Der Teddybär tut weh

Werbung
Werbung
Werbung

So fühlt sich die Welt für ein Schmetterlingskind an. Oder doch bald anders?

Nicht Akne, nicht Neurodermitis oder irgendeine andere populäre Hautkrankheit war das große Thema am 16. Kongress der Europäischen Akademie für Haut- und Geschlechtskrankheiten, der vorletzte Woche in Wien stattfand. Den Höhepunkt der viertägigen Mega-Veranstaltung, der rund 7000 Dermatologen beiwohnten, bildete der letzte Vortrag: Michele De Luca berichtete von der ersten erfolgreichen Gentherapie bei einer raren, aber für die Betroffenen sehr folgenschweren Hautkrankheit.

Selten und bekannt

Trotz der Seltenheit von Epidermolysis bullosa (kurz: EB) ist die Krankheit doch in Österreich weithin bekannt - dank einer mehrfach preisgekrönten Werbekampagne von Ogilvy. An EB leiden die Schmetterlingskinder, denen - bildlich gesprochen - unter der Dusche Nägel auf den Körper prasseln. Oder weniger prosaisch ausgedrückt: Aufgrund eines veränderten Gens ist bei diesen Menschen (es sind nicht nur Kinder betroffen) die Oberhaupt schlecht an der Unterhaut verankert. Eine geringe mechanische Belastung genügt und die Haut verschiebt sich. Die Folge: Es bilden sich sehr leicht Blasen und Wunden. Die Betroffenen kämpfen so ein Leben lang gegen mehr oder minder große Schmerzen.

Nun also hat Professor De Luca seinen großen Auftritt im Austria Vienna Center. Trotz schönstem Sommerwetter haben mehrere hundert Dermatologen im dunklen Konferenzsaal bis zum späten Samstagnachmittag ausgeharrt, um seinen Ausführungen zu lauschen. "Die menschliche Haut erneuert sich ständig, dank Stammzellen, die sich in der unteren Hautschicht befinden", beginnt der Mediziner seine Rede in charmantem, italienisch gefärbtem Englisch. Er betont, dass er bereits seit mehr als fünfzehn Jahren an Hautstammzellen forscht. "Lange bevor das Thema Stammzellen in Mode kam." Anfangs behandelte er Patienten mit schweren Verbrennungen, nutzte die regenerativen Eigenschaften der Stammzellen, um neue Hautschichten ex Vivo, also außerhalb des Körpers, zu züchten. Dann verpflanzte er die neue Haut, ersetzte die verbrannte. Später gelang ihm die Wiederherstellung von Augenhornhaut - eine in Fachkreisen viel beachtete Leistung, weil erblindete Patienten auf diese Weise ihr Augenlicht zurückerhielten.

Vor einigen Jahren wandte er sich einer bestimmten, seltenen Unterart von EB zu. "Das veränderte Gen war relativ klein und es gab noch andere Vorteile. Wir rechneten, dass wir hier gute Aussichten auf Erfolg hatten", begründet er die Wahl.

Offiziell bewilligt

Doch während die universitäre Ethik-Kommission innert weniger Wochen grünes Licht gab, musste De Luca für die Zustimmung aus dem Gesundheitsministerium fast zwei Jahre lang kämpfen. Viele Male fuhr er nach Rom, um Erklärungen abzugeben.

Dabei waren seine Absichten keinesfalls dubios. Es handelte sich nicht um eine Keimbahntherapie, bei der das neue Gen an die Nachkommen weitergegeben werden konnte. Schließlich bewilligte das Ministerium diese klinische Studie.

Und sie wurde ein voller Erfolg. Die Ergebnisse wurden unlängst in Nature Medicine - einer sehr renommierten Fachzeitschrift - veröffentlicht. Dennoch übt sich De Luca in Bescheidenheit und nennt die Arbeit lediglich einen "proof of principle". Er weiß: Die von ihm und seinem Team entwickelte Gentherapie kommt nur für ganz wenige EB-Patienten in Frage. Jedoch wurde damit erstmalig gezeigt, dass die Gentherapie ein mögliche Behandlungsmethode ist - nicht nur für EB, sondern auch für andere Hautkrankheiten. Dann lobt er Claudio, den 39-jährigen EB-Patienten, der sich für den ersten Therapie-Versuch bereit erklärte: "Man braucht den richtigen Patienten. Das ist sehr, sehr wichtig. Der Patient muss verstehen. Claudio verstand jeden Schritt."

Zunächst wurden Claudio Hautstammzellen entnommen. Von den Händen, weil die Forscher an anderen Körperstellen keine mehr fanden. Diese wurden dann im Labor vermehrt. Schließlich mussten die Forscher die Haut gentechnisch so verändert, dass sie ein normales Verankerungsprotein produziert. Auch das klappte.

Am Ende hatten die Forscher neun genetisch veränderte Hautflecken gezüchtet. Diese wurden in mehreren Operationen, auf das linke, respektive das rechte Bein von Claudio verpflanzt. "Die einzige Sorge war - und ich konnte deswegen eine Wochen lang nicht schlafen -, dass die Haut nicht angenommen wird. Für Claudio wäre das besonders schlimm gewesen, da bei ihm Wunden nur sehr schlecht heilen", bekennt der Professor heute. Doch als der Verband nach sieben Tagen entfernt wurde, fanden die Forscher eine schöne, rosarot schimmernde Haut.

19 Monate ohne Blasen

Bis zum jetzigen Tag - und die Operation ist nun rund 19 Monate her - haben sich auf den 500 cm2 transgener Haut keinerlei Entzündungen gebildet. "Claudio ist sehr glücklich", betont der Mediziner. Da der Effekt sich nicht automatisch auf den ganzen Körper überträgt, wünscht Claudio, dass ihm weitere Hautstücke transplantiert werden. "Im Sommer bildet die Haut besonders leicht Blasen. Deshalb werden wir damit frühestens im Herbst beginnen", resümiert De Luca, bedankt sich bei seinem Team ("ohne das diese Arbeit nicht möglich gewesen wäre") und erntet, was ihm gebührt: Tosenden Applaus.

Zwei Wege

Die italienische Ex-Vivo-Therapie funktioniert. Freilich lässt sich nicht jeder Hautfleck transplantieren. Deshalb forschen Dozent Johann Bauer und sein Team von der Universitätshautklinik Salzburg an einer anderen (In-Vivo-)Therapie. Sie wollen ein Genschiff bauen, das - am besten als Creme aufgetragen - durch die Haut eindringt. Das neue Gen wird dann direkt im Körper eingebaut. Doch der Weg dahin ist weit, wie Bauer im Interview anmerkt: "Eine Schwierigkeit ist, dass die Genschiffe die Haut nur schwer passieren können, denn die Haut ist als Schutz gegen Viren - und Genschiffe sind Virenhüllen - konzipiert." Ein zweites Problem ist, dass sich zu viele ermüdete Stammzellen unter der Haut befinden. Diese produzieren eventuell zu wenig vom gewünschten Protein. Schließlich existiert noch eine dritte Hürde: Was, wenn der Körper des Patienten das neue Protein als Fremdkörper ansieht und mit den Waffen der Immunabwehr bekämpft?

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung