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Mangomix und Spargelshake

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Das Essen zu Zeiten breitgefächerter Frühjahrsdiäten macht zunehmend einen weiten Bogen um den Magen. Kleine Wunderpillen finden stattdessen Einlaß, die - einmal Wasser nachgeschüttet - groß und größer werden, bis er endlich still ist, der ewig knurrende, große Unersättliche. Buhigen Magens wenden wir uns dann anderem zu, während unsere Problemzonen dahinschmel-zen, wie nichts. (Mit dem Sinn des Fastens, nämlich auch spirituell gereinigt zu werden, hat dies nichts zu tun.)

Jeder kennt es, das Märchen vom Sturz der Kleidergröße 48 um zehn Punkte, und das über Nacht. Man liest sie aber immer wieder gerne, die Geschichte, die mit bunten Bildern von teilnehmender Schadenfreude („Da-niella vorher: häßlich und einsam”) und märzenbecherduftender Verheißung („Daniella nachher: schlank und begehrt”) illustriert ist. Die aktuelle Frühjahrsmodefarbe - flotte Erbse in Milchton oder kesses Pink in Erdbeersaucerot - gibt uns zu denken: das fette Ich, eingezwickt ins neue Kostüm, ein ewiges

Vorher, das mitten im Speck verblüht. Keine Hoffnung, oder doch?

Die Hoffnung trägt Namen wie Bapitrim, Anti Fett 2.000, Dr. Leopold's Schnell-Schlank-Kombi-Kur oder Dynamic Turbo Schlankdrops. „Ständig tauchen neue Produkte auf und verschwinden,” meint Thomas Tobisch vom Verein für Konsumenteninformation (VKI). Die letzte Serie zum Thema Schlankheitsmittel veröffentlichte der VKI vor zwei Jahren. „Seither,” seufzt Birgit Beck, beim Verein der Konsumenteninformation für Ernährung zuständig, „hat sich nicht viel verändert. Die Produkte sind zwar sinnlos, aber die Leute fallen nach wie vor auf die Werbung herein.”

Zum Beispiel auf die der deutschen Firma Herbalife. Schon vor zwei Jahren wiesen Gesundheitsministerium und Konsumentenschützer auf die Unbrauchbarkeit der meisten Schlankmacher hin. Die Firma selbst distanzierte sich sogar von mehreren ihrer eigenen Produkte. Doch auch eines der verbliebenen Wundermittel, das unter dem Namen „Formula 1” als „diätetisches Instant-Getränk in drei Geschmacksrichtungen” verkauft wurde, entsprach nicht den gesetzlichen Anforderungen.

Übrig blieben vorerst Herbalife's Formula-2-Ballaststofftabletten. Bis eine Wiener Anwaltskanzlei, im Namen des Antragstellers Herbalife-Verkaufslager Deutschland, wieder eines ihrer Produkte in Osterreich anmeldete. Dieses neue Produkt, ein modifiziertes Instant-Getränkepul -ver, ist zwar ordnungsgemäß als diätetisches Lebensmittel angemeldet: doch darf es - wie alle anderen Erzeugnisse dieser Art - nicht im Direktvertrieb verkauft werden.

„Vor allem im Versandhandel, klagt eine ungenannt bleiben wollende Stimme aus der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und Forschung, „gibt es Hunderte Produkte, die uns nicht einmal bekannt sind.” Von Appetitzüglern, Reduktionskost und magenfüllenden Quellmitteln zu Wundertropfen, die den Körper entschlacken sollen. Seit Jahrzehnten schon hätten die verschiedenen Ministerien bisweilen der illegalen Mittelchen wegen urgiert. „Wie aber soll man verhindern, daß Post über die Grenze kommt?” Etwa „durch Klagen wegen unlauteren Wettbewerbs”, (die auch den Inlandsversand, betreffen), rät Heinz Schöffl, Konsumentenschützer der Wiener Arbeiterkammer.

Vor zwei Jahren wurde, zum Beispiel, die Firma Bieser-Malzer geklagt. Sie hatte - aus ihrer Produktserie „Schlank im Schlaf” - den Kräuter-Tee mit der romantischen Bezeichnung 26F vertrieben. Das Produkt war nicht nur nicht angemeldet: es unterlag auch den Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes, und hätte auch aus diesem Grund nicht vertrieben werden dürfen.

Wendig wie ein schlanker Hering ist die Firma Bieser-Malzer bei ihrer Verkaufsstrategie. Einen Test des ORF „zum Wohl der Volksgesundheit” funktionierte sie geschickt in eine Verkaufsaktion zum Wohl der eigenen Tasche um. Kunden, die ihre Diät-Erfahrungen telefonisch mit-teilten, erhielten prompt ein Schlankmacherpaket zum Vorteilspreis von rund 2.000 Schilling. Ihr Slogan

„Schlank im Schlaf: abnehmen mit Arginin und Ornithin” wurde schließlich vom Gesundheitsministerium verboten. Auch die „schlankmachenden” Janus-Tropfen des „Natur-heilers Neuner”, die sich als verunreinigtes Wasser herausstellten, erregten das Mißfallen der Behörden. Der Tritt ins Fettnäpfchen der Gesetze ist für die Firma kein Problem.

Denn, kaum fällt ein Produkt in Mißkredit, wirft Bieser-Malzer neue Phantasieerzeugnisse ins Geschäft um den knackigen Körper. „Sie haben einfach die Werbestrategie geändert,” berichtet Thomas Tobisch vom Verein für Konsumenteninformation, „und ein neues Kombj-Produkt dazu-genommen.”

Rund 1.000 Anträge auf Anmeldung (darunter fallen allerdings auch Vitaminpräparate, Mineralien oder Spurenelemente) laufen jährlich beim Gesundheitsministerium ein, meldet Sylvia Frischenschlager, die für Schlankmacher zuständig ist. Zwei Gruppen gibt es da: die diätetischen Lebensmittel zur Gewichtsreduktion, die aus Milchprodukten, mit oder ohne Eiweiß bestehen, die zumeist mit Vitaminen angereichert sind. Dazu gehören die sogenannten Formula-Produkte, die unter Namen wie Modifast oder Slim-Fast jene Figur versprechen, wie sie im Fernsehen immer vorkommt. „Sofern genügend Mineralien und Vitam ne enthalten sind, informiert Frischenschlager, „und sie ordnungsgemäß hergestellt sind, werden diese Produkte zugelassen.” Der Nachteil für den Konsumenten: die

Geschmacksnerven müssen stark sein und sich bis zur Erlangung des gewünschten Kilostandes auf die Reize Erdbeer, Banane oder Vanille beschränken. Ein weiteres Manko der fix-fertigen Schlankschlemmer: man verlernt nicht nur das Kauen, sondern auch, wie man sich ohne künstliche Hilfsmittel ausgewogen ernährt. Die zweite Gruppe sind die magenfüllenden, zumeist faserreichen Tabletten, die durch Aufquellen eine gewisse Sättigung vortäuschen. Weder Fisch noch Fleisch, weder Lebensmittel noch Arznei: für sie mußte (zu Ende der siebziger Jahre) ein eigener Begriff erfunden werden. Sie wurden fortan „Verzehrmittel” genannt, da sie „zwar gegessen oder gekaut werden, nicht aber vorwiegend der Ernährung dienen”.

Derzeit ist es ruhiger um das Geschäft mit den Pillen und Säften geworden. „Wir haben so viel am Hals,” meint der Dezernatsleiter der Wiener Lebensmittelpolizei, Werner Lembach, (die auch für Produkte zuständig ist, die in unmittelbare menschliche Berührung treten) „von krebser regenden Windeln zu giftigem Plastikspielzeug, daß wir Schlankheitsmittel nur am Rand behandeln”. Einen österreichweiten Überblick über gefährliche Kilo-Vernichter gebe es nicht. „Wenn jemand glaubt, ein unseriöses Produkt erworben zu haben,” rät der l ebensmittelpolizist, „hat er das Recht, es beim Marktamt anzuzeigen.”

Reim Verein für Konsumenteninforma-\ tion hält man sich durch die Zuschriften aufmersamer Zeitungsleser auf dem laufenden. „Immer wieder erhalten wir Kopien von bezahlten Anzeigen, die als redaktioneller Beitrag getarnt sind,” berichtet Thomas Tobisch. Vor allem Inserenten in bunten Blättern, die sich Themen wie de*m Scheitern von Ehen am britischen Königshof oder Fragen ä la „Hat Fergie zugenommen?” widmen, setzen auf die Gutgläubigkeit der I.'serschaft. „Viele Käufer kommen schon mit einem fixen Produktwunsch,” meint die Pharmazeutin der Apotheke Kram-mer am Graben in Wien, „der durch die Werbung entstanden ist.” Hierin der Innenstadt führt man nur zwei knappe Dutzend der meistgefragten Kilo-Senker.

Der Markt an diätetischen Schlankheitsmitteln, meint Sylvia Frischenschlager vom Gesundheitsministerium, sei bereits gesättigt. Sie glaubt nicht, daß noch Bedarf an einem weiteren Spargelshake mit erfrischender Algenkomponente oder einem Mango-Mix mit linksdrehendem Eiweißzusatz bestünde.

Die kleinen, quellenden Pillen hingegen seien noch im Steigen. Man setzt auf rasche Wirkung ohne lästiges Zutun. Allerdings - eine Schüssel Salat täte es auch.

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