Was der Bauer nicht kennt …

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Kennzeichnungen unserer Lebensmittel sind mehr als dürftig. Das soll sich ändern. Seit zwei Jahren suchen Experten aus allen EU-Staaten den besten Weg zu Lebenmittelwahrheit.

Wenn es um Ernährung geht, können wir dem Sprichwort nicht gerecht werden. Denn die wenigsten wissen, wie Lebensmittel produziert werden und wo die Zutaten herkommen. Bislang sind die Kennzeichnungen der Lebensmittel eher dürftig bis nicht vorhanden. Vielmehr setzten die Vermarkter auf geschmackige Beschreibungen, oft weit entfernt vom Inhalt. Das wird sich ändern. Neue Kennzeichnungsregeln sollen mehr Klarheit bringen, was auf den Tisch kommt.

Schon Wochen vor dem Osterfest leuchten bunt gefärbte Ostereier aus den Supermarktregalen. Oberflächenbehandelt sind sie auch zu den Feiertagen noch genießbar. Rund 50 Millionen werden in unserer Alpen-Republik während der Feiertage verzehrt. Zwar liefern übers Jahr die heimischen Bauern das Ei für den Frühstückstisch, aber zu Stoßzeiten wird dann doch wieder importiert. Aus welchem Land die Eier anrollen. ist nicht erkennbar.

Alles Bio, versprochen?

Völlig im Dunkeln liegt das Herkunftsland all jener Eier, die in der Nahrungsmittelindustrie aufgeschlagen werden. Ohne Eierschale eingeführt als Eipulver, flüssig abgefüllt in Containern, stammen die verarbeiteten Eier oft aus dem Reich der Mitte, denn China ist der Weltgrößte Eierexporteur. Dennoch ist Österreich ein Eiermusterland. Keine Käfighaltung, nur Eier von frohen Hühnern. Zwar wird ab 2012 der Eierklasse-Typ 3 - er bezeichnet das Ei aus Käfighaltung –europaweit nicht mehr zu haben sein, aber Eiweiß und Eigelb wird in der Nahrungsmittelverarbeitung weiter verwendet werden. Nicht nur zum Schutz der eigenen Legehennen, sondern auch „ahnungslose“ Konsumenten an die Hand zu nehmen, fordert die Landwirtschaftskammer vehement eine Kennzeichnungspflicht aller Bestandteile von Backwaren, Nudeln und Fertiggerichten, kurzum, wo Ei drin ist, sollte auch darauf stehen wo das Ei herkommt.

Die Suche nach gesunden, naturgerechten Lebensmitteln steigt. Der Biomarkt wächst stetig, die Umsätze versprechen goldene Zeiten. Erzeugung und Verfügbarkeit sind begrenzt. Ein dankbares Umfeld für Trittbrettfahrer, die sich mit unterschiedlichsten Bio-Kennzeichnungen an den Kunden heranmachen.Was sich Bio nennen darf ist streng geregelt. Betriebe, die ihre Produkte mit dem Logo markieren wollen, müssen sich einem Zertifizierungsprozedere unterwerfen. Das kostet natürlich. Bis zu 300 Euro müssen dafür berappt werden, aber dann dürfen geprüfte Hersteller ab 1. Juli ihre Bioprodukte mit dem EU-Bio-Logo bedrucken. Vorausgesetzt, sie wurden in einem EU-Mitgliedstaat hergestellt und erfüllen verbindlich vorgeschriebe Normen. Da Verpackungen oft größer sind als der Inhalt in Anspruch nimmt, bleibt daneben genügend Platz, ein nationales Kennzeichnungsmerkmal oder Gütezeichen zu platzieren, etwa das AMA-Gütezeichen mit klar definierten und garantierten Qualitätsmerkmalen für bestimmte Produkte zu 100 Prozent heimischen Ursprungs ersetzt aber nicht gesetzliche Grundlagen zur Lebensmittelkennzeichnung. Nicht alle Gütezeichen können das von sich behaupten, viele sind „freiwillige“ Kennzeichnungen, die nicht zwingend über Herkunft und Zusammensetzung Auskunft geben müssen.

Das Lebensmittelrecht ist europäisch

Knoblauch aus China ist vielen Verbraucher geläufig. Wie viel chinesisches Ei in Lebensmitteln oder auf dem Tisch ist, erkennt derzeit auch der wissbegierigste Verbraucher nicht, auch wenn er weiß, dass China „Eiermarktführer“ ist. Wie viele „Internationale Komponenten“ in einem Lebensmittel verarbeitet werden können, hat das jüngste Hartberger Quargelbeispiel gezeigt, für Experten nur die Spitze des Eisberges. Grund genug mehr Klarheit der Kennzeichnungsverpflichtungen zu fordern. Auch wenn der Wunsch nach EU-Regulativen im Allgemeinen gering ist, kann eine Ausweitung der Kennzeichnungsbestimmungen keinem Lebensmittelkonsumenten sauer aufstoßen, denn derzeit sind nur für sechs Produktbereiche verpflichtende EU-Regelungen zur Herkunftskennzeichnung in Kraft und zwar für Obst und Gemüse, Eier, Honig, Fisch, Rindfleisch und Bio-Produkte.

Die Hoheit für die Lebensmittelkennzeichnung liegt bei der EU. Seit 2008 wird über den Ersatz der bisherigen Richtlinie zur Lebensmittelkennzeichnung in der EU-Kommission-Generaldirektion für Gesundheit – diskutiert. Ein Entwurf über eine neue Verbraucherinformationsverordnung ist derzeit im europäischen Parlament in Begutachtung. Wenn sich alle darauf einigen können, soll im Juni darüber abgestimmt und heuer in Kraft treten. Ohne zusätzliche nationale Wenn und Aber muss dann alles über Herkunft, Nährwert und Allergikerverträglichkeit auf den Verpackungen zu lesen sein. Verpflichtend sind dann aber auch Angaben über die „erste Verarbeitungsstufe“ bei tierischen Produkten, damit sich nichts anderes in den eckigen Schinkenblock verirrt als Schweinfleisch wenn’s draufsteht, oder Shrimps tatsächlich einmal im Meerwasser gelebt haben. Verpflichtend sind zudem Hinweise auf den Zutatenmix, der nicht der Produktbeschreibung entspricht, etwa „Österreichisches Brot“, gebacken aus ukrainischem Mehl. Abgestellt werden künftig etwa auch fälschlich verwendete Bezeichnungen wie „Bergkäse“, wenn dieser in der italienischen Po-Ebene gereift ist.

Wissen macht schlank

Zahlenspiele werden angestellt, wenn es um die Nährwertangaben geht. Aber wer steht schon gerne mit dem Taschenrechner vorm Regal und errechnet den zulässigen Gehalt von Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker, Salz und Kohlehydraten seines Tagesbedarfes? Zwar schwören Engländer auf das System der Ampelkennzeichnung - die Menge der Nährstoffe ist in Ampelfarben Rot, Gelb und Grün abgebildet - die meisten Europäer halten jedoch nichts davon. Es sollte vielmehr bekannt sein, wie viele Kalorien täglich verbrannt werden sollen. Verbraucherorganisationen meinen jedoch, dass insbesondere bei Fertigprodukten viel mehr Zucker und Fette enthalten sind, als auf der Verpackung suggeriert. Damit treffen sie wohl einen wunden Punkt, nämlich den gesundheitlichen Zustand der heute 15-Jährigen, der laut einer OECD-Studie auffallend schlecht ist, auch in Österreich. Ernährung trägt dazu ebenso bei, wie mangelnde Bewegung. Zwar ist die durchschnittliche Tageskalorienmenge seit 20 Jahren gleich geblieben, aber der Kalorienverbrauch hat deutlich abgenommen. Was dann passiert, zeigt sich am Körperumfang. Mit Turnprogrammen allein kann das nicht wettgemacht werden. Experten vermuten gar, dass aus diesem Grund die gesundheitlichen Folgekosten für Behandlung von Diabetes, Bluthochdruck und Übergewicht in 20 Jahren um 1,6 Milliarden Euro ansteigen werden, volkswirtschaftliche Auswirkungen sind da noch dazuzurechnen. Allein schon darum ist es schlau, Verbrauchern ehrliche Hinweise zu geben und sie wissen zu lassen, was und wie viel sie täglich der Verdauung überlassen.

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