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Biowelle rollt

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Ein rotes Tuch für Prof. Günter Weinschenck, Universität Stuttgart-Hohenheim, die grüne Welle, deren Produkte unter dem Reizwort „BIO“ aus dem Exil der Reformläden umsatzverheißend Einzug bei Greißlern und Handelsketten halten: „Die kleine Schicht kaufkräftiger Verbraucher“, ortet er eine Bio-Elite, „ist eher durch Angst motiviert als durch praktische Vernunft.“

Eher praktische Vernunft als Angst hingegen war der Tenor des „Grünen Forum Alpbach“, das vor kurzem Chemie- und Bio-Landwirte, Düngerfachleute und Ökologen friedlich zur Diskussion vereinte. Nachdem Innsbrucks Rektor Prof. Franz Fliri einleitend eine Lanze für ganzheitliches Denken gebrochen und gleichzeitig die Bio-Apostel vor Ideologi-sierung gewarnt hatte, predigte Religionsphilosoph Prof. Arnold Kayserling „Wege zu einem neuen Denken“.

Eher praktischer Natur waren dann allerdings die Vorschläge von Prof. Hermann Priebe, dem Direktor des Instituts für ländliche Strukturforschung der Goethe-Universität Frankfurt: „Immer mehr Geld muß für die Uberschußverwertung aufgebracht werden“, kritisiert er bei dem Symposium den Wachstumsfetischismus der EG-Agrokaten und liefert postwendend eine Alternative:

„Genau dieses Geld“, legt Priebe agrarpolitischen Sprengstoff, „soll direkt an die Bauern verteilt werden und damit der Zwang zur permanenten Produktionssteigerung aufgehoben werden.“

Dem Steigerungswahn erteilte auch Prof. Alfred Haiger von der Universität für Bodenkultur, Wien, eine deutliche Abfuhr: hormonschwangere Rinder, die zu erhöhter Milch- und gleichzeitig gesteigerter Fleischleistung aufgespritzt würden, lieferten krankheitsanfällige Tiere und wäßriges Fleisch. Die so erhöhte Lebensleistung, „Prestigeideal der Zuchtvereine“ (Haiger), finde aber bereits nach dem dritten Kalb ihr Ende.

Das durch die akademische Schützenhilfe gewonnene seriöse Image macht der Bio-Bewegung jedoch auch Probleme, denn sie gewährt bislang nicht nur denen Unterschlupf, welche die langfristigen Umweltschäden der Spritz- und Düngemittel höher bewerten als ihren kurzfristigen Nutzen.

Auch zivilisationsmüde Kinder der Stadt, die vom idyllischen Landleben träumen, sowie profithungrige Händler auf der Jagd nach Biogewinnen sind mit von der Partie. Beide will man jetzt am liebsten loswerden.

Auf das Markenzeichen des biologischen Landbaus droht nämlich eine Attacke aus dem anderen Lager: Verfechter des konventionellen Ackerbaus möchten die preissteigernde Etikette „Bio“ am liebsten verboten wissen. Denn jede Landwirtschaft, fühlen sie sich auf den Schlips getreten, sei ja schließlich biologisch. Ökologen kontern, daß viele gängige Praktiken alles, nur nicht biologisch und naturgemäß seien.

Hätten wir in Europa an Hungersnot zu leiden, so könne man die Umweltfolgen der produktionssteigern-den Düngemittel allenfalls in Kauf nehmen. Tatsächlich aber weiß derzeit niemand so recht wohin mit den Uberschüssen. Kein Wunder, daß die Unzufriedenheit mit der Philosophie der Produktionssteigerung wächst und damit diejenigen stärkt, die lieber weniger, aber dafür ohne Chemie anbauen wollen.

Die wesentliche Hürde steht den Bio-Bauern noch bevor: die Schlacht wird, so der Tenor der Alpbacher Diskussionen, an der Preisfront entschieden. „Eine politische Wertent- . Scheidung“, klassifiziert Doz. Bernd Lötsch vom Wiener Institut für Umweltwissenschaften die Frage, ob beispielsweise Bio-Brot vom Korsett der Preisbindungen ausgenommen sein soll. An der Zahlungswilligkeit der Kunden wird es jedenfalls Meinungsumfragen zufolge nicht liegen.

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