Das Luftgeschäft als Börsenhit

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Geld sei der Schlüssel zum Erfolg der Klimakonferenz von Kopenhagen, hat der Generalsekretär die UNO-Klimakonvention, Yvo de Boer, erklärt und damit gleichzeitig auf das Dilemma hingewiesen, in dem die Verhandler aus 193 Nationen nun stecken. Denn in Kyoto hatten sie einen Plan der Solidarität festgeschrieben, nach dem die Industrieländer ihre Rolle als Verschmutzer der Atmosphäre teuer bezahlen sollten. Die Industrie bekäme „Emissionsrechte“ in Form von Zertifikaten zugeordnet. Verbrauche sie diese, müssten auf internationalem Parkett Zertifikate zukauft werden – und zwar von Staaten, die aufgrund ihrer Klimabilanz wenig ihrer CO2-Zertifikate verbrauchen.

Der Erlös des Tradings würde in Projekte wandern, mit denen in Entwicklungsländern nachhaltige Projekte gefördert würden. Soweit das Prinzip, das im internationalen Sprachgebrauch „Cap and Trade“ lautet. Weltweit angewendet, könnte das System ein Finanzvolumen von einer Billionen Euro jährlich umsetzen, sagen Londoner Finanzexperten.

Fragwürdiger Emissionshandel

Tatsächlich hat das System, wie es in Europa eingeführt wurde, ernste Mängel aufzuweisen. So konnte die europäische Industrielobby den Preis für die EU-Zertifikate herunterhandeln und die Zahl der ihnen zugestandenen „Freizertifikate“ hinaufsetzen –was in der Bilanz nicht zu einer Senkung, sondern zu einem realen Anstieg der Emissionen führte.

Ein weiteres Problem: Der Handel mit den Zertifikaten auf dem freien Markt. Er bedeutet nichts anderes, als den Umweltschutz zum Spekulationsobjekt für Investoren und Banken zu machen, mit allen möglichen negativen Folgen. Seitdem der berüchtigte Anleger George Soros das Instrument als „verlockend“ bezeichnete, weil „darin gespielt werden kann“, reift der Zweifel vor allem bei kapitalismuskritischen Organisationen. Zyniker könnten das reale Geschäft mit „heißer Luft“ schon als treffendste Selbstbeschreibung eines Systems mit Bankrottgarantie sehen.

Zu „Cap and Trade“ gibt es auch Alternativvorschläge, die aber von einer Realisierung weit entfernt sind. Mexiko etwa schlägt die Bildung eines Fonds vor, in den alle Staaten je nach CO2-Verbrauch einzahlen müssen. Aus diesem geschützten Topf sollten dann Programme für die vom Klimawandel betroffenen Gebiet gesponsert werden.

Der wissenschaftliche Beirat der deutschen Regierung geht noch weiter: Es sollten den Staaten je nach Einwohnerzahl Emissionsrechte bis ins Jahr 2050 zugeordnet werden. Jedem Einwohner stünden damit 2,7 Tonnen CO2-Verbrauch pro Jahr zu. Für Industrieländer wie Österreich (Verbrauch: zehn Tonnen CO2 pro Kopf) würde das eine Verbrauchssenkung von über zwei Drittel bedeuten – oder eben den Erwerb großer Kontingente zusätzlicher Emissionsscheine. Eine gerechte, aber teure Angelegenheit für Industriestaaten – weshalb die Chancen auf praktische Verwirklichung in Kopenhagen auch marginal sein dürften. Als Erfolg sieht man es dort schon an, sich ein Ziel zu setzen – ohne den Weg dahin in Frage zu stellen.

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