Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Der unblutige Schnitt durch den Menschen"
Während aufmüpfige Patienten und kritische Ärzte gegen den gedankenlosen Einsatz der medizinischen Großtechnologie rebellieren und Spitalserhalter unter der Kostenexplosion für die Anschaffung pompöser, aber „leider notwendiger" Gerätschaften stöhnen, kommt Abhilfe just von jener Wissenschaft, die dabei am meisten ins Kreuzfeuer der Kritik geraten ist, nämlich von der Technik.
Anstatt mit Biopsienadel, Skalpell und endlosen Röntgenuntersuchungen warten die biomedizinischen Techniker mit sanfteren Diagnosemethoden auf. Der Patient wird im Tomographen unblutig in viele Bildebenen „geschnitten", Blut-, Harn- und Gewebeschnitte können im Labor durch angeschlossene EDV-Anlagen rationell genau und daher auch schon preiswert ausgewertet werden.
Ein Paradebeispiel für die erfolgreiche Teamarbeit von Ärzten, Physikern und Ingenieuren ist die sogenannte Moire-Topographie, die sich ganz hervorragend zur Reihenuntersuchung von Wirbelsäulenschäden eignet.
Die Auswertung von „Höhenschichtenlinien", die auf der Körperoberfläche des Patienten durch die Projektion bestimmter Muster entstehen, erlaubt dem Orthopäden nämlich wesentlich früher als bisher Verkrümmungen der Wirbelsäule und Haltungsschäden zu erkennen, da sich jede krankhafte Veränderung des Skeletts in einer Abweichung der Höhenschnittlinien vom Standard-Moire-Bild ausdrückt.
Dank Computerauswertung - sie dauert mit einem gewöhnlichen „Blech-trottel" mehrere, mit einem Digitalgerät rund eineinhalb Stunden - erspart der Arzt dem Patienten außerdem einige Kontrollröntgenaufnahmen nach Operationen oder Behandlungen.
Nicht minder elegant ist das Vielfach-EKG-Verfahren, bei dem infarktgefährdeten Patienten anstatt weniger Meßplaketten 48 Elektroden in einer leichtgewichtigen Matte um den Brustkorb gelegt werden und deren Meßdaten sowohl über einen Monitor graphisch erscheinen als auch in Einzelwerten ausgedruckt werden. Das erleichtert den Internisten die Früherkennung von Herzschäden.
Außer solchen Neuerungen bietet die biomedizinische Technik eine Reihe von Verbesserungen schon bewährter Verfahren an. Spezielle EDV-Analyseprogramme präzisieren durch Kontraststeigerung die Aufnahmen von Weichteilen wie Leber, Milz, Nieren oder des Gehirns, wie sie im Tomographen entstehen. Zusätzliche Bildauswertungsmöglichkeiten für Ultraschall- oder Infrarot-Vielschichtauf-nahmen reduzieren die Belastung durch radioaktive Strahlung ebenso wie sie die Aussagekraft der Befunde erhöhen.
Ein breites Spektrum der Analysemethoden, das zeigte sich ganz deutlich bei der fünften Jahrestagung der biomedizinischen Techniker diesen Sommer in Wien, befaßt sich mit der EDV-mäßigen Adaptierung bewährter klassischer Laboruntersuchungsmethoden. Ganz typisch für diese Entwicklungsrichtung ist ein Blutbilddifferenzierungsautomat, der bereits im Handel angeboten wird und der bestimmte Formen der weißen Blutkörperchen nach Zahl, Gewicht, Farbe, Form und anderen Eigenschaften selbständig auswertet, sodaß die Früherkennung von Leukämie und anderen Blutkrankheiten wesentlich beschleunigt wird.
Ähnlich wirkungsvoll arbeitet ein Bildanalysegerät, Kostenpunkt derzeit etwa 100.000 bis 300.000 Schilling, zur Aufdeckung bzw. Früherkennung von Nierenkrebs und Nierenbeckenentzündungen durch den Nachweis eines bestimmten Enzyms im Harn.
Die biomedizinischen Techniker sind mit ihren Produkten zwar noch lange nicht zufrieden und testen viele Verfahren zum Teil noch im Tierversuch. Eine Rentabilität der sanften Diagnoseme-thoden ist aber bereits in Sicht. Allerdings nicht durch den Ersatz qualifizierter Kräfte durch „Handlanger", wie Dipl.-Ing. Dr. Gerhard Windischbauer vom Institut für medizinische Physik an der Veterinärmedizinischen Universität Wien versichert.
Im Gegenteil! Ein vernünftiger Einsatz dieser Apparate verlangt von Ärzten wie von Laborkräften stetige Weiterbildung und Schulung im technischen Bereich.
Das bedeutet nicht nur eine Steigerung der Leistungsfähigkeit der Labors,1 sondern mehr Zeit für den Arzt, sich dem Patienten und seinen Problemen zu widmen. Der effektive Nutzen der neuen Diagnosemethoden hängt schließlich nicht nur vom Einfallsreichtum ihrer Erfinder ab, sondern letzten Endes vom trainierten Sachverstand der Benutzer.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!