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Digital In Arbeit

Ein Kampf an zwei Fronten

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Monika Fächer, die neue Geschäftsführerin der staatlichen Industrie-ansiedlungs GmbH (ICD), über Imageprobleme im In- und Ausland.

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Monika Fächer, die neue Geschäftsführerin der staatlichen Industrie-ansiedlungs GmbH (ICD), über Imageprobleme im In- und Ausland.

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DIEFIJRCHI:: Sie haben im November die Geschäftsführung der ICD übernommen. Womit können Sie Investoren nach Osterreich locken, wenn einerseits weltweit die Rezession auf die Wirtschaft drückt und andererseits ein EU-Beitritt Österreichs höchst unsicher ist’ MONIKA PACHER: Die Nicht-Mitgliedschaft ist ein gravierender Nachteil für den Wirtschaftsstandort Österreich, da das Land bereits in einer Investitionsvorphase aus dem l*],ntscheidungsbaum ausscheidet. Bereits zu Beginn wird die Frage gestellt, Mitglied oder nicht. Aus diesem Grund befindet sich die ICD beziehungsweise Österreich seit Jahren in der Situation, einem bereits fahrenden Zug nachlaufen und erklären zu müssen, daß Österreich durch das Protokoll Nummer 3 beziehungsweise durch Freihandelsverträge ungehinderten Marktzutritt zur EU hat. Daher ist es letztlich auch zum Beispiel der ICD geglückt, in den vergangenen Jahren insgesamt 66 Projekte mit rund 8,2 Milliarden Schilling Investitionen und 5.500 Arbeitsplätzen zu realisieren. Das heißt, wenn ein Investor eine entsprechende Wertschöpfung in Österreich schafft und damit die Bedingung des lokalen Ursprunges erfüllt, hat er ungehinderten Marktzutritt zu allen EU- und, natürlich auch, EFT’A-Ländern. Trotzddm bleibt es ein gravierender Nachteil durch eine Nicht-Mitgliedschaft, nicht an der Zollunion und an den Wirtschaftsabkommen der EU mit anderen Wirtschaftsblöcken und Ländern teilhaben zu können.

I)1I:FI;RCHE: Österreichs Industrie ist im Ausland kaum bekannt, und im Inland hat sie kein positives Image Müssen Sie im Grunde nicht an zwei Fronten kämpfen^

PACIIER: Das ist richtig. Die ICD, aber auch alle anderen Betriebsan-siedlungsgesellschaften Österreichs haben das Problem zu lösen, die Notwendigkeit und Wichtigkeit von Auslandsdirektinvestitionen oder überhaupt von Industrieinvestitionen in Österreich verkaufen zu müssen. Die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes wird nun einmal daran gemessen, wie weit eine Volkswirtschaft in der Lage ist, diese mobilen, ausländischen Produktionsfaktoren ins Land zu ziehen. Daher bemühen wir uns, in Österreich bei allen Sozialpartnern, aber auch bei der Regierung und bei den sonstigen politischen Verantwortlichen, diese Notwendigkeit der Bewerbung des Industriestandortes Österreich im Ausland - einer Funktion im nationalen Interesse - zu erklären. Die zweite Front, nämlich daß Österreich kein Image als Wirtschaftsstandort vor allem im außereuropäischen Ausland hat, ist ein großes Handikap für uns.

DIEFURCHE: Haben Sie genug Geld für Ihre Zwecke zur Verjügung? PACHER: Aufgrund unserer begrenzten Ressourcen können wir uns heute nur auf vier Märkte konzentrieren, nämlich auf Japan, Nordamerika, Deutschland und die Schweiz. Auch diese Märkte können wir aufgrund unserer begrenzten Möglichkeiten nicht mit der nötigen Marktabdeckung bearbeiten. Selbst in den bereits jetzt von uns bearbeiteten Ländern wäre eine höhere Intensität unserer Tätigkeit erforderlich, auch müßten wir Länder wie England, Frankreich, aber auch die „Tiger-Staaten" im Fernen Osten weit intensiver bearbeiten. Leider fehlen uns dazu die Mittel, im Gegenteil, sie werden auch noch laufend beschnitten.

DIEFURCHE: Welche Faktoren spielen heute bei Investitionsentscheidungen überhaupt eine Rolle? PACIIER: Das ist von Branche zu Branche unterschiedlich. Ein Unternehmen siedelt sich primär dort an, wo es am schnellsten eine zufriedenstellende Rendite auf das eingesetzte Kapital erwirtschaften kann. Damit sind heute nach wie vor die Kostenfaktoren vorrangig. Die qualitativen Faktoren geben dann den Ausschlag, wenn die Kostenkriterien erfüllt sind. Bevor jedoch ein Investor über haupt in ein Land geht, muß die so-zioökonomische Stabilität gegeben sein. Dann sind folgende Ansied-lungsmotive „gereiht" zu erfüllen: Europa-Markt, Produktionskosten, Standortquahtät, unqualifizierte Arbeitskräfte, qualifizierte Arbeitskräfte, Förderungsmittel, Binnenmarkt, Handelshemmnisse, Zulieferindustrie, F- und E-Einrichtungen.

DIEFURCHE: Die Dienstleistungsbranche wächst, die Beschäftigten in der Industrie gehen zurück In welchen Bereichen liegt die Zukunft? PACHER: Die Zukunft der österreichischen Industrie liegt in der Vollautomatisation der Produktionsprozesse, das heißt, in vollautomatischen Fertigungen, da man für deren Aufbau über das entsprechende Know-how verfügen, aber auch das nötige Kapital aufbringen muß, das man wieder nur in ein stabiles Land investieren möchte. Ein weiteres Standbein für die Zukunft ist sicherlich die Spezialisierung auf Sonderanfertigungen und auf Marktnischenprodukte, die hohes technologisches Wissen, hohe Qualifikation der Mitarbeiter, entsprechende Flexibilität, Produktivität und Zuverlässigkeit bedingen. Einen Teil des benötigten Kapitals für den Aufbau eines solchen ultra-modernen Industriekerns kann man sicherlich durch Auslagerung von nicht-automatisierbaren beziehungsweise lohnintensiven Fertigungen in unsere östlichen Nachbarländer verdienen.

Natürlich wird sich Österreich mehr im Dienstleistungsbereich engagieren müssen. Hier insbesondere im industrienahen Dienstleistungsbereich wie Software-Produktion, En-cineering-Büros, Forschungs- und intwicklungszentren, aber auch Wirtschaftsdienste, Unternehmensberater et cetera.

Wir sind ein Land mit einem sehr hohen Ausbildungs- und Bildungsstand, den man natürlich in solchen Dienstleistungsbereichen benötigt. Allerdings darf man dabei nicht außer acht lassen, daß, wenn man die Hardware-Industrie aufgibt, mittelfristig auch sein Systemwissen verliert. Daher wird die reine Flucht in die Dienstleistungsbetriebe nicht möglich sein, ohne auch einen entsprechenden, allerdings ultramodernen Industriekern mitzubehalten.

DIEFURCHE: Welche Rolle kann der industrielle Sektor in Zukunft in Österreich überhaupt noch spielen ? PACHER: Im Rahmen dieser Diskussion wird oft übersehen, daß die Industrie einen weit höheren Wertschöpfungsanteil erbringt als zum Beispiel der Fremdenverkehr. Ich kann mir daher eine Zukunft Österreichs, und damit meine ich die nächsten 20 Jahre, ohne Industrie nicht vorstellen.

Es ist sicher notwendig, die Berufe in der Industrie auch für junge Leute wieder attraktiver zu machen, da sich nur mehr wenige, vor allem auch TU- und HTL-Abgänger, bereit erklären, in die „Knochenmühle" eines Fertigungsbetriebes einzusteigen. Es wird sich dies jedoch nicht ganz vermeiden lassen, will Österreich hier den Anschluß an internationale Standards in der Fertigung nicht verlieren. Das Image des in der Industrie Tätigen, vor allem im Produktionsbereich, gehört aufgewertet. Dazu gehört sicherlich auch eine adäquate Bezahlung im Vergleich zu Aufgaben in anderen Unternehmensfunktionen wie Marketing oder Forschung und Entwicklung.

Das Gespräch führte Elfi Thiemer.

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