensch gesund und in Würde altern kann.”

Zwar werden viele Erkrankungen, etwa Atherosklerose, rheumatische Beschwerden, hormonelle Störungen oder intellektuelle Defizite erst in der zweiten Lebenshälfte manifest, die Wurzeln müssen aber bereits viel früher gesucht werden. Auch die Behandlung und die Vorbeugung sollten, so Wiek, möglichst früh beginnen. Unendliche Lebensverlängerung gibt es nicht und sei auch nicht die Aufgabe der Aiternsforschung. Die maximal mögliche Lebenserwartung ist mit 100 bis 120 Jahren begrenzt. Menschliche Zellen können sich bis zu 50mal teilen. Der Mensch soll aber den letzten Lebensabschnitt so aktiv und gesund wie möglich erleben können.

Das zweite große Forschungsgebiet, auf das sich Wiek und seine Mitarbeiter im Rahmen der Aiternsforschung spezialisiert haben, ist die Untersuchung der Atherosklerose („Gefäßverkalkung”), Ursache von Herzinfarkten und Hirnschlag. Atherosklerose beruht nicht primär auf einer Übersättigung von Cholesterin, so das überraschende Ergebnis. Bisher wurde angenommen, daß Atherosklerose mit der Einlagerung von Cholesterin in der Gefäßwand beginnt. Am Anfang dieser Krankheit steht jedoch ein reversibler Entzündungsprozeß. Atherosklerose ist demnach eine Autoimmunerkrankung.

Atherosklerose als Autoimmunreaktion

Wiek erklärt den Vorgang bei der Gefäßverkalkung: Wenn man ein Bakterium Streß aussetzt, dann produziert es Eiweißstoffe, die das Bakterium schützen. Wird ein Mensch mit diesem Bakterium geimpft, dann entwickelt er in erster Linie gegen diese Schutz-Eiweißstoffe die Immunreaktion. Die innerste Schicht eines menschlichen Gefäßes ist mit Zellen bedeckt. Werden diese Zellen Streß ausgesetzt (etwa durch hohen Blutdruck), wehren sie sich mit Streßproteinen. Das Problem dabei ist, daß menschliche Streßproteine denen der Bakterien sehr ähnlich sind. „Das heißt, wenn wir gegen bakterielles Streßprotein reagieren, dann ist die

Gefahr groß, daß wir gegen unsere eigenen Streßproteine auch reagieren. Im Prinzip macht das aber nichts”, so Wiek. AVenn aber andere schädliche Faktoren dazukommen, etwa Rauchen und Übergewicht, dann wird am Ende dieses Vorganges Cholesterin in die Zellen eingelagert. Die entzündliche Phase am Anfang ist noch reversibel, nicht mehr aber die Einlagerung von Cholesterin. Deshalb müßte eine Atherosklerose-Prophylaxe bereits während der Entzündungsphase einsetzen.

Während seines Vortrages in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien kritisiert der Forscher die derzeitige Politik. „Die Menschen werden immer älter und gesünder. Das Unsinnigste was man machen kann ist, Menschen in Pension oder gar Frühpension zu schicken.” Denn „gesund altern” heißt für Wiek auch, daß sich ältere Menschen immer wieder aufs neue anstrengen müssen und viel üben sollten.

Die höchste Lebenserwartung gibt es derzeit in Japan. Wiek erklärt dies mit der gesunden Ernährung, Japaner würden viel Sport betreiben und wären auch genetisch günstiger veranlagt. Eine gleich hohe Lebenserwartung wie in Japan gibt es aber auch in Vorarlberg. Wiek sieht den Grund im „weitaus besseren Gesundheitsvorsorgesystem ”. Österreich weit haben derzeit Männer, die heute geboren werden, eine Lebenserwartung von 77, Frauen von 81 Jahren.

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