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Ein Gegner mit zahllosen Masken

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Es wird noch jahrelanger Forschung bedürfen, um die sich rapid ausbreitende Immunschwäche AIDS wirksam bekämpfen zu können. Aber es gibt eine Hoffnung.

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Es wird noch jahrelanger Forschung bedürfen, um die sich rapid ausbreitende Immunschwäche AIDS wirksam bekämpfen zu können. Aber es gibt eine Hoffnung.

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Beim Wettlauf mit dem Tod — verursacht durch das verhängnisvolle AIDS-Virus — zeichnet sich ein Hoffnungsschimmer am Horizont ab. Der Start erfolgt in Wien: Unlängst berichtete der weltweit bedeutendste Experte auf dem Gebiet der AIDS-Forschung, der Amerikaner Robert C. Gallo (National Cancer Institute, Bethseda, USA), über den Beginn der Entwicklung eines Impfstoffes sowie über erste Therapieerfolge.

Gemeinsam mit der Wiener Firma Immuno (die beispielsweise auch den FSME-Impfstoff, vgl. FURCHE 8/86, produziert) sollen Gallo sowie der deutsche Mediziner Reinhard Kurth (Leiter der Abteilung für Humanvirologie am Paul Ehrlich-Institut, Frankfurt am Main) die Möglichkeit einer wirkungsvollen Prophylaxe auf gentechnologischer Basis schaffen.

Die tödliche Immunschwäche, die mit großer Dynamik fortschreitet — in den USA waren im vergangenen Sommer etwa 12.000 Menschen erkrankt, jetzt sind es schon 18.000 bis 19.000 - hat die Forscher lange Zeit vor unlösbar scheinende Probleme gestellt.

Es war ein langer Weg, bis der Amerikaner Gallo und unabhängig davon der französische Arzt Luc Montagnier (Pasteur Institut, Paris) fast gleichzeitig das Virus HTLV-III entdeckten.

Nachdem AIDS 1981 erstmals in den USA aufgetreten war, hatte Gallo den Erreger als erster in der Gruppe der sogenannten Retroviren vermutet. Der Wissenschafter stellte auch bald Zusammenhänge mit jenem von ihm entdeckten „Human T-Cell-Leukemia-Vi-rus“ fest. Dieses HTLV-I genannte Virus greift die T-Zellen (Helferzellen) des Immunsystems in den weißen Blutkörperchen an und verursacht eine Form von Leukämie. Diese seltene Krankheit tritt nur in wenigen Teilen der Erde auf, beispielsweise in der Karibik und in Südjapan.

Antikörper gegen dieses Virus konnte Gallo aber nur bei einem Drittel der von ihm untersuchten AIDS-Patienten im Blut feststellen. Auch die Identifizierung einer weiteren Abart des HTLV-Virus, des 1982 entdeckten HTLV-II, führte nicht zum gewünschten Erfolg, denn auch diese Variante war nicht der AIDS-Erreger.

Ein Jahr später gelang es dann sowohl dem Amerikaner wie auch dem französischen Forscher, das AIDS-Virus im Blut der Patienten nachzuweisen.

Im Mai 1984 konnte schließlich Robert Gallo sowohl über die Identifizierung als auch Isolierung des HTLV-III-Virus berichten. Dieser Erreger zerstört jene Zellen im Bereich der weißen Blutkörperchen, denen eine zentrale, steuernde Funktion in der Immunabwehr des Menschen zukommt.

Die Erforschung von Therapie-und Impfmöglichkeiten gestaltet sich so schwierig, da das Virus sehr kompliziert aufgebaut ist und seine Oberfläche ständig verändert. Aber, so Robert Gallo bei seinem Vortrag in Wien, „wir entdecken immer mehr über die Wirkungsweise des Virus, darüber, wie es die T-Zellen im Blut tötet.“

Bei der Entwicklung eines Impfstoffes gilt es, ein entscheidendes Problem zu lösen. Das Virus besitzt an seiner Oberfläche ein Antigen (artfremder Eiweißstoff, meist von Krankheitserregern). Ein Impfstoff muß gegen dieses Oberflächenantigen die Bildung von Antikörpern bewirken. Die Schwierigkeit dabei ist, daß es aus zwei Komponenten besteht: Ein Teil des Antigens bleibt immer gleich, während sich der andere ununterbrochen verändert. Es muß nun gelingen, einen sehr potenten Impfstoff gegen den gleichbleibenden Antigenteil zu entwickeln, um den nötigen Schutz, die ausreichende Produktion von Antikörpern zu erreichen. Die Forschungsarbeit wird dabei noch einige Jahre in Anspruch nehmen.

Vorsichtiger Optimismus herrscht auch, was die Anwendung von Medikamenten gegen AIDS betrifft.-Gallo berichtete von ersten Erfolgen durch die Anwendung des Mittels Azidothymi-din. „Durch dieses Medikament konnte zwar noch kein Patient geheilt werden, eine positive Wirkung ist aber erstmals wissenschaftlich erwiesen“, erklärte Robert Gallo. Dieses Präparat, ein Virostatikum, wirkt so, daß es den Aufbau der Nukleinsäure im Virus unterbricht und somit deren Vermehrung verhindert.

Zweifellos ein Hoffnungsschimmer, denn die tödliche Krankheit schreitet nach wie vor unerbittlich fort: „Man muß rechnen, daß sich die Zahl der Erkrankten etwa pro Jahr verdoppelt“, erklärt der Wiener Virologe Hanns Hofmann (Institut für Virologie der Universität Wien). Das ist allerdings schon ein etwas gebremster Verlauf, denn düstere Prognosen hatten ein noch schnelleres Ansteigen der Krankheitsfälle prophezeit.

Grund dafür ist, so Hofmann, daß die Gefahr der Übertragung durch Bluttransfusionen gesetzlich ausgeschaltet wurde, aber auch größere Vorsicht bei den Risikogruppen durch die bessere Aufklärung über die Gefahren herrscht.

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