Aids schreibt die Regeln neu

Werbung
Werbung
Werbung

"Kondom-Manie" nennt Bob Vitello die Vorstellung, man könne der Aids-Epidemie allein mit ausreichend Präservativen beikommen.

Die Furche: Warum wird die katholische Kirche trotz ihres Engagements in der HIV/Aids-Bekämpfung großteils auf das Kondomverbot reduziert?

Sr. Silke Mallmann (Marianhiller-Missionsschwester, arbeitet mit Aids-Kranken in Südafrika):

Es wird sehr viel von den Kirchen in einer Selbstverständlichkeit getan, die gar nicht so selbstverständlich ist. Allein in Südafrika betreibt die katholische Kirche über 200 Aids-Projekte - mit unserem Engagement brauchen wir uns nicht verstecken. Deshalb müssen sich auch die Medien und andere Meinungsmacher fragen, welches Bild der Kirche sie mit ihren Berichten zeichnen, und ob dieses Bild mit der Wirklichkeit übereinstimmt.

Rev. Bob Vitillo (Direktor der Catholic Campaign for Human Development in der US-Bischofskonferenz, koordinierte lange die Aids-Programme der Caritas Internationalis):

Nicht die Kirche und ihre Tradition stehen in dieser Frage in einer Ecke, sondern die Kirche wird von anderen in diese Ecke gestellt. Das hängt auch mit der weit verbreiteten Kondom-Manie zusammen: Wir geben Millionen von Dollars aus, um den Gebrauch von Kondomen zu bewerben. Aber das ist nicht die Lösung des Problems. Mehr Erfolg, das sagen auch die medizinischen Experten, hat die Änderung des Sexualverhaltens.

Die Furche: In welchen Ländern hat diese Strategie Erfolge gezeitigt?

Vitillo: In den Ländern, in denen es zu einem Rückgang der Ansteckungsrate gekommen ist - beispielsweise Uganda, Thailand - hat es großen Einfluss gehabt, dass die Menschen ihre Sexualpartner reduziert und mit sexuellen Aktivitäten erst in höherem Alter begonnen haben. Und das ist die Botschaft der Kirche: Treue in der Ehe und Enthaltsamkeit vor der Ehe. Das ist kein eigenbrötlerischer altmodischer Zugang; diese Tradition ist eine moderne und sehr effektive Vorbeugung gegen HIV/Aids.

Die Furche: Funktioniert Aids-Bekämpfung ohne Kondome?

Nicola Oberzaucher (HIV/Aids-Expertin im Europäischen Zentrum für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung, war für UN-Aids und Unicef in Afrika tätig):

Ohne Kondome ist diese Krankheit nicht zu bekämpfen, weil es immer Menschen geben wird, die außerehelichen oder vorehelichen Sexualkontakt haben werden, und denen muss man die Möglichkeit geben, sich durch Kondome zu schützen. Daneben finde ich es aber auch wichtig, die Alternativen Treue und Abstinenz zu propagieren. Aber es wird eben immer Menschen geben, die diese Möglichkeiten der Aids-Verhütung nicht nützen können oder wollen - und denen muss der Zugang zu Kondomen offen stehen.

Vitillo: Medizinische Experten sagen: Kondome sind ein Teil im Ensemble aller Anstrengungen gegen HIV/Aids. Wir in der katholischen Kirche sollen uns auf unsere Tradition konzentrieren, diese als komplementär und ergänzend zur Arbeit anderer sehen.

Die Furche: Wie stark sind noch die Vorbehalte in der Kirche gegen Aids?

Sr. Silke: Das können wir uns nicht mehr leisten, das ist doch kindisch. Wir leben in einer Epidemie, uns sterben die Leute davon. Es geht hier ja nicht nur um eine medizinische Frage, wir müssen in diesem Bereich einen ganzheitlichen Ansatz haben: Gerade in der psychosozialen Unterstützung von Aids-Kranken und Aids-Waisen spielen die Kirchen eine effektive Rolle. Die Kirche lebt an der Basis und erreicht daher die Menschen. Da wo andere gar nicht hinkommen, da sind wir schon.

Vitillo: Die Kirche muss mitten unter den Aids-Kranken sein, so wie die Kirche auch mitten unter den Pest-Kranken war. Genauso müssen wir in der Welt um Solidarität und Hilfe für die Betroffenen bitten. Ebenso müssen wir Erziehung und Aufklärung über Aids fördern, um die Verbreitung der Krankheit zu verhindern und um Gleichgültigkeit und Vorurteile gegen HIV/Aids abzubauen.

Oberzaucher: Für die Aids-Bekämpfung werden Versprechungen von Regierungen gemacht, aber es kommt dann oft weniger oder gar kein Geld. Österreich ist meines Wissens noch immer das einzige westeuropäische Land, das keinen Beitrag an UN-Aids zahlt.

Vitillo: Wir müssen auf diesen weltweiten Notfall reagieren, indem wir die Kluft zwischen denen, die haben, und denen, die nicht haben verringern.

Die Furche: Wie stark behindert das Profitdenken der PharmaIndustrie die Versorgung mit Aids-Medikamenten?

Oberzaucher: Der Zugang von Entwicklungsländern zu Generika, den billigeren Nachfolgeprodukten wirksamer Aids-Medikamente, hat sich sehr verbessert und die Pharmaindustrie legt hier keine größeren Steine mehr in den Weg. Die wirkliche Herausforderung liegt nun in der Verbesserung der Qualität der Gesundheitsversorgung in den Entwicklungsländern, um die Verabreichung der Medikamente zu optimieren.

Sr. Silke: Die Menschen mit HIV/Aids und ihre Kinder dürfen vor allem nicht das Gefühl bekommen, dass sie allein gelassen sind. Diese Menschen sind sich dessen bewusst, dass es für sie nur eine Zukunft gibt, wenn Geld von außen kommt - und sie sind auch sehr dankbar dafür. Und sie wollen auch selber etwas beitragen: In unserem Projekt sind junge Burschen losgezogen und haben - anfangs gegen große Widerstände der Fahrer - Taxis gewaschen, um Geld für ihr Schulprojekt zu bekommen. Es gibt diese Hoffnungszeichen, wenn Interventionen greifen, wenn Kinder, trotz allem, was sie mitgemacht haben, in eine Zukunft gehen.

Das Gespräch moderierte Wolfgang Machreich.

Die Caritas-Augustsammlung kommt Aids-Waisen zugute.

Spenden erbeten an: PSK 7.700.004, BLZ 60.000 Kennwort: Augustsammlung

"Ich war 13, als meine Mutter starb"

I am a girl. Mein Name ist Jabu Happiness und ich bin 15 Jahre alt. Zu Hause lebe ich mit meiner Tante, meiner Schwester und meinem Bruder. Ich gehe in die 8. Klasse High School. Als ich 13 war, 2002, starb meine Mutter, und ich dachte, mein Leben sei vorbei. Meine Oma sagte, ich solle aufhören, an meine Mutter zu denken. Ich weinte und versuchte aufzuhören, an sie zu denken. Ich lebe, um einmal ein Sozialarbeiter zu werden und Kindern zu helfen - Kindern, die keine Eltern haben, so wie ich. Die Sozialarbeiterin half mir, sie gab mir Kleider.

2004 starb meine Oma. Ich denke immer an sie und jedesmal weine ich. Jetzt lebe ich mit meiner Tante. Manchmal schlagen sie mich wie einen Hund, und ich denke, dass sie mich nicht lieben. Aber manchmal lieben sie mich wirklich. Trotzdem würde ich lieber mit meiner Mutter und Oma leben. Ich werde sie immer lieben.

Lieber Gott, bitte schau auf meine Mutter und meine Oma und auf meine ganze Familie, meinen Hund und mich. Und bitte Gott, pass auf Dich selber auf, denn wenn Du nicht auf Dich aufpasst, dann geht's uns wirklich schlecht. Ich liebe Dich, Gott (And please God take care of yourself and if you don't take care of yourself we gonna be in a big mess, cause I love you God).

Jabu Happiness wird unterstützt von der Child Support Group für Aids-Waisen in Marianhill, Südafrika.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung