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Heuer gibt's Badewetter eigentlich schon seit Anfang Mai und Rekordtemperaturen seit Juni. Außergewöhnlich - oder liegt das Jahr 2003 im Trend?

Wann wird's mal wieder richtig Sommer, ein Sommer wie er früher einmal war? Ja, mit Sonnenschein von Juni bis September - und nicht so nass und so sibirisch wie im letzten Jahr." So sang Rudi Carrell vor etwa 20 Jahren - kein passender Song für das Jahr 2003. Denn heuer gibt's einen richtigen Sommer, einen, der alle Rekorde zu brechen verspricht. Im Süden Europas werden Temperaturen von über 40 Grad registriert, in Spanien sogar über 50. Spitzenwerte auch in Mitteleuropa: 36 Grad in St. Pölten. In Deutschland und in der Schweiz kletterte das Thermometer sogar auf 38 Grad, etwa in Genf. Selbst die Finnen erleben eine ungewohnte Hitzewelle: Auf 33 Grad stieg das Quecksilber Mitte Juli. Und dabei gelten dort schon Temperaturen von 25 als hochsommerlich heiß.

Manche Branchen profitieren von diesem Wetter: So erhofft man sich vom Jahrgang 2003 einen Jahrhundertwein. Außerdem hat der heiße Frühsommer den Bierdurst der Österreicher (4,19 Millionen Hektoliter) sogar gegenüber dem sehr guten Vorjahresergebnis gesteigert. Auch Mineralwasser-Abfüller berichten über den guten Absatz, steigen doch erfahrungsgemäß ab 28 Grad viele von Bier auf Wasser um. Auf Rekord-Kurs liegen auch die Wiener Freibäder. Schon am 26. Juli wurde der zweimillionste Badegast begrüßt, um zwei Wochen früher als im Rekordjahr 1992. Und wer in diesen Tagen versucht, an einem Kärntner See ein Quartier zu finden, muss auf Stornos warten.

Trockenheit im Süden

Neben der Hitze bereitet die Trockenheit Probleme in weiten Teilen Europas. Sie begünstigt riesige Waldbrände in vielen Regionen. Besonders betroffen sind Frankreich, Spanien und Portugal. In Portugal wurde wegen der Waldbrände sogar der Notstand ausgerufen und internationale Hilfe angerufen.

Weniger schwer wiegend sind die Folgen für die Wasserversorgung - zwar nicht in Österreich, jedoch in Italien. Dort verzeichnet der Po ein Rekordtief: 7,65 Meter unter dem normalen Wert in Cremona. Um den Fluss vor dem Austrocknen zu bewahren, wurden zweitweise Stauseen in den Alpen geöffnet. Heftige Niederschläge gegen Monatsende haben den Wasserstand des Po wieder um einen halben Meter ansteigen lassen.

Rekordverdächtige Niedrigwasserstände registriert man auch an der Donau, obwohl auf weiten Strecken die Schifffahrt aufrecht erhalten werden konnte. Fast vollständige Ebbe herrscht in der Vojvodina. Dort an der serbischen Staatsgrenze betrug der Wasserstand überhaupt nur noch 24 Zentimeter, um drei Meter weniger als in dieser Jahreszeit üblich. Wracks von im Weltkrieg versenkten Schiffen wurden sichtbar.

Das gab's auch früher...

Wenn die Medien solche Tatsachen als Katastrophenberichte aufmachen, weisen die Meteorologen regelmäßig darauf hin, dass es außergewöhnliche Wetterkonstellationen seit jeher gegeben habe, beispielsweise einen noch niedrigeren Donau-Wasserstand in der Vojvodina im Jahr 1888. Auch die in Genf gemessenen 38 Grad sind kein Schweizer Hitzerekord: In Basel habe man am 2. Juli 1952 sogar 39 Grad verzeichnet. Und selbst die außergewöhnlich starken Regenfälle im August des Vorjahres, die zu verheerenden Überschwemmungen in Österreich geführt haben, stellen keine einmaligen Vorkommnisse dar. Denn der höchste im Inland registrierte Niederschlagswert wurde 1910 in Dornbirn gemessen.

Die derzeit in Europa herrschende Hitze ist also nichts Einmaliges. Bemerkenswert ist aber die Tatsache, dass sich auffällige Wetter-Ereignisse in jüngster Vergangenheit häufen. Blättert man nämlich in den Meldungen der letzten Jahren, so erkennt man, dass sehr oft über Hitze berichtet wird - zugegeben häufig in einem aufgeregten Ton, den die Wissenschaft als Beitrag zur Verbreitung einer Katastrophenstimmung kritisiert. In den Klima-Jahresrückblicken der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik in Wien klingen die Nachrichten zwar nüchterner, aber doch so, dass man nachdenklich gestimmt wird:

* "Das Jahr 2000 war bei unterschiedlichen Niederschlagsverhältnissen sehr warm. Die Jahresmittel der Temperatur lagen verbreitet um 0,2 bis 1,4 Grad über dem langjährigen Durchschnitt."

* "Das Jahr 2001 war bei unterschiedlichen Niederschlagsverhältnissen in großen Teilen Österreichs überdurchschnittlich warm."

* "Eine äußerst warme erste Jahreshälfte und ein besonders warmer November sowie einige teils katastrophale Niederschlagsereignisse bis August sowie niederschlagsreiches Wetter in den letzten Monaten des Jahres waren die auffälligsten Eigenschaften des Wetters in Österreich im Jahre 2002. Die Jahresmittel der Lufttemperatur werden in ganz Österreich beträchtlich über dem langjährigen Durchschnitt liegen..."

Wer sich die Wetteraufzeichnungen der Zentralanstalt (www.zamg.ac.at) näher ansieht, erkennt, dass seit Jahresbeginn 1999 fast durchwegs warmes Wetter zu verzeichnen war: Nur in acht der 58 letzten Monate, für die Daten im Internet stehen, lagen die Temperaturen unter dem entsprechenden langjährigen Mittel. Die meisten übrigen Monate waren überdurchschnittlich warm (dreimal lagen die Februar-Temperaturen auffallend hoch). Absoluter Spitzenreiter war der Juni 2003 mit Werten, die im Westen des Landes (bis in den oberösterreichischen Alpenraum) um mehr als 5,5 Grad über dem langjährigen Durchschnitt lagen. Ein eindeutiger Trend zur Erwärmung also.

Bei den Niederschlägen hingegen bleibt das Bild uneinheitlich. Da wechseln Jahre mit ins Gewicht fallenden Trockenschäden (2000 und 2003) mit solchen ab, in denen es zu Hochwassern kommt: 1991, 1997, 2002.

Die Gletscher schrumpfen

An den Gletschern lässt sich die Erwärmung in Europa ablesen. Messungen in Österreich ergaben allein im Vorjahr einen durchschnittlichen Rückgang von 12,4 Metern. Einer der Gletscher, das Stubacher Sonnblickkees in den Hohen Tauern, hat in den letzten zwei Jahrzehnten ein Fünftel seiner Masse (22 Millionen Kubikmeter Eis) eingebüßt. Und 2003 werde keine Trendumkehr bringen, meint der Salzburger Meteorologe Alexander Ohms: "Bei ,normalen' August- und September-Temperaturen und -Niederschlagsmengen schmelzen die Gletscher weiter ab." Dieses Abschmelzen ist kein auf die Alpen beschränktes Phänomen: Dem letzten spanischen Gletscher in den Pyrenäen wird eine Lebensdauer bis maximal 2015 vorausgesagt.

Ein heißes Jahrzehnt

Für den Leiter des UNO-Umweltprogramms Klaus Töpfer ist die Sache klar: Die beobachteten Phänomene sind Folgen der globalen Erwärmung (0,6 Grad im letzten Jahrhundert, die höchste Steigerung in der nördlichen Hemisphäre seit 1.000 Jahren). Auch die Weltwetterorganisation in Genf hielt nach dem extrem heißen Juni in einer Erklärung fest: "Neue extreme Rekorde gibt es in jedem Jahr irgendwo auf der Welt, aber in den vergangenen Jahren steigt die Zahl solcher Extreme."

Am prägnantesten formuliert es die "Münchener Rück", die Großschäden versichert und daher genauestens die Wetterentwicklung verfolgt, in ihrem "Jahresrückblick Naturkatastrophen 2002" : "Die Wetterextreme und Schadensereignisse des vergangenen Jahres unterstreichen, dass wir die möglichen Auswirkungen der Klimaänderung auch in Zukunft sehr ernst nehmen müssen. (...) Das Jahr 2002 war ganz knapp hinter 1998 das zweitwärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Die zehn wärmsten Jahre seit 1860 traten alle nach 1987, neun davon nach 1990 auf. Die Erwärmung der Atmosphäre hat sich in den letzten 25 Jahren drastisch beschleunigt (Faktor 3 gegenüber dem Trend im letzten Jahrhundert). Eine Trendwende ist nicht in Sicht."

Das Wettergeschehen 2003 bestätigt diese Prognose - jedenfalls bisher.

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