"Es gibt nur eine Richtung"

19451960198020002020

Wie viel Trend steckt in nachhaltigem Kleiderkonsum? Und was bedeutet das für die Branche? Der Ökonom, Politologe und Soziologe Ulf Schrader im FURCHE-Gespräch.

19451960198020002020

Wie viel Trend steckt in nachhaltigem Kleiderkonsum? Und was bedeutet das für die Branche? Der Ökonom, Politologe und Soziologe Ulf Schrader im FURCHE-Gespräch.

Werbung
Werbung
Werbung

Mit Fragen des nachhaltigen Konsums beschäftigt sich Ulf Schrader. Er weiß, welche Veränderungen auf die Textilbranche zukommen und was Konsumenten ausrichten können.

DiE FurchE: Seit Jahren wird Kleidung immer billiger, gleichzeitig verlangen Kunden vermehrt nach ethisch vertretbaren Produktionsbedingungen. Woher rührt der Trend zu nachhaltiger Kleidung? ulf Schrader: Es sind sowohl egoistische als auch altruistische Beweggründe. Dass sich auf Fairness ausgerichtete Motive im Kaufverhalten ausdrücken, liegt auch schlicht am veränderten Angebot. Ich kann heute über das Internet aus jedem Dorf "Öko-Bio-Fair-Kleidung" recherchieren und bestellen. Es ist das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage, das die Veränderung bewirkt. Verantwortung zu übernehmen hängt auch vom Handlungsspielraum ab, den man hat. Und der ist deutlich gewachsen in den letzten Jahren.

DIE FURCHE: Welche Rolle spielen Umweltbewusstsein und die Beruhigung des eigenen Gewissens?

Schrader: Es gibt durchaus egoistische Motive, wie die Hoffnung, dass Kleidung aus pestizidfrei angebauter Baumwolle und mit alternativen Farbstoffen gesünder ist. Was faire Produktion angeht, muss der Konsument seinen Nutzen daraus ziehen, dass er durch seine Wahl anderen Menschen bessere Löhne ermöglicht. Lange hat die Umweltbewegung von Unternehmen gefordert: Nicht nur reden, sondern machen. Das nehmen die Menschen zunehmend für sich selber an. Es wächst der Wunsch, eine konsistente Persönlichkeit zu sein, die nicht in unterschiedlichen Rollen lebt, in denen sie als Konsument möglichst günstig kaufen will, aber die Moral ins Privatleben verschiebt. Man kann nicht nur bei Wahlen, sondern beim täglichen Einkauf wählen.

DIE FURCHE: Wie wichtig ist Transparenz für Textilunternehmen?

Schrader: Sie ist Chance und Bedrohung. Die Möglichkeiten, mit nachhaltigeren Angeboten Konsumenten zu erreichen, sind durch das Internet besser. Umgekehrt ist die Gefahr größer geworden, abgestraft zu werden und Imageverluste zu erleiden, wenn man unfaire Wertschöpfungsketten betreibt.

DIE FURCHE: Marken, die neben ihrer herkömmlichen Produktion auch nachhaltige Kollektionen herausbringen, wecken oft Misstrauen. Das sei nur PR, heißt es. Nutzen solche Initiativen nur das schlechte Gewissen der Kunden aus?

Schrader: Tendenziell zeigt sich immer wieder, dass Nachhaltigkeit, die nur aus Profitinteressen betrieben wird, keine echte Nachhaltigkeit ist. Solche Unternehmungen werden am Ende vermutlich scheitern, weil sie unglaubwürdig sind. Bio-Baumwolle kann zum Beispiel zu sehr geringen Löhnen geerntet werden. Man muss genau hinschauen. Kritische Konsumenten werden nachfragen.

DIE FURCHE: Müssen Unternehmen gut informierte Kunden fürchten?

Schrader: Noch beobachtet man bei vielen Konsumenten eine strategische Inkompetenz. Die Hersteller sagen ohnehin, was sie wollen, heißt es da. Das ist in der Textilbranche stark verbreitet, weil sie nicht so reglementiert ist wie etwa der Lebensmittelbereich, wo es bekannte Siegel gibt. Ich bin optimistisch, dass die Transparenz durch Internet und Medien eine Entwicklung fördert, die es unmöglich macht zu sagen, man könne es nicht beurteilen. Man kann!

DIE FURCHE: Die Selbstverpflichtung zu fairer Produktion ist noch immer freiwillig. Sollte der Staat mehr eingreifen?

Schrader: Ein guter Ansatz ist, Einfuhrgenehmigungen oder zumindest die niedrigen Zölle, die viele Länder genießen, an die Einhaltung von Mindeststandards zu knüpfen. Das zeigt nämlich, es ist eine Ausrede, wenn unser Staat sagt: Wir können nichts ändern, das wird in anderen Ländern entschieden. Ich denke, dass man durch Handelsabkommen etwas bewegen kann. Man müsste von vornherein sagen: Produkte, die unter Bedingungen hergestellt werden, die nicht den Arbeitskernnormen entsprechen, denen wir in unserer Gesellschaft zugestimmt haben, sollen hier nicht verkauft werden - Punkt.

DIE FURCHE: Oft heißt es, die Nachhaltigkeitsbewegung sei nur ein Strohfeuer, das wieder erlischt.

Schrader: Wenn man sich die Fair-Trade-Entwicklung ansieht, ist klar: Das ist kein Modetrend. Es gibt hier eigentlich nur eine Richtung. Und da werden sich Firmen, wenn sie klug sind, noch stärker engagieren. Die Frage ist, ob es später noch "fairer Handel" heißt, denn das Ziel des fairen Handels müsste ja sein, sich selbst abzuschaffen, weil er an sich fair sein sollte. Nachhaltigkeit als Werbeargument wird an Bedeutung verlieren, weil sie einfach selbstverständlich wird.

Das Gespräch führte Anja Melzer

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung