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Biokost ist kein Allheilmittel

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Das Wort „alternativ" ist mittlerweile zu einem magischen Vokabel geworden. Wie viele unserer Zeitgenossen träumen nicht von einem Leben, das einfacher, gesünder und überschaubarer ist als das, welches sie kennen.

Je hektischer und ungesünder gerade die großstädtische Umgebung wird, desto mehr sehnt man sich zurück zur Natur, nach sauberer Luft, reinem Wasser und Nahrungsmitteln, von denen man meint, daß die chemische Industrie noch nicht ihre Spuren hinterlassen hat.

Wenngleich etwas eingesetzt hat, was man eine neue Romantik des bäuerlichen Lebens nennen könnte, so ist dies doch ein Weg, der nur wenigen offensteht. Abgesehen davon, daß das Landleben nicht nur romantisch, sondern auch voller Probleme ist, wäre es den meisten luxusgewohnten Städtern wohl zu eintönig und zu anstrengend.

Dagegen läßt sich aber ein Hauch von Natur auf dem eigenen Eßtisch sehr leicht realisieren. Und in der Tat erfreuen sich in letzter Zeit Bioläden und Reformhäuser steigender Beliebtheit. Obwohl die von ihnen verkauften, naturbelassenen Lebensmittel oft bis zu 50 Prozent teurer sind als herkömmliche, finden sie erstaunlicherweise genügend Absatz.

Man kauft gerne, was anscheinend direkt vom Bauern kommt; egal ob es sich dabei um Vollkornmehl, Biosäfte, ungespritzte Gemüse oder hormonfreies Schweinefleisch handelt. Allgemein steht vegetarische, nährstof f- und vitaminreiche Kost hoch im Kurs.

Manchmal kann man sich allerdings des Eindrucks nicht erwehren, daß sie als Universalheilmittel gegen alle möglichen Zivilisationskrankheiten herhalten muß. Geschickte Propagandisten der alternativen Ernährung basteln an einer Philosophie, die die Biokost als Weg zum sorgenfreien Leben schlechthin erscheinen läßt.

Nicht nur Krankheiten wie

Krebs, Diabetes und Herzinfarkt soll sie verhindern, sie soll darüber hinaus noch zu einem erfüll-teren, harmonischeren und schaffenskräftigen Leben beitragen. Angesichts solch rosiger Versprechungen, die wohl mehr dem Reich der Spekulation als dem der Tatsachen angehören, ist die Frage zu stellen, welchen Wert die Biokost wirklich haben kann?

Eines kann gleich vorweg gesagt werden. Die Biokost stellt eine wichtige Herausforderung dar, unser aller Eßgewohnheiten kritisch zu überprüfen. Ohne Zweifel haben sich im Anschluß an den allgemeinen Wohlstand Formen der Alltagsernährung eingestellt, die nicht unbedingt gesundheitsförderlich sind.

Viele unserer Mitbürger leiden an Ubergewicht. Wir essen oft einseitige Kost, konsumieren zuviel tierische Fette und Eiweiß und vergessen darauf, wie wichtig Vitamine und Aufbaustoffe, aber auch Kohlenhydrate und Ballaststoffe für unseren Körper sind.

Freilich muß der ganzen Wahrheit halber gesagt werden, daß sich unsere Gesundheitsprobleme nicht alleil) auf das Essen beschränken. Ebenso spielen mangelnde körperliche Betätigung, zu hoher Alkohol- und Nikotingenuß eine wesentliche Rolle. Auch ist das Problem der Ernährung nicht von physischen und psychischen Uberbelastungen zu trennen.

Angesichts dessen kann die Biokost selbstverständlich nicht als Allheilmittel zur Hebung der Volksgesundheit herhalten, abgesehen davon, daß die Preise alternative Lebensmittel nicht für jedermann erschwinglich machen.

Aber eines kann uns die Biokost sehr wohl. Sie kann uns lehren, wieder mehr Gewicht auf die Qualität der Ernährung zu legen. Sie sollte uns dazu bringen, wieder bewußter zu essen; mit mehr Sinn für ausgewogenes Essen. Wenn wir unsere Ernährungsgewohnheiten positiv verändern wollen, kann es nicht darum gehen, von einer Einseitigkeit in die andere zu fallen.

Fanatische Anhänger der Rohkost und des vegetarischen Essens sind in ihrem religiösen Eifer allemal suspekt. Man kann ruhig auch weiterhin Fleisch, tierische Fette, Zucker und andere liebgewordene Dinge essen. Wichtig ist nur, zu einer Balance zu gelangen, die gleichermaßen unseren Geschmacksnerven schmeichelt wie auch auf unsere Gesundheit Rücksicht nimmt.

Auszug aus „Ernährung Aktuell", Beitrag Nr. 5283.

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