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Die Sonne genießen, aber mit Vernunft

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Die Sonne ist in Verruf geraten. Zu Unrecht, wie Dermatologen meinen. Doch sind im Umgang mit ihr einige Regeln einzuhalten, um dem größten Organ des Menschen, der Haut, nicht zu schaden.

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Die Sonne ist in Verruf geraten. Zu Unrecht, wie Dermatologen meinen. Doch sind im Umgang mit ihr einige Regeln einzuhalten, um dem größten Organ des Menschen, der Haut, nicht zu schaden.

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Vor rund einem Vierteljahrhundert beschrieb Nobelpreisträger Alexander Solschenizyn in „Krebsstation” mit erschreckenden Wortbildern den Krankheitsverlauf des Melanoms bis zum unabwendbaren, leidvollen Tod. „Heute ist die Behandlung des Melanoms, wird es rechtzeitig erkannt, für die Medizin kein Problem mehr, das ,early melanom', also das in einem frühen Stadium, ist bis zu 95 Prozent heilbar”, erklärt Dermatologe Walter Gebhart. „Das Problem liegt vielmehr bei der Aufklärung der Menschen, mit Verstand die Sonne zu genießen und, wenn Muttermale auftreten, rechtzeitig den Arzt aufzusuchen.”

Trotz aller Warnungen der Ärzte scheint jedoch ein hoher Prozentsatz der Bevölkerung sein Verhalten gegenüber der Sonne nicht wesentlich geändert zu haben. Die Zahl der Hautkrebserkrankungen hat sich innerhalb der letzten fünf Jahre verdoppelt und mehr als zwei Drittel der älteren Menschen leiden an Hautschäden.Ei-ne übermäßige Sonnenbelastung erhöht nämlich nicht nur das Krebsrisiko , sondern die Haut altert auch schneller. Es entstehen sogenannte „Lichtschwielen”, verhornte, abgestorbene Zellen, und Falten. Das äußere Erscheinungsbild wird damit beeinträchtigt, denn die Haut trägt ja wesentlich dazu bei, wie jung oder wie alt man aussieht und damit wieder hängt auch das psychische Wohlbefinden zusammen. Es gäbe also wahrlich Gründe, vorsichtig mit der Sonne umzugehen.

Eine Erklärung dafür, warum die Menschen trotzdem die Sonne so gerne aufsuchen und sich in eine angenehme Stimmung versetzt fühlen, gibt Thomas Luger, Professor an der Universität Münster, an. Die Haut ist imstande, unter UV-Licht Hormone zu produzieren, darunter eine Substanz, die auch als Medikament in der

Psychiatrie zur Behandlung von Depressionen verwendet wird. Kein Wunder, daß so viele Menschen nach der Sonne geradezu „süchtig” sind.

Immunbarriere Haut

Sonnenlicht zählt heute zu den Hauptverursachern von Hautkrebs. Welche Prozesse spielen sich nun ab und warum zählt die aggressivste Form, das Melanom, zu den bösartigsten Erkrankungen? Mit 20 Prozent des Körpergewichtes ist die Haut das größte Organ des Menschen und zugleich als erste Barriere gegenüber der Umwelt ein Immunriese. Neueste Forschungen zeigen, daß die Haut nicht nur über mechani sehe Abwehrmechanismen verfügt, sondern auch über immunsteuernde Zellprodukte, die das Eindringen von Bakterien, Viren und Pilzen verhindern. Talg und Schweiß zählen ebenso dazu wie Proteine und Hormone. „Vorposten der Immunabwehr an der Körperoberfläche sind

Talg und Schweiß, diese Drüsen produzieren laufend große Mengen von Immunglobulin A, das Krankheitserreger bereits an der Körperoberfläche neutralisiert und ihr Eindringen durch die Poren verhindert”, schildert Gebhart.

An der Körperoberfläche befinden sich immerhin so viele Talgdrüsen, daß sie, zusammengenommen, nahezu die Größe der Leber ergeben. Die Schweißdrüsen übertreffen in ihrem Sekretionsvolumen sogar die Nieren. „Für das immunologische Gesundheitskonzept ist die normale Talg- und Schweißdrüsenproduktion enorm wichtig”, betont Gebhart und „es ist sicherlich nicht besonders immun-freundlich, diesen natürlichen Schutzmantel durch einen übereifrigen Wasch- und Spraydrang oder durch übertriebenen Sonnenkult zu irritieren.”

Einen weiteren Abwehrwall in der Haut bilden Zellen, die entzündungshemmende und immunregulierende Substanzen bilden, die Zytokine. Diese Zytokine wirken bei der Immunantwort mit und beeinflussen den Ablauf von entzündlichen und allergischen Hauterkrankungen, aber auch die Heilung von Wunden. Bei einem starken Sonnenbrand werden diese Zytokine, wie bei einer Krankheit, mobilisiert. Die Haut wird nicht hur rot, sondern es kommt auch zu Fieber, das UV-Licht wirkt direkt auf das Zellgeschehen ein.

Schäden an der Zellstruktur

Neueste Forschungen weisen darüber hinaus darauf hin, daß die UV-Strahlen bis in die Molekularstrukturen der Zellen vordringen und ihren genetischen Code verändern können. Dadurch kommt es zu Wachstumsstörungen und zu einer Einbuße der „Reparierfähigkeit” der Zelle, entstandene Schäden können nicht mehr entsprechend korrigiert werden., Jeder

Mensch verträgt, je nach Hauttyp, nur eine bestimmte Menge an UV-Bestrahlung. Ist dieses Maß überschritten, so kommt es zu dauernden Schäden bis zur Bildung von Krebszellen. Besonders wichtig ist es, Kinder vor Sonnenbränden zu schützen”, warnt Gebhart. „Kinder, die häufig unter Sonnenbrand leiden, entwickeln als Erwachsene eher Hautkrebs als jene, die gut eingecremt und mit einem T-Shirt geschützt waren.” Überhaupt schreiben die Dermatologen der richtigen Bekleidung größte Bedeutung zu. So wird etwa in Australien, wo die UV-Einstrahlung besonders intensiv ist, für bestimmte Berufe, wie Bauarbeiter oder Dachdecker, bereits eine ausgewählte Berufskleidung vorgeschrieben. Dieses Beispiel wird auch bei uns empfohlen, die Männer mit nackten Oberkörpern auf den Baustellen sollten, so die Dermatologen, bald der Vergangenheit angehören.

Warnung vor zuviel UV-Licht

„Sowohl natürliches Sonnenlicht als auch künstliche UV-Bestrahlung in Solarien kann zur Bildung von Hautkrebs führen”, warnt weiters Herbert Hönigsmann von der Wiener Universitäts-Hautklinik, „darüber hinaus hat sich gezeigt, daß nicht nur das UVB-Licht (290-320 Wellenlänge) strukturelle Schädigungen der Haut auslösen kann.” Bei der Auswahl von Sonnenschutzmitteln (siehe auch Seite 7), sollte daher darauf geachtet werden, daß sowohl UVB als auch UVA Strahlen abgeschirmt werden. Auf dem Gebiet der Lichtschutzmittel gibt es übrigens neue Entwicklungen. Dazu zählen vor allem Studien über die Lichtschutzwirkungen von Vitamin E, das sowohl eingenommen als auch in Form von Cremen auf die Haut aufgetragen werden kann.

Trotz aller Warnungen, so betonen die Dermatologen, ist jedoch kein Grund zur Panik vorhanden, wohl aber zur Vernunft. Schließlich habe die Sonne auch wichtige positive Auswirkungen, wie die Bildung von Vitaminen, in richtiger Dosis eine reinere, gegenüber Ekzemen weniger anfällige Haut und schließlich auch ein Gefühl des Wohlbehagens.

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