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Grüne Mark mit braunen Nadeln

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Die Grüne Mark — eine Bezeichnung, die um ihren Bestand fürchten muß. Denn auch in der Steiermark stirbt der Wald. Nur trifft es ein Land mit einem so hohen Waldanteil ganz besonders.

Sechzig Prozent der Fläche dieses Bundeslandes sind—einstweilen noch - mit Wald bedeckt. Wie schnell sich das ändern kann, zeigt ein Blick auf die bisherige Entwicklung: Waren im Jahr 1965 erst 15.000 Hektar des Waldes geschädigt, so steigerte sich das bis 1977 auf 87.000 Hektar. 1984 ergaben Untersuchungen der Nadeln schon ein Schadensausmaß von

406.000 Hektar — und das bei einer Gesamtfläche von 973.000 Hektar.

Kein Wunder, daß nun versucht wird, dem schleichenden Sterben der Wälder von allen möglichen Seiten her beizukommen.

Wichtige Voraussetzung für jede Strategie ist zunächst einmal ein genaues Bild der aktuellen Lage. Bis vor kurzem gab es noch keine einheitliche Methode, den Zustand des Waldes in Österreich zu erheben. So sind auch die oben genannten Zahlen nicht so ohne weiteres miteinander vergleichbar, weil sie durch unterschiedliche Methoden erhoben worden sind. Die generelle Tendenz läßt sich aber trotzdem daran ablesen.

Die Forstliche Bundesversuchsanstalt geht die Sache nun von zwei Seiten an: Im Zuge der Wald- ^ustandsinventur werden ~ auf" 2.245 Dauerbeobachtungsflächen in ganz Österreich insgesamt 72.910 numerierte Bäume jährlich begutachtet. Je nach der Verlichtung der Kronen werden sie in fünf Klassen eingeteilt. Die zweite Methode, einen Überblick über die Situation zu bekommen, bietet das Bioindikatorennetz. Es handelt sich dabei um ein Netz von Probepunkten mit einem Abstand von jeweils 16 Kilometern. An diesen Punkten werden Nadelproben von Fichten, Tannen und Kiefern genommen und im Labor analysiert. Durch Schadstoffrückstände und eventuelle Mangelerscheinungen an Nährstoffen lassen sich Rückschlüsse auf den Grad der Beeinflussung durch die Umwelt ziehen.

Alarmierend ist nun, daß zunehmend auch in Gebieten Schäden auftreten, in denen kein unmittelbarer Verursacher von Umweltbelastungen festgestellt werden kann. Waren es bisher vor allem die Höhenlagen zwischen 600 und 900 Metern — hier schlagen sich die Abgase aus den Industrien nieder —, finden sich heute auch in über 1100 Metern Höhe Anzeichen von Schädigungen. Hier ist vor allem die Lawinenschutzfunktion des Waldes gefährdet.

In fast allen Bezirken der Steiermark haben sich betroffene Waldbesitzer bereits zu Rauchschadensvereinen zusammengeschlossen. Im Bezirk Leoben repräsentiert der örtliche Verein die Besitzer von 60 Prozent der Waldfläche. In Zusammenarbeit mit der Landwirtschaftskammer bemühen sich die Vereine um eine verstärkte Aufklärung der Bevölkerung sowie um eine Bekämpfung der Verursacher — soweit diese bekannt sind.

Die Forderungen der Vereine an die Umweltpolitik sind vielfältig:

Einführung des Nachrüstkatalysators für alle Autos, bei denen ein Einbau technisch möglich ist, Tempo 80/100 sowie Entgiftung der Abgase auch bei Altanlagen in Industrie und Gewerbe nennt Oberforstmeister Friedrich Hempel, Geschäftsführer der Vereine Leoben und Bruck, als wichtigste Anliegen.

Diese Ansicht teilt auch der für Umweltfragen zuständige Landesrat Hermann Schaller, der vom Bund auch eine Änderung der Gewerbeordnung bei Genehmigungen von Anlagen wünscht.

J?ür den eigenen Bereich verweist Schaller auf ein Zwölf- Punkte-Programm, zu dem sich die Landesregierung verpflichtet hat. Es geht dabei um Maßnahmen zur Erhebung der Luftqualität, um den Aufbau eines Umweltinformationssystems sowie um Novellen zu diversen umweltrele-

vanten Landesgesetzen. Im wesentlichen sind diese zwölf Punkte bereits erfüllt. Die Mitglieder der Schadensvereine beklagen aber ein (durch Überlastung der Landesverwaltung bedingtes) Vollzugsdefizit. Die konsequente Verfolgung von Umweltsündern ist aber Voraussetzung für Schadenersatzleistungen an die Waldeigentümer.

Da es bis jetzt noch keine allgemein anerkannte Methode gibt, ihren Schaden auszurechnen, wäre es nötig, in einem Musterprozeß die Verhältnisse zu klären. Uber den konkreten Einzelfall hinaus würde ein Entschädigungsanspruch auch die gesamte Umweltpolitik im Sinne einer Schadensverhütung einen Schritt weiterbringen, weil es sich keine Industrie leisten könnte, Umweltschäden finanziell abzugelten.

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