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Minister Kohlhaas
Wozu haben wir in Österreich schon seit 1970 ein Umweltschutzministerium? Die Frage liegt nahe, denn der vorige Woche von Kurt Steyrer, dem Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz, vorgelegte Umweltbericht stellt der bisherigen Politik auf diesem Gebiet ein denkbar schlechtes Zeugnis aus.
Dazu nur einige Punkte aus dem sechs Teilbände (Luft, Lärm, Abfall, Wasser, Boden, Vegetation) umfassenden Bericht:
Die Luftverschmutzung hat in den letzten zehn Jahren zugenommen. Vor allem die Immissionsgrenzwerte für Schwefeldioxid werden in Österreich (im Winter am Wiener Stephansplatz fast jeden Tag) häufig überschritten.
Der Hausmüllanfall ist seit 1973 jährlich um etwa 2,2 Prozent gestiegen.
Die Niederschläge werden zunehmend durch Abgase angesäuert, die Versorgung der Bevölkerung mit einwandfreiem Trinkwasser beginnt, auch in Österreich problematisch zu werden.
Die Reinhaltung und Sanierung der Fließgewässer ist nicht zufriedenstellend. Der Wasserhaushalt gerät durch die Abnahme von Feuchtgebieten, Kleingewässern und Aulandschaften aus dem Gleichgewicht.
Der tägliche Verlust an Boden wird auf 35 Hektar geschätzt; Hauptverursacher sind der Straßen-, Industrie-, Gewerbe- und Siedlungsbau (Trend zur Zweitwohnung).
Rund zwei, Prozent der in Österreich forstwirtschaftlich genutzten Fläche sind durch Industrieabgase geschädigt; dem Bau von Schipisten fallen große Waldregionen zum Opfer (in Salzburg und Tirol zwischen 1970 und 1975 rund 800 Hektar).
Die Gesetzgebung in Sachen Umweltschutz hinkt in Österreich jedenfalls beträchtlich nach, das zeigen die im Bericht enthaltenen Hinweise auf modernere gesetzliche Regelungen im benachbarten Ausland. So konnten etwa in der Bundesrepublik Deutschland in den siebziger Jahren die Schwe- feldioxid-Emissionen um rund vier Prozent gesenkt werden, während sie in Österreich in derselben Zeit um zumin
dest denselben Prozentsatz gestiegen sind.
Hierzulande sind das Dampfkessel- Emissionsgesetz vom 31. März 1981 und die angekündigte Reduktion des Bleigehaltes im Benzin (1982 für Normal-, 1983 für Superbenzin) nur Tropfen auf den heißen Stein Umweltverschmutzung.
Ein weiteres Beispiel für das Nachhinken Österreichs: In Westdeutschland wird das in vielen Pflanzenschutzmitteln enthaltene hochgiftige Dioxin (verantwortlich Für die Katastrophe von Seveso) verboten, in Österreich noch nicht. Hier ist ein modernes Chemikaliengesetz erst in Ausarbeitung.
Die Hauptverantwortung für die Versäumnisse der österreichischen Umweltpolitik trägt wohl neben der langjährigen Ressortchefin die gesamte Regierungspartei, die diesem seinerzeit wohl vor allem aus Gründen der Optik geschaffenen Ministerium immer nur ein kompetenzarmes Mauerblüm
chendasein zugestanden hat.
Der Gerechtigkeit halber sei erwähnt, daß Landes- und Kommunalpolitiker aus anderen Lagern auf diesem Gebiet vielfach im gleichen Ausmaß versagt haben. Allein die im Umweltbericht aufgezeigte Tatsache, daß geförderte Wohnbauten noch immer häufig an ungeeigneten Standorten (Verkehr, schlechte Luft, Lärm) geplant und errichtet werden, und die nach wie vor fortschreitende Zersiedlung der Erholungslandschaft sprechen Bände.
Minister Steyrer, für manche derzeit das tüchtigste Kabinettsmitglied, fühlt sich jedenfalls nicht als „grüner Träumer“ (wie ÖGB-Präsident Benya kürzlich die Umweltschützer bezeichnet hat), wohl aber als „romantischer Sozialist“. Für ihn „bedarf es manchmal eines Michael Kohlhaas“, um etwas zu erreichen.
Zwei weitere jüngst vom Gesundheitsministerium veröffentlichte Berichte orten jedenfalls keinen Gegen
satz zwischen Ökonomie und Ökologie: Nur in einer vollausgelasteten Wirtschaft bedeuten Umweltschutzausgaben eine (geringfügige) Verminderung des Wirtschaftswachstums (ungeachtet der Vorteile), in einer nicht ausgelasteten - wie der derzeitigen österreichischen - beschleunigen die Umweltschutzausgaben das Wirtschaftswachstum.
Außerdem resümiert eine Studie des Wiener Instituts für Stadtforschung: „Das vielfach gehörte Argument, der Umweltschutz vernichte Arbeitsplätze, stimmt jedenfalls nicht. Im Gegenteil: Es werden neue Arbeitsplätze geschaffen und erhalten, nämlich 26.000 Arbeitsplätze pro Jahr.“
Aus diesen Aussagen ergeben sich handfeste ökonomische Gründe für mehr Umweltschutzaufwendungen als in den siebziger Jahren. Damals lag Österreich mit Aufwendungen von 1,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes international im unteren Mittelfeld.
Dazu kommen ebenso handfeste politische Gründe, denn jede öffentliche Anstrengung auf diesem Gebiet nimmt natürlich den politisch schwer berechenbaren „Grünen“ den Wind aus den Segeln.
Daß der Umweltschutz ein Dauerbrenner bleiben wird und von den Politikern allein nicht die Rettung zu erwarten ist, muß aber jedem klar sein. Im Grunde genommen steht es wohl keinem von uns zu, in dieser Frage auf andere mit dem Finger zu zeigen, ohne mit der anderen Hand an die eigene Brust zu klopfen: Zur Umweltverschmutzung hat wohl jeder von uns sein Scherflein beigetragen.
Ein bißchen Konsumverzicht und Energiesparen (die Bereitschaft dazu ist laut Umfrage vorhanden) täte uns allen gut: dem Autofahrer wie dem Schisportler, für den Wälder gerodet und Lifte errichtet werden, dem Zweitwohnungsbesitzer wie dem Diskothekenfan, dessen Vergnügen Energie kostet und Lärm verursacht.
Wir alle sind dafür verantwortlich, daß mehr Hausmüli anfällt, daß immer mehr Landschaft verbaut und Energie verschwendet wird, daß Luft, Wasser und Boden verschmutzen, sich die Au- landschaft (voraussichtlich auf zehn Prozent des ursprünglichen Bestandes) drastisch vermindert.
Das beste Mittel gegen Umweltverschmutzung ist und bleibt das gründliche Kehren vor der eigenen Tür.
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