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Pandemien sind unberechenbar. Wann, wo und in welcher Form sie auftreten, weiß niemand.

Man kann heute zwar nicht sagen, ob schon nächste Woche, in einem oder in drei Jahren, aber dass eine Influenza-Pandemie kommen wird, ist ziemlich sicher", so Peter Lachner, Leiter des österreichischen Referenzzentrums für Influenza-Epidemiologie in Wien. Eine Pandemie ist eine Epidemie der Superlative, eine Seuche, die weltweit ganze Länder erfassen und die mehrere Millionen Menschenleben fordern könnte. In den letzten Jahren war regelmäßig in Medien und von Expertenseite von einer solchen, angeblich unmittelbar bevorstehenden, globalen Influenza-Epidemie die Rede. Vermuteter Ausgangspunkt ist der in Asien grassierenden Vogelgrippe-Virus H5N1. Eine ernst zu nehmende Bedrohung oder einfach nur ein weiteres Weltuntergangszenario?

Aggressives Virus

Die Weltgesundheitsorganisation (who) beobachtet bereits seit längerem mit Sorge die Entwicklung dieses Vogelgrippe-Virus, der 1997 in Hongkong zum ersten Mal aufgetaucht ist. Dieses Virus hat bereits vermehrt Menschen infiziert und ist bei diesen nicht nur äußerst pathogen, sondern meist auch tödlich: Am vergangenen Mittwoch meldete die who 55 Fälle, die seit Ende Jänner 2004 nachweislich an dem Virus H5N1 erkrankt sind - 42 davon endeten letal. "H5N1 ist derzeit ein äußerst aggressives Virus", so Lachner, der außerdem auf ein paar Berichte verweist, in denen bereits von ersten Direktübertragungen von Mensch zu Mensch die Rede ist: "Wenn man diesen Berichten Glauben schenken darf, dann muss man in Betracht ziehen, dass es bis zur Pandemie nicht mehr allzu weit ist."

Vor allem fürchte man die Möglichkeit, dass durch ein Antigen-Shift (siehe Kasten) ein völlig neues Virus entstehe, so Therese Popow-Kraupp vom Institut für Virologie der Medizinischen Universität Wien. Durch solch eine genetische Mutation des Vogelgrippe-Virus könnte ein neues Influenza-Virus entstehen, das die nötigen Eigenschaften hat, um von Mensch zu Mensch übertragen zu werden. Gegen die Kombination aus H5N1 und einem menschlichen Influenza-Virus müsste erst ein neuer Impfstoff produziert werden, was, so Lachner, mindestens drei Monate dauern würde. Eine neue Methode, die ermöglicht, den Impfstoff nicht mehr auf Basis von Hühnereiern sondern von Zellkulturen herzustellen, könnte die Produktion allerdings beschleunigen und allergische Reaktionen auf Hühnereiweiß vermeiden.

"Die Bedingungen für einen Antigen-Shift sind in Asien auf jeden Fall gegeben: Auf den kleinen Bauernhöfen leben Mensch und Tier auf engstem Raum zusammen. Bei so einer nahen und häufigen Exposition kann das Virus - in dem es zum Beispiel auch andere Säugetiere wie Hauskatzen befällt - immer weiter in den menschlichen Bereich vordringen", so Popow-Kraupp. Wann und ob es allerdings auch tatsächlich zu einem Pandemie-Ausbruch kommt, das kann niemand mit Sicherheit sagen. Die who beschreibt deswegen die Influenza-Pandemien als immer wiederkehrende und gleichzeitig unvorhersagbare Katastrophen. Ebenfalls nicht ermessbar ist das zu erwartende Ausmaß an Erkrankungen und Todesfällen der nächsten Grippe-Pandemie. Die who nennt Schätzungen von Experten, die von zwei bis über fünfzig Millionen Toten weltweit ausgehen, bei einer Erkrankungsrate von 20 bis 50 Prozent der Gesamtbevölkerung.

Für das Auseinanderklaffen dieser Zahlen gibt es unterschiedliche Gründe. Hochrechnungen, die von vergangenen Pandemien ausgehen, sind sich in zentralen Punkten, wie zum Beispiel der tatsächlichen Zahl an Todesfällen, nicht einig. Von vergangenen Erfahrungen könne man ohnehin nicht wirklich ausgehen, so Lachner: "Früher sind solche Viren schubweise gekommen und man hatte eine lange Vorlaufzeit. Durch den Flugverkehr ist ein Virus heute schlagartig da." Auf der lindernden Seiten dürfen die verbesserte Ernährung und medizinische Versorgung nicht außer Acht gelassen werden, die einen 1:1-Vergleich zum Beispiel mit der Spanischen Grippe 1918- 1919, die bis zu 50 Millionen Tote gefordert haben könnte, nicht zulassen. Solange der auslösende Virus und seine Charakteristika nicht bekannt sind, kann man aber ohnehin nur spekulieren und sich Szenarien aller Härtegrade ausmalen.

Pandemie-Aktionsplan

Eines kann allerdings getan werden: Die who fordert ihre Mitgliedsländer schon seit längerem dazu auf, Aktionspläne für den Ernstfall zu entwerfen. Je besser ein Land vorbereitet ist, umso mehr kann dazu beigetragen werden, die Todesrate nach unten zu korrigieren. In Österreich steht solch ein Pandemie-Plan kurz vor der Fertigstellung. Geregelt werden Vorsorgemaßnahmen als auch die Vorgehensweise im Ernstfall. Diskutiert wird unter anderem noch über den Ausmaß der Bevorratung von so genannten Neuraminidase-Hemmern. Diese Medikamente können zur Prophylaxe oder auch zur Therapie genommen werden. Im Falle einer Pandemie würde es, so Lachner, aller Wahrscheinlichkeit nach zu Engpässen in der Versorgung mit diesen Neuraminidase-Hemmern kommen, da selbst die maximalen Produktions-Kapazitäten des Herstellers für den dann vorhandenen Bedarf kaum ausreichen dürften.

Bei aller Sorge und Diskussion um mögliche Pandemien sollte aber auch auf die "normale" Influenza nicht vergessen werden, die hierzulande eher unterschätzt wird: Die Durchimpfungsrate beträgt nur 17 Prozent. In Österreich erkranken jährlich rund 380.000 Menschen an Influenza, 120 sterben daran, heißt es aus dem Gesundheitsministerium, wo man dringend zur Impfung rät. Die Kosten dafür muss der Patient allerdings selber tragen.

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