Der Kampf um ein Comeback

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Die heiß umstrittene „Hormonersatztherapie“ für Frauen in den Wechseljahren polarisiert seit Jahren. Immer wieder gibt es von Befürwortern zweifelhafte Versuche, die Behandlung in einem harmloseren Licht zu zeigen.

Sie bleibt ein Dauer-Aufreger: die sogenannte „Hormonersatztherapie“, die Beschwerden von Frauen in den Wechseljahren lindern kann, und – so die umstrittene These – vor altersbedingten Krankheiten schützen soll.

Ihr Aufstieg war zunächst steil: Wurde sie doch von manchen Ärzten als „Jungbrunnen“ beworben. Der jähe Fall kam 2002 mit der Publikation der Ergebnisse der US-amerikanischen WHI-Studie (Women’s Health Initiative, s. Kasten). Die Conclusio der Studienautoren: Die Risiken der „Hormonersatztherapie“ würden bei längerer Anwendung den Nutzen überwiegen (mancherorts wird der Name „Hormonbehandlung“ verwendet, da die These mit dem „Ersatz“ umstritten ist). Die Märkte für Hormonpräparate brachen hiernach ein, eine restriktive Verschreibung setzte sich durch: Nur Frauen mit schweren Wechselbeschwerden sollten diese Behandlung bekommen, möglichst kurz und niedrig dosiert. In Österreich erlitt der Markt ebenso einen Einbruch. Laut Zahlen des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherung nahm die Verschreibung von Arzneien, die Östrogen, Gestagene oder eine Kombination von beiden enthält, stark ab. Die Zahlen sind nur beschränkt aussagekräftig: Verschreibungen an Privat-Patientinnen scheinen nicht auf. Auch gibt es einige wenige medizinische Indikationen, außer dem „schweren klimakterischen Syndrom“, bei dem ebenfalls Hormone zum Einsatz kommen.

Starker Rückgang

Der Hauptverband gab keine absoluten Zahlen weiter, nur Relationen: Wenn die Menge der angegebenen Packungen im Jahr 2000 100 betrug, so fiel die Verschreibung von Östrogenen auf knapp unter 50, jene von Gestagenen auf 56 und jene des kombinierten Präparats noch drastischer auf 23.

Grund genug für manche Pharmafirmen aktiv zu werden, könnte man vermuten. Es gibt auch tatsächlich immer wieder Versuche, die „Hormonersatztherapie“ wiederzubeleben und in einem harmloseren Licht darzustellen, meist mit dem Credo: Man müsse es nur richtig machen. Ein Beispiel: Erst kürzlich wurde ein Presseseminar veranstaltet, das den Titel trug: „Die neue Hormonersatztherapie“. Mindestens ein Pharmaunternehmen hat die Veranstaltung mitgesponsert, was nicht offengelegt wurde. Es wurde versucht, darzustellen, dass man aus den früheren Fehlern gelernt hätte, nun alles anders mache oder immer schon anders gemacht habe. Die WHI-Studie, ihre Methode und Schlussfolgerungen aus Ergebnissen wurden kritisiert. Vertreter dieser Position: Etwa Ewald Boschitsch, ärztlicher Leiter des Ambulatoriums Klimax für Klimakterium und Osteoporose.

Belege durch randomisierte und Placebo-kontrollierte Studien sind Vertreter dieser Sicht bisher aber schuldig geblieben. Die Beweislast liege aber bei jenen, die immerzu behaupten, man müsse die Hormone nur richtig einsetzen, dann würden der Nutzen überwiegen, betont die Ärztin, Endokrinologin und Professorin für Gesundheitswissenschaften an der Universität Hamburg, Ingrid Mühlhauser.

Neue Nach-Untersuchungen der „WHI-Studie“ könnten die Diskussion erneut anheizen – auch hier in Österreich: Unter Federführung von Georg Pfeiler von der klinischen Abteilung für Spezielle Gynäkologie am AKH Wien wurde untersucht, welchen Einfluss der Rückgang der „Hormonersatztherapie“-Verschreibung auf die Brustkrebsrate hat. Die Studie wurde zwar schon auf einem Kongress in den USA präsentiert, es dürfen aber noch keine Ergebnisse veröffentlicht werden – so will es der Leiter der Abteilung, Ernst Kubista. Es soll noch die Publikation in einem Fachjournal abgewartet werden.

Ähnliche Untersuchungen in anderen Ländern, etwa Deutschland (Schleswig-Holstein) oder den USA, zeigen allerdings auf, dass nach den Einbrüchen der Verschreibung 2002 auch die Brustkrebsrate sank, was wiederum die WHI-Daten untermauert. Experten schätzten den kausalen Zusammenhang als sehr wahrscheinlich ein. Ob die Anzahl von Mammografien einen Einfluss hat, wurde kontrolliert. Angelehnt an diese Untersuchungen wollten die österreichischen Forscher zunächst herausfinden, ob die Verschreibung von Hormonpräparaten tatsächlich so stark zurückgegangen ist. (Die Zahlen vom Hauptverband gehen in diese Richtung.) Die zweite Frage ist, ob es tatsächlich eine Auswirkung auf die Brustkrebsrate hat. Die Hypothese der Studie ist laut Pfeiler, „dass man sehr wohl annahm, dass bei uns die Hormonersatztherapie stark zurückgeht und dass dies ähnlich wie in den USA und Deutschland auch bei uns eine Auswirkung auf die Brustkrebsinzidenz hat“. In welche Richtung, die Ergebnisse gehen, wollte Pfeiler auch nicht andeutungsweise sagen. Klar ist jedoch, dass Pfeiler für eine Beibehaltung des restriktiven Einsatzes der Hormonbehandlung ist.

Brustkrebsrate: Studie am AKH

Der Blickpunkt war vor allem auf jene Tumoren gerichtet, die auf Hormone reagieren. Diese Tumoren machen die größte Gruppe unter den Karzinomen der Brust aus.

Das Brustkrebs-Risiko stand immer im Zentrum der öffentlichen Diskussion. Die WHI-Studie zeigte einen signifikanten Anstieg des Risikos nach etwa fünf Jahren bei der kombinierten Therapie auf (Östrogen plus Progesteron). In absoluten Zahlen bedeutet das Risiko: Während in jener Gruppe, in der Frauen Hormone nahmen, 38 von 10.000 Frauen pro Jahr an Brustkrebs erkranken, sind es in der Placebo-Gruppe 30 von 10.000. Der signifikante Anstieg müsse aber, so der Brustkrebs-Spezialist Edgar Petru von der Uni Graz, immer in Relation zu anderen Risikofaktoren gesetzt werden, wie der frühe Beginn der Regelblutung oder eine späte Menopause. Hier ist das Risiko laut Petru höher als durch die Hormonbehandlung. Der Gyno-Onkologe trat auch bei dem Medienseminar zur „Neuen Hormonersatztherapie“ auf. Er hält aber an der restriktiven Verordnungspraxis fest. Vom präventiven Einsatz, etwa zur Vorbeugung von Osteoporose oder Herzkreislauferkrankungen, hält er ebenso wenig wie sein Kollege Ernst Kubista.

Andere Mediziner, starke Befürworter der Hormonbehandlung, sehen das anders und verweisen auf Studien, die den Zusammenhang zwischen schweren Wechselbeschwerden und einem erhöhten Risiko für Osteoporose und Herzkreislauferkrankungen aufzeigen würden. Die Therapie sollte zudem im sogenannten „window of opportunity“ begonnen werden, also um den Wechsel, nicht aber bei älteren Frauen. Bei der WHI-Studie lag der Altersdurchschnitt bei 63 Jahren.

Doch eine aktuelle WHI-Folgestudie mit jüngeren Frauen (kurz nach der Menopause) liefert Anhaltspunkte, die gegen die These mit dem günstigen Zeitfenster sprechen. Weitere Studien müssten aber folgen.

Studien-Dickicht

Ein weiteres Argument gegen die Schlussfolgerungen aus den WHI-Ergebnissen ist, dass in den USA andere Präparate zur Anwendung kamen. Die deutsche Fall-Kontroll-Studie MARIE (Mammakarzinom-Risikofaktoren-Erhebung) bestätigte 2007 aber die Ergebnisse der WHI-Daten bezogen auf die deutsche Verschreibungspraxis. Die Studie ist aber keine randomisierte und Placebo-kontrollierte Studie, was die Aussagekraft einschränkt.

Auch das Präparat Tibolon (ein synthetisches Hormon mit östrogenen, gestagenen und androgenen Wirkungen) hielt nicht, was es versprach. Es sollte vor allem bei Frauen, die bereits an Brustkrebs litten, Wechselbeschwerden mindern. Eine aktuelle randomisierte Studie zeigt auf, dass bei Frauen mit Tumoren, die auf Hormone empfindlich reagieren, das Risiko eines Rückfalls signifikant erhöht ist.

Es war immer nahe liegend, dass nach Einbrechen des Hormonmarkts eben andere Märkte entstehen würden, wie etwa der Markt für pflanzliche Präparate – allen voran, Soja oder Rotklee, die pflanzliche Östrogene enthalten (Phytoöstrogene). Auch diese Hoffnung erfüllte sich nicht. „Aus meiner Sicht gibt es keine neuen Erkenntnisse dazu“, resümiert Ingrid Mühlhauser. Die Ergebnisse der WHI-Studie müssten endlich zur Kenntnis genommen werden.

Viele Frauen, die in die Wechseljahre kommen, stehen dennoch vor einem Dickicht an oft widersprüchlichen Informationen.

Dass die „Hormonersatztherapie“ Wechselbeschwerden mildert, gilt als belegt. Nach Absetzen eines Präparats können die Beschwerden aber wieder auftreten. In einer Übersicht der „Cochrane Collaboration“ (Zusammenschluss unabhängiger Wissenschaftler) über randomisierte Studien zu Wechselbeschwerden wie Hitzewallungen wird aufgezeigt, dass von zehn Frauen, die ein Hormonpräparat nehmen, nach einigen Monaten folgendes Ergebnis vorliegt: Zwei von diesen haben immer noch Hitzewallungen, acht kein mehr. In der Placebo-Gruppe hatten aber auch fünf von zehn Frauen keine Beschwerden mehr – ganz ohne Medikamente.

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