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Verlockender Einkauf jenseits der Grenze

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Nach einer Untersuchung des Instituts für Handelsforschung in Wien (IFH) beträgt der Abfluß der Kaufkraft alleine aus dem Bundesland Oberösterreich in das benachbarte Bayern rund 2,3 Milliarden Schilling. Dabei sind keine Dienstleistungen berücksichtigt, die ebenfalls im Ausland in steigendem Maße beansprucht werden, denkt man nur an die Besuche von Gastlokalen. Weiters ist nicht berücksichtigt, daß immer mehr Österreicher in der Bundesrepublik tanken und damit einen weiteren Kaufkraftabfluß in Milliardenhöhe verursachen. Gerade letzteres muß man mit Bedauern feststellen, doch ist keinem Österreicher das Tanken im Ausland zu verübeln, spart er sich doch pro Liter Treibstoff fast zwei Schilling.

Die Untersuchung des IFH berücksichtigte die Bereiche Lebensmittel, Wasch- und Putzmittel, Kosmetika, Bekleidung, Schuhe, Uhren, Schmuck, Papier-und Bürobedarfsartikel, Spielwaren und Sportartikel, Haüs-und Küchengeräte, Radio, TV,

Elektro, Video, Foto, Eisenwaren, Möbel, Heimtextilien, Sanitärwaren, Tabakwaren sowie Baustoffe, Haus- und Gartenartikel und Pelzwaren.

Die außerordentliche Bedeutung des Kaufkraftabflusses für den grenznahen Raum wird dadurch ersichtlich, daß rund 851 Millionen Schilling beziehungsweise 40 Prozent des gesamten erhobenen Kaufkraftabflusses allein auf die Grenzbezirke Rohrbach, Schärding, Ried und Braunau entfallen. Der Abfluß der Kaufkraft erreicht in dieser Zone rund zehn Prozent des örtlichen Marktpotentials!

Mit zunehmender Distanz und vor allem bedingt durch abnehmende Äbflußquoten im Bereich Lebensmittel und dem hohen Gewicht dieser Warengruppe, ist ein Gefälle der Kaufkraftabwanderung festzustellen, doch erreicht sie auch in Linz noch eine Quote von rund drei Prozent, was in Zahlen ausgedrückt etwa 414 Millionen Schilling pro Jahr entspricht.

Signifikante Zahlen aus den Grenzbezirken sind der Lebensund Waschmittelbereich, der mit zwölf beziehungsweise 13 Prozent Kaufkraftabfluß am höchsten liegt. Bei Schuhen sind es elf Prozent, im Fotobereich neun Prozent, auf dem Sektor Radio, TV, Video, Elektro acht Prozent, die gleiche Höhe erreichen die Kosmetika. Sechs Prozent beträgt der Kaufkraftabfluß bei Spielwaren und Sportartikeln, zirka fünf bei Uhren, Schmuck, Papier- und Schreibwaren, außerdem auch bei Haus- und Küchengeräten, Eisenwaren, Möbeln und Tabakwaren. Immerhin noch vier Prozent beträgt schließlich der Abfluß im Bereich Heimtextilien sowie Sanitärwaren.

Natürlich sind in unmittelbarer Grenznähe, also in einer Distanz von drei bis vier Kilometer zu Bayern, die Kaufkraftabflüsse am höchsten und erreichen über alle Grenzbezirke gerechnet im Durchschnitt 15 Prozent. Ganz besonders stark fällt auch hier der Lebens- und Waschmittelbereich ins Gewicht. Hier sind es 21 beziehungsweise 23 Prozent.

Was zieht nun den österreichischen Kunden in die Einkaufsgefilde jenseits der Grenze?

Die Untersuchung gibt darauf eine klare Antwort: In erster Linie sind es die teilweise erheblichen Preisunterschiede, die zum Einkauf in Bayern verlok-ken. Weiters ist es die Auswahl im Warenangebot. Sie wird in Bayejn als größer und innovativer empfunden. An letzter Stelle kommen die sonstigen Rahmenbedingungen, wie längere Öffnungszeiten. Man denke hier besonders an den ersten Einkaufssamstag im Monat, oder an das Offenhalten am 26. Oktober oder am 8. Dezember. Gerade in der Vorweihnachtszeit gehen dadurch bis zu über ein Prozent der inländischen Kaufkraft verloren.

Der Einkauf in Bayern erscheint den Konsumenten vor allem im Lebensmittelbereich empfehlenswert, und hier sind es die Milchprodukte, die besonders gerne gekauft werden.

Ein weiteres markantes Beispiel: Ganz oben auf der

Einkaufsliste der Österreicher in Bayern stehen vor allem die Waschmittel. Ein Preisvergleich bringt auch hier Klarheit. Die Differenz bei Markenwaschmitteln liegt zwischen 24 und 51 Prozent, durchschnittlich bei etwa 34 Prozent

Wenn man auch berücksichtigt, daß in Osterreich bei einigen Luxusartikeln die Mehrwertsteuer von 32 auf 20 Prozent gesenkt worden ist, mindert dies doch noch lange nicht die Kaufwut der Österreicher.

Nicht nur die Normalmehrwertsteuer in Österreich müßte auf jenes Niveau gesenkt werden, wie es in der Bundesrepublik Deutschland besteht. Auch auf dem Lebensmittelsektor muß ein Umdenken unserer heimischen Produzenten einsetzen. Ich spreche hier nicht von den Bauern, die in Österreich etwa denselben Preis für ihre Produkte bekommen wie in der Bundesrepublik. Unser System der Veredelung der Produkte bedarf einer gründlichen Durchleuchtung, das Fondswesen gehört reformiert. Auf der einen Seite werden landwirtschaftliche Produkte, wie Butter, Käse oder Zucker, hochgestützt exportiert, auf der anderen Seite werden sie durch unsere Konsumenten im Nachbarland billig eingekauft und wieder nach Österreich gebracht. Es ist an der Zeit, alles daranzusetzen, damit die Lebensmittelpreise in Österreich herabgesetzt und an jene der EG angeglichen werden.

Auch muß Druck auf jene internationalen Konzerne ausgeübt werden, die in Österreich höhere Einstandspreise verlangen, als sie es in der Bundesrepublik tun. Es ist hoch an der Zeit für den Handel, daß er sich zu Importgemein-

Schäften zusammenschließt, um entsprechend günstig einzukaufen und die Preisvorteile an die Kunden weitergeben zu können. Es ist an der Zeit, daß der Staat äußere Bedingungen, vor allem auf dem Steuersektor, schafft, die mit jenen zu vergleichen sind, wie sie etwa in der Europäischen Gemeinschaft bestehen.

Dies alles ist in der Praxis schwierig, jedoch muß und kann in Oberösterreich wiederum ein Wirtschaftsklima entstehen, das den Konsumenten ermöglicht, günstig einzukaufen, und dem Handel gestattet, die Produkte mit jenen Preisen kostendeckend auf den Markt zu bringen, wie dies in der benachbarten Bundesrepublik geschieht.

Der Autor ist Obmann der Sektion Handel der Linzer Handelskammer.

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