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Die Radiosonde

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Die kürzlich verbreitete Nachricht, daß der Alliierte Rat für Österreich der Wiener Zentralanstalt für Meteorologie die Verwendung von „Radiosonden“ gestattet hat, hat in weiten Kreisen das Interesse für dieses Forschungsmittel geweckt.

Der wissenschaftliche Wetterdienst arbeitet in gewisser Hinsicht ähnlich wie die angewandte medizinische Wissenschaft. Hier wie dort ist der erste Schritt die Diagnose, in unserem Falle das Erkennen des Wetterzustandes. Darauf folgt die Vorstellung der folgenden Entwicklung mit ihren Auswirkungen: die Prognose.

Zur Diagnose dienen „synoptische Wetterkarten“, kartenmäßige Darstellungen des zu einem bestimmten Zeitpunkt gegebenen Wetterzustandes. Diese Karten beruhen zunächst auf Meldungen von Stationen auf dem Boden, die ja verhältnismäßig leicht zu erhalten sind. Früh aber zeigte sich, daß mit der „Bodenkarte“ allein Wetterentwicklungen nicht klar erfaßt werden konnten. Professor v. Ficker, der jetzige Präsident der Akademie der Wissenschaften und Direktor der Wiener Zentralanstalt, lenkte schon bald nach dem ersten Weltkrieg die Aufmerksamkeit der Meteorologen auf die Vorgänge in den höheren Schichten der Atmosphäre und auf ihren Einfluß auf die Wettergestaltung. Waren es zunächst Beobachtungen von Bergstationen und von gelegentlichen Freiballonfahrten, die das Material für solche Untersuchungen lieferten, so entstand bald der Wunsch nach Erweiterung dieser Forschungen durch Einbeziehung immer höherer Schichten der Lufthülle und nach möglichst weiter Verteilung der Beobachtungsstellen. Aus solchen Überlegungen heraus fanden schon im Jahre 1918 ‘n Frankreich Versuche statt, durch Anwendung der drahtlosen Telegraphie Meßergebnisse aus der freien Atmosphäre zu gewinnen. Wohl hatte man schon vorher durch Registrierinstrumente, die mit unbemannten Ballonen in die Höhe geschickt wurden, Meßergebnisse erhalten. Aber zur Kenntnis und Verwertung konnte man erst nach Auffindung des irgendwo gelandeten und aufgefundenen Ballons gelangen. Zumindest für den praktischen Vorhersagedienst waren solche Unternehmungen wenig geeignet. Durch die erwähnte Anwendung der drahtlosen Telegraphie konnte man erwarten, sofort von dem in der Höhe herrschenden Wetterzustand unterrichtet zu werden.

Die ersten Versuche waren wenig ermutigend, denn die Radiotechnik war noch nicht genug leistungsfähig, um mit begreiflicherweise kleinen und leichten Geräten größere Entfernungen sicher zu überbrücken. Eine Änderung darin trat erst durch die Entwicklung der Kurzwellentechnik ein, die durch die Amateure aller Länder sehr gefördert wurde. Man hatte ja diesen Privatleuten nur die für , ganz unbedeutend angesehenen Kurzwellenbereiche freigegeben, mit denen die offiziellen Radiounternehmungen und Postverwaltungen nichts anzufangen wußten. Aber es zeigte sich, daß die zähe und unverdrossene Arbeit dieser Amateure die Kurzwellentechnik entscheidend fördern konnte. Mit geringsten Energien wurden große Entfernungen bezwungen. Dies war nun auch für die Entwicklung der Sender für unsere Radiosonden von entscheidender Bedeutung. 1927 schickten Franzosen den ersten Kurzwellenröhrensender in die Lüfte und kurz darauf baute der russische Meteorologe Moltschanoff eine „Radiosonde", die sich bis auf den heutigen Tag in ihren Grundgedanken nur wenig Verbesserungen gefallen lassen mußte. In rascher Folge entwickelten auch andere Konstrukteure brauchbare Modelle.

Welches sind nun die wesentlichen Bestandteile eines solchen Instruments? Einmal eine Vorrichtung, die auf Luftdruck, Lufttemperatur und Luftfeuchte reagiert. Diese Änderungen werden auf den zweiten Hauptbestandteil, den Kurzwellensender, übertragen. Die ganze Vorrichtung, man nennt es häufig „Gespann“, wird von einem etwa zwei Meter hohen Gummiballon getragen. Ein Fallschirm soll nach Platzen des Gummiballons die wertvollen Bestandteile wieder unbeschädigt zu Boden bringen. Auf verschiedenste Weise werden die gemessenen Werte zur Bodenstation übertragen. Entweder werden automatisch Morsezeichen gesendet, die bestimmten Meßwerten zugeordnet sind, oder es werden die Frequenz oder auch die Amplitude der Senderschwin; gung beeinflußt oder durch ein Uhrwerk regelmäßige Unterbrechungen eines Dauertones bewirkt. In den so erhaltenen Abschnitten des Dauertones gibt es wieder Unterbrechungen, die durch den Zeitpunkt, zu welchem sie erfolgen, bestimmte, durch vorherige Eichung festgestellte Meßwerte melden.

Die Betriebssicherheit aller dieser Instrumente ist so groß, daß man in gleicher Weise, wie zwischen Bodenstationen, auch ein richtiges aerologisches Beobachtungsnetz von Radiosondenstationen einrichten kann.

Im heutigen synoptischen Wetterdienst gibt es neben der Boden Wetterkarte auch noch „Höhenwetterkarten", die auf Grund der Sondenmeldungen hergestellt werden. Neben der Klärung vieler Vorgänge in der Wetterentwicklung erlauben diese Karten ziemlich genaue Angaben über die Windrichtung und -Stärke in den verschiedenen Flöhen, aber auch genaue Daten für die auch heute noch gefährliche Vereisung der Flugzeuge. Schon vom -Standpunkt des Luftverkehrs aus machen sich also die Ausgaben für solche Einrichtungen bezahlt.

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