Weiblicher Körper, kranker Körper?

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„Wechseljahre sind eine Krankheit und nicht natürlich. Sie sind von Menschenhand geschaffen. Frauen wurden um 1897 38 Jahre alt. Eine Hormonersatztherapie bedeutet daher eine Zurückversetzung der Frau in den ‚Naturzustand‘“. Diesen Auszug zitiert Petra Kolip, Sozialepidemiologin von der Universität Bremen, im Tagungsband „Wechseljahre multidisziplinär“ (Asgard Verlag, 2004). Die Autoren des Zitats: Ein deutscher Berufsverband von Gynäkologen. Meist kommen solcherlei Aussagen subtiler daher, ihre Wirkung verfehlen sie aber nicht: Die Wechseljahre werden meist mit einem Faktum gleichgesetzt: Beschwerden.

Diese sogenannte Medikalisierung und Pathologisierung der Wechseljahre wurde und wird vor allem von Feministinnen scharf kritisiert: Zumeist männliche Ärzte würden eine natürliche Phase der Veränderung des weiblichen Körpers krankreden, und nur deren Kunst könnte aus einer Frau im Wechsel wieder eine „richtige“ Frau machen. Auch Buchtitel verheißen, was Frauen angeblich brauchen, um Frau zu sein und zu bleiben: So kam beispielsweise 1999 das Buch „Frau sein ein Leben lang“ heraus. Die Verfasser waren nicht etwa erfahrene Frauen. Das Buch stammt aus der Feder des Leiters der klinischen Abteilung für gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin am AKH Wien, Johannes Huber, und des bereits verstorbenen Journalisten Alfred Worm. Die Frau und ihre (Wechsel-)Jahre als Männerdomäne?

Die Geschichte der Wechseljahre und ihrer Bedeutung analysiert die Medizinanthropologin Meike Wolf im Band „Graue Theorie“ (Böhlau, 2007). In ihrem Beitrag „Ein bisschen wie ein Jungbrunnen? Die kulturelle Konstruktion der Menopause als Hormonmangelkrankheit“ zeigt sie die Definitionsmacht der Ärzteschaft über Gesundheit, Krankheit und Niedergang des Frauenkörpers auf. Im 19. Jahrhundert von der Medizin aufgegriffen, wurden die Wechseljahre zugleich als etwas Krankhaftes definiert. Mit der Entdeckung der Hormone im 20. Jahrhundert, speziell des Östrogens, wurde zunehmend das weibliche Verhalten durch die Hormone erklärt.

„Gemachte“ Wechseljahre

Dass die Bedeutung der Wechseljahre in unserer Kultur konstruiert ist und die „Biologie“ mitbestimmt, zeigt die kanadische Anthropologin Margaret Lock auf. Sie untersuchte, wie sich nordamerikanische und japanische Frauen in ihren Körpererfahrungen unterscheiden. Während Nordamerikanerinnen Hitzewallungen als häufigste Begleiterscheinung des Wechsels angaben, schienen Japanerinnen dieses Symptom nicht zu kennen. Sie führten als Beschwerden steife Schultern, Kopfschmerzen und Schwindelgefühl an. In beiden Kulturen werden ältere Frauen anders wahrgenommen.

Manche Vertreter der hier kritisierten Ärzteschaft lassen diese These nicht gelten. Früher sei diese Phase von Ärzten ignoriert und abgewertet worden, sagt etwa Ernst Kubista, Leiter der Abteilung für Spezielle Gynäkologie am AKH Wien. Ärzte hätten eher die Sicht vertreten: Was interessieren uns Frauen im Wechsel, da müssten die Frauen eben durch. Auch der umstrittene Gynäkologe und als „Hormonpapst“ kritisierte Johannes Huber weist die These der Medikalisierung zurück: Frauen mit Beschwerden würden eine Behandlung einfordern, sie seien die Leidtragenden der Diskussion. „Die Menopause ist doch nichts Erfundenes. Sie ist doch kein Werbegag der Gynäkologen.“

Andere wie Petra Kolip verweisen darauf, dass Frauen nicht nur Opfer der Medikalisierung seien, sondern einige auch selbst eine Beachtung und Behandlung möglicher Beschwerden eingefordert hätten, vor allem auch im Hinblick auf die viel beworbenen Anti-Aging-Verheißungen.

Das Grazer Frauengesundheitszentrum bezieht hier klar Stellung und tritt für eine „Entmedikalisierung“ der Wechseljahre ein. Die Beratungsstelle sieht sich als „Gegengewicht zu großen Interessensgruppen im Gesundheitswesen“. Sylvia Groth, Leiterin des Frauengesundheitszentrums, betont, in der Beratung die Frauen vor allem stärken zu wollen, sie zu erinnern, welche körperlichen Veränderungen sie in ihrem Leben schon bewältigt haben, wie Pubertät, Menstruation oder Schwangerschaft.

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