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Zu den Grenzen des Sonnensystems

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Eine günstige Konstellation der Planeten - sie wird sich erst in 176 Jahren wiederholen - sichert den Erfolg der „Swing-by"-Technik bei interplanetaren Flügen.

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Eine günstige Konstellation der Planeten - sie wird sich erst in 176 Jahren wiederholen - sichert den Erfolg der „Swing-by"-Technik bei interplanetaren Flügen.

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Das Planetensystem gliedert sich sehr markant in zwei stark unterschiedliche Typen von Großkörpern: Da sind einerseits die inneren oder terrestrischen Planeten Merkur, Venus, Erde und Mars, deren Erforschung im Rahmen der Weltraumfahrt auf 30 Jahre zurückreicht und die wir letztens ausführlich besprochen haben (FURCHE Nr. 48/1981). Auf der anderen Seite haben wir

die äußeren oder jovischen Planeten Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun und Pluto, die jetzt von unseren Raumsonden angeflogen werden.

In diesen äußeren Regionen der Planetenwelt herrscht eine schon fast nicht mehr vorstellbare Leere, und unerhörte Entfernungen sind zu überbrücken. Das Licht, das in 8,3 Minuten von der Sonne bis zur Erde fliegt, braucht zum Uranus rund zweieinhalb und zum Neptun bereits über vier Stunden. So ist es leicht erklärlich, daß unsere Raumsonden, die ja besonders energiesparende Bahnen einschlagen müssen, und keineswegs mit Lichtgeschwindigkeit vorankommen, jahre-und jahrzehntelang unterwegs sind, bis sie an den Zielplaneten vorbeifliegen.

Die Technik bedient sich des sogenannten „Swing by", um überhaupt in derartige Tiefen vorstoßen zu können. Wie etwa beim interplanetaren Flug zu Mars oder Venus, wo der Hauptimpuls von der Erdbahnbewegung (30 km pro Sekunde) kommt und nur ein kleiner Zusatzantrieb von der Rakete stammt, so benützt man in der Swing-by-Technik die Anziehungskraft der großen Planeten Jupiter und Saturn, um den Raumschiffen neue Impulse zum Weiterflug in Richtung Uranus und Neptun zu verschaffen.

Es ist wohl klar, daß dazu eine ganz bestimmte Konstellation der Planetenstellungen gegeben sein muß, die sich nur relativ selten wiederholt und ähnlich gute Bedingungen schafft. Die Situation, die 1977 so günstig für den Abschuß von zwei Voyager-Son-den war, wird sich erst in 176 Jahren wiederholen.

Nach monatelangem Flug durch die Trümmerwelt der Kleinplaneten erreichten die beiden Raumschiffe im Abstand von vier Monaten den Riesenplaneten Jupiter mit seinen Trabanten, die man fast als kleines Sonnensystem für sich bezeichnen könnte. Die Fülle der auf diesem Flug gemessenen Daten läßt sich hier in Kürze nicht beschreiben; allein die über 30.000 Aufnahmen, zum Teil in Farbe, geben ein faszinierendes neues Bild einer fremdartigen Welt, wie es durch irdische Fernrohrbeobachtungen nicht zu ahnen war.

Die dichte Jupiteratmosphäre aus Methan und Ammoniak, die den Durchblick auf den Boden verwehrt, ist von zahlreichen Wolkenbändern parallel zum Äquator durchzogen. In ihnen zeigt sich eine starke Zirkulation mit hohen Windgeschwindigkeiten und die zahlreichen weißen Flecke sowie der berühmte „Große rote Fleck" erweisen sich als gigantische antizyklonale Strömungen, haben also einen Drehsinn, wie die irdischen Hochdruckgebiete. Auch Blitze über der Wolkendecke und Polarlichter wurden beobachtet.

Die größten Überraschungen brachten Nahaufnahmen der Jupitermonde, vor allem der vier hellsten oder Galileischen Monde. In genau vorausberechneter Weise wurden die Raumschiffe in verschiedenen Einflugschneisen durch das System der Trabanten gelotst. Sie fotografierten z. B. acht aktive Vulkane mit bis über 300 Kilometer hohen Ausbrüchen auf dem innersten dieser Monde, Io, dessen Oberfläche mit Schwefelverbindungen bedeckt ist.

Saturnringe: Eis und Staub

Wieder anders ist der nächste Mond, Europa, der eine Unzahl von Rissen in einer vermutlich eisbedeckten Oberfläche aufweist. Der Trabant Ganymed zeigt sich mit Kratern übersät, und auch auf Callisto sieht man viele Krater und große uralte Ringstrukturen, die von Einsturzobjekten aus der Frühzeit Kunde geben.

Jupiter besitzt den elffachen Erddurchmesser und 320 mal die Masse der Erde. Er ist damit der dominierende Körper unter den Planeten und vermag noch ein rundes Dutzend weiterer Monde in seinem Bann zu halten. Auch ein dünner Ring wurde fotografiert. Das starke Magnetfeld des Jupiter und die damit zusammenhängenden Strahlungsgürtel sind schon länger bekannt, werden aber immer besser erforscht.

Der zweite Großplanet Saturn hat im vorigen Jahr Schlagzeilen gemacht, als nach der ersten auch die zweite Voyagersonde mit bestem Erfolg an ihm vorüber und

durch das System seiner Monde und Ringe zog. Der Saturnring, dieses „Wunder des Himmels", besteht nicht aus drei oder vier Teilen, wie man sie von der Erde aus gesehen hat; die Kameras enthüllten vielmehr, daß er in Wirklichkeit aus tausenden von schmalen Ringen zusammengesetzt ist, in denen Trümmer aus Eis und Staub den Planeten umkreisen.

Weitere neue Monde wurden entdeckt und die bekannten besser untersucht: Titan mit seiner Atmosphäre und Japetus, dessen eine Hälfte zehnmal heller als die andere, deren dunkler Boden an Asphalt erinnert, ist. Monde und Ringe scheinen in einem merkwürdigen himmelsmechanischen Zusammenhang zu stehen.

Nach diesen spektakulären Entdeckungen fliegt nun das Raumschiff Voyager 2 in Richtung der Planeten Uranus und Neptun, die es 1986 bzw. 1989 erreichen soll. Welche Überraschungen werden uns hier noch erwarten?

Bekannt ist: Auch Uranus, der sich auf einer fast in der Bahnebene liegenden Achse in seinem Weg um die Sonne fortwälzt, besitzt eine Reihe von Ringen, die man anläßlich von Sternbedek-kungen durch den Planeten gefunden hat. Fünf Monde sind bisher bekannt. Neptun mit seinen zwei Monden, sowie Pluto mit einem kürzlich gefundenen Mond dürften früher einmal ein gemeinsames System gebildet haben. Jedenfalls versucht man durch Rückrechnungen mit dem Computer festzustellen, wie es zum „Entlaufen" des Pluto gekommen sein könnte; derzeit steht dieser „sonnenfernste" Planet nämlich näher zur Sonne als Neptun.

Eine unschätzbar wertvolle Nachricht aus diesen weit entfernten Gebieten jenseits der Neptunbahn (knapp 6 Milliarden Kilometer) wird 1985/86 die Wiederkehr des Halley'schen Kometen bringen. Er wird zwar keine so prächtige Erscheinung wie im Jahre 1910 bieten, aber nicht weniger als drei Raumsonden werden zu seiner Erforschung abgeschickt.

Davon soll die europäische „Gi-otto"-Mission am nächsten kommen, möglicherweise sogar den Kometenkopf treffen und alle nur möglichen physikalischen Messungen machen an einer Materie, die aus der Frühzeit des Sonnensystems stammt und sich relativ unverändert bis heute erhalten hat.

Inzwischen aber sind zwei Raumschiffe vom Typ Pionier, die noch vor den Voyagers Jupiter und Saturn passiert haben, dabei, das Sonnensystem zu verlassen. Sie tragen auf goldenen Plaketten das Bild des Menschen und Symbole seiner Technik hinaus in den interstellaren Raum.

Univ.-Prof. Dr. Hermann Haupt ist Vorstand des Instituts für Astronomie der Universität Graz.

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