Ein Comeback mit vielen Fragezeichen

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Zwei Drittel aller Frauen erleben die Wechseljahre ohne oder mit leichten Beschwerden, ein Drittel ist schwer betroffen. Lebensveränderungen prägen Körper und Psyche als Ganzes.

„Mein Kind ist jetzt erwachsen. Die Eltern werden dement und pflegebedürftig. Ich muss mich um viele Dinge auf einmal kümmern“, gibt Susanne R. ihr Erleben wider. Sie ist 52 Jahre alt und spürt, wie sich viele Dinge in ihrem Leben gerade verändern und neu formen. Veränderungen, die neue Lösungswege fordern und nicht immer leicht zu tragen sind. Doch Susanne R. hat in ihrer Lebensmitte gelernt: Wichtig ist, auf sich selbst zu achten, mehr denn je. „Ich war jetzt lang genug die Starke. Ich muss achtsamer mit mir selbst umgehen und schauen, was mir gut tut“, weiß sie. „Viele meinen, ich soll mir doch die Haare nachfärben, weil mir meine roten Haare so gut passen. Ich will das aber nicht mehr“.

Schweißausbrüche und Schlafstörungen

Noch befindet sich die Wienerin nicht in den Wechseljahren und hat ihre Menstruation regelmäßig – für ihr Alter untypisch. Einen Hormonspiegel hat sie vor kurzem beim Gynäkologen erstellen lassen. „Der Arzt hat gemeint, dass ich noch immer einen sehr hohen Östrogenspiegel habe. Wenn ich in den Wechsel komme und der Spiegel sinkt, würde ich verrückt werden“, gibt sie die unqualifizierte Aussage ihres Arztes wider, „das war wirklich schlimm, solche Aussagen braucht niemand“. Körperliche Beschwerden wie Schlafstörungen oder Schweißausbrüche, die auf den Wechsel hindeuten würden, bemerkt Susanne R. bei sich nicht.

Ein Drittel aller Frauen erlebt den Wechsel ohnehin beschwerdelos, bei einem weiteren Drittel treten leichte Probleme auf, das letzte Drittel der Frauen ist schwer betroffen. Etwa die Hälfte bis zwei Drittel der Frauen hat in den Wechseljahren Hitzewallungen und Schweißausbrüche, deren Intensität nicht nur von Frau zu Frau stark variiert, sondern von Tag zu Tag unterschiedlich ausfallen kann. Sie sind die häufigsten Beschwerden in dieser Phase. Treten sie in der Nacht auf, können sie den Schlaf stören.

Körper und Psyche in Einheit

Margarete Kunz ist Lebens- und Sozialberaterin im FEM, einem Gesundheitszentrum für Frauen in Wien. In den Wechseljahren suchen viele Frauen ihren Rat, meist wegen körperlicher Beschwerden. In vielen Fällen steckt aber mehr hinter den körperlichen Problemen: Sorgen, die mit dem Altern zu tun haben, oder Familienkonflikte, die belasten und zur Schlaflosigkeit führen können. „In der Lebensmitte muss Partnerschaft oft neu definiert werden, dabei kann es kriseln. Die Frau wünscht sich vielleicht mehr Zuwendung, weil sie sich nicht so wohl fühlt. Bei manchen kommt der Wunsch auf, das Leben noch einmal zu verändern und auf Grund des Östrogen-Rückgangs und des Testosteron-Anstiegs werden manche durchsetzungsfähiger und resoluter. Das hilft beim Ziel der zweiten Lebenshälfte: Zur persönlichen Ganzheit zu kommen.“

Dass die eigenen Eltern pflegebedürftig werden oder gar versterben, wenn man sich selbst gerade in der Lebensmitte befindet, belastet. Und wenn die Kinder das Haus verlassen, trifft das nicht nur Susanne R. Bei manchen Frauen kommt es zum so genannten „Empty Nest“-Syndrom, bei dem sie sich fühlen, als hätten sie eine Aufgabe verloren.

Verlust der Fruchtbarkeit

Kunz weiß: „Erschwerend kann hinzukommen: Auch wenn man keine Kinder mehr will, man kann keine mehr bekommen. Trauer kann entstehen, verbunden mit der Frage: Wer bin ich als Frau noch?“ Der Verlust der Fruchtbarkeit treffe jene stärker, die sich über eine Weiblichkeit des Gebärens definieren und keine Kinder bekommen haben, erklärt Kunz, „sei es, weil sie es verschoben haben, oder weil sie keine Partnerschaft hatten und es deshalb nicht denkbar war“. Für Frauen, die sich eher über den Beruf definieren, spiele dieser Aspekt eine weniger wichtige Rolle.

Viele Frauen beschäftigen sich während der Wechseljahre mit dem oft nicht als angenehm empfundenen Prozess des Alterns. Sylvia Groth ist Medizin-Soziologin und Geschäftsführerin des Frauengesundheitszentrums Graz, den Konflikt mit dem Älter werden kennt sie: „Mit den Wechseljahren ändert sich die gesamte Körperstruktur. Da muss man erst einmal hineinwachsen“ schmunzelt sie, „das ist fremd. Es ändert sich viel im und am Körper. Das Altern an sich wird später nicht weniger bewusst wahrgenommen: Wenn ich mit 80-Jährigen spreche, sagen die auch: Komisch, dass ich schon 80 bin.“

Tipps, wie Frauen am besten durch den Wechsel und die Lebensveränderungen kommen, haben beide Expertinnen parat. Groth empfiehlt etwa Literatur: „Nicht zu wissen, was sich am Körper ändert, erzeugt Befremdung und wird oft als bedrohlich erlebt. Wissen über den Körper ist wichtig: Was ist normal? Wie erleben andere Frauen den Wechsel?“ Kunz pocht auf ein Bewusstmachen des eigenen Ichs: „Ich nenne die Zeit des Wechsels gerne ‚Noch-Zeitalter‘: Noch bin ich tüchtig, noch bin ich schön – aber wie lange noch? Wichtig ist, zu definieren, wie man leben möchte. Wenn man nur an Schönheit und Leistungsfähigkeit festhält, sind Schwierigkeiten vorprogrammiert. Sport zu machen und sich herzurichten, widerspricht dem nicht – es geht darum, individueller zu werden.“

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