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Selbst ernannte Wunderheiler, profithungrige Pharmafirmen und knausrige Geberländer machen den ohnehin mühsamen Kampf gegen AIDS zum Spießrutenlauf.

Als wäre die Misere nicht groß genug, kam dann auch noch Matthias Rath: "Stoppt den aids-Völkermord durch das Pharmakartell!", predigt der deutsche Arzt seit Februar dieses Jahres im Township Khayelitsha und in einigen Gemeinden der südafrikanischen Provinz Westkap - und wirbt in nationalen und internationalen Medien nicht ganz selbstlos für seine wundersame Vitamintherapie. Raths Credo: Jene antiretroviralen Medikamente, die im Zuge des aids-Programmes verteilt werden, würden Körperzellen schädigen - und damit sogar zu einer Verschlechterung der Immunschwächekrankheit führen. Seine Ernährungsunterstützungstherapie - bestehend aus Vitaminen, Aminosäuren, Mineralstoffen und Extrakten aus grünem Tee - wäre hingegen im Stande, den Verlauf von aids zu stoppen.

Heilsame Vitamine?

Mittlerweile hat Raths Kampagne die südafrikanische Regierung auf den Plan gerufen: Künftig wird der Vitaminguru gezwungen, alle seine Anzeigen vor Veröffentlichung der nationalen Behörde für Werbestandards vorzulegen. Zudem muss er aufhören, die südafrikanische Anti-aids-Initiative "Treatment Action Campaign" (tac) zu diffamieren.

Für die vor Ort tätigen Hilfsorganisationen wie "Ärzte ohne Grenzen" ("Médecins Sans Frontières") ein schwacher Trost: "Die Dr.-Rath-Stiftung verbreitet gezielt falsche Informationen und schafft so eine gefährliche Verwirrung unter den hiv-Patienten", beklagt die Organisation. Im Jahr 2000 hat man begonnen, aids-Patienten in Kamerun, Thailand und Südafrika mit einer Kombinationstherapie samt antiretroviralen Medikamenten zu behandeln, die das Absterben der cd4-Zellen im Blut verzögern und damit die weitere Schwächung des Immunsystems verhindern sollen. Mittlerweile werden 40.000 Menschen in 29 Ländern mit den lebensverlängernden Medikamenten versorgt - darunter 3000 Kinder.

Die Erfolge können sich sehen lassen: In Khayelitsha, wo derzeit rund 2.500 hiv-Infizierte von "Ärzte ohne Grenzen" behandelt werden, beträgt die Drei-Jahres-Überlebensrate mittlerweile 82 Prozent (siehe Interview rechts). Zudem konnten hunderte Kinder durch die spezielle Behandlung vor einer hiv-Übertragung durch ihre Mütter bewahrt werden. In der Folge rutschte aids in diesem Township als Todesursache vom ersten auf den dritten Platz. Landesweit steht die Immunschwächekrankheit freilich mit 33 Prozent an der Spitze der Todesstatistik.

Dazu kommt, dass Begleiterscheinungen der hiv-Infektion wie etwa Tuberkulose sich derzeit ungehemmt ausbreiten können. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (who) sind 65 Prozent aller aids-Patienten auch an Tuberkulose erkrankt. Immerhin elf Prozent der aids-Todesfälle sind auf diese "vergessene Krankheit" zurückzuführen.

Penetrante Patente

Entsprechend empört sind "Ärzte ohne Grenzen" über die Anti-Medikamenten-Kampagnen des Matthias Rath - umso mehr, als es eines jahrelangen Kampfes bedurfte, diese Medikamente überhaupt kostengünstig zu erhalten. Zwar erklärte die südafrikanische Wettbewerbskommission im Oktober 2003 die beiden Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim und GlaxoSmithKline für schuldig, unter Ausnutzung ihrer Patentrechte überhöhte Preise für Medikamente zur aids-Behandlung einzuheben - und folgte damit den Argumenten der Aktivistengruppe "Treatment Action Campaign". Doch spätestens das trips-Abkommen (Trade-related Aspects of Intellectual Property Rights) zum Schutz geistigen Eigentums der wto, das am 1. Jänner 2005 umgesetzt wurde, habe den Entwicklungsländern den Zugang zu günstigeren Medikamenten (Generika) wieder erschwert, klagt "Ärzte ohne Grenzen": So ermögliche dieses Abkommen einen 20-jährigen Patentschutz - außer in den am wenigsten entwickelten Staaten, die ohnehin nicht zur Medikamentenherstellung fähig sind.

Dürftige Geldquellen

Dazu kommt der leidige Kampf ums Geld. Eine wesentliche Quelle, aus der sich die Anti-aids-Programme speisen, ist dabei der 2001 gegründete "Global Fund" (siehe Kasten). Immerhin 30 Prozent der Mittel für Behandlungsprogramme in Südafrika stammen aus dem - chronisch unterdotierten - globalen Hilfsfonds, 70 Prozent werden von der Regierung zur Verfügung gestellt.

Nicht nur die usa, die zuletzt ihren Anteil am Budget des "Global Fund" zu Gunsten eigener bilateraler Verträge reduzierten, sind für die karge Ausstattung des Fonds verantwortlich. Auch Österreich wird für seine bescheidenen Beiträge kritisiert - zuletzt etwa im Rahmen der Alpbacher Gesundheitsgespräche: Laut "Ärzte ohne Grenzen" habe die Bundesregierung nur ein Mal, im Jahr 2002, eine Million us-Dollar (797.385 Euro) in den Hilfstopf eingezahlt. Die zuständige Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat (vp) verwies indes darauf, dass der Anteil der Entwicklungshilfe am österreichischen Bruttosozialprodukt von derzeit 0,33 Prozent auf 0,7 Prozent bis ins Jahr 2015 steigen werde. "Österreich ist hier sicher kein big player", meinte Rauch-Kallat. "Wir investieren aber so weit wie möglich in bilaterale Projekte."

Global Fund

Das Ziel war hehr: Angesichts von jährlich sechs Millionen Toten sollten große Geldmengen an Projekte verteilt werden, welche die drei schlimmsten Infektionskrankheiten (aids, Tuberkulose und Malaria) bekämpfen. So zumindest lautete die Wunschvorstellung der G8-Staaten - der sieben führenden Industrieländer und Russlands - sowie des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, Kofi Annan, als man am 27. Juni 2001 den "Global Fund to fight Aids, Tuberculosis and Malaria" ins Leben rief. Tatsächlich hat der globale Hilfsfonds seither bereits 3,5 Milliarden Dollar (2,8 Milliarden Euro) aufgebracht und damit mehr als 300 Programme in 127 Ländern finanziert, 60 Prozent davon in Afrika. Allzu oft blieb es freilich bei bloßen Versprechungen. Zudem habe der "Kampf gegen den Terror" die Aufmerksamkeit für die globalen Epidemien verringert, kritisierte der Direktor für auswärtige Angelegenheiten des Hilfsfonds in Genf, Christoph Benn. Im Vorfeld des uno-Weltgipfels bemühte sich deshalb Kofi Annan, die Staatschefs wieder in Geberlaune zu versetzen. Bei einem Treffen in London vergangene Woche machten schließlich 29 Staaten Zusagen von rund 3,7 Milliarden us-Dollar für die kommenden zwei Jahre. Zugleich betonten sie, dass eine bessere Koordination nötig sei, um die Mittel effizienter zu verteilen. DH

Infos: www.theglobalfund.org

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