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Abschied vom Weltraum?

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Die Einschränkung der US-Weltraumforschung verzögert nicht nur die Erforschung unseres Sonnensystems - sie sichert auch den Russen einen Vorsprung auf diesem Gebiet.

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Die Einschränkung der US-Weltraumforschung verzögert nicht nur die Erforschung unseres Sonnensystems - sie sichert auch den Russen einen Vorsprung auf diesem Gebiet.

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Wäre der Anlaß nicht so ernst gewesen, man hätte es als Kabarettstück sehen können: Drei Tage lang hörten die Teilnehmer der 13. Lunar and Planetary Science Conference, des jährlichen Treffens der Mond- und Planetologie-f orscher, von drastischen Budgetkürzungen, Eliminierung von Forschungsprojekten, Einstellung von finanzieller Unterstützung.

Drei Tagelang konnten hunderte buchstäblich um ihre Zukunft bangende Wissenschaftler darüber nachdenken, ob Präsident Reagans einseitige Bevorzugung des Militärbudgets wirklich die geeignete Form sei, der angeblichen russischen Superiorität zu begegnen. Und am vierten Tag — kamen die Russen.

Aber es ging nicht um^militäri-sche, sondern um wissenschaftliche Überlegenheit Rußlands führende Geochemiker, V. L. Barsukov und J. A. Surkov, berichteten der internationalen Versammlung von den sensationellen Resultaten der Sonden Venera 13 und 14, die wenige Tage zuvor auf der Venus gelandet waren und erstaunlich präzise Analysen eines bis dahin auf unserem Schwesterplaneten nicht vermuteten Gesteinstyps zur Erde gefunkt hatten.

Verständlich, daß amerikanische Wissenschaftler unter allgemeinem Applaus den russischen Kollegen zu ihrem „erfolgreichen und konsequent durchgeführten” Weltraumprogramm gratulierten. Und Barsukov beendete seine Präsentation mit einem pointierten Aufruf zu Frieden und internationaler Zusammenarbeit.

Die Groteske zeigte drastisch, wie gefährlich der Trugschluß der gegenwärtigen US-Regierung ist, daß der Westen dem Osten nichts anderes entgegenzusetzen habe als militärische Aufrüstung. Und wenn der Kongreß nicht noch eine radikale Kursänderung beschließt werden einige der erfolgreichsten Programme der NASA (Stichwort, S. 2) eben dieser Einseitigkeit zum Opfer fallen, unter ihnen die gesamte Arbeit an Mondproben und die weitere Datenübermittlung der Voyager-Sonden. Das Laboratorium, in dem das Mondmaterial aufbewahrt wird, soll geschlossen und die Proben versiegelt werden.

Damit dürften in Kürze die russischen Proben das einzige der Wissenschaft zugängliche Material von unserem Satelliten sein. Und da die bisherigen Missionen die Vorderseite des Mondes nur zu einem geringen Teil und die Rückseite überhaupt nicht bepro-ben konnten, dürften weitere russische Mondlandungen nur eine Frage der Zeit sein.

Was hingegen die NASA unter dem gegenwärtigen politischen Klima planen ,,darf”, ist größtenteils die militärisch wichtige Weltraumfähre (Space Shuttle). Von den planetologischen Missionen überlebte nur das ehrgeizige Projekt Galileo, ein Flug zum Jupiter und dessen Monden, der voraussichtlich 1985 starten wird. Wenn man sich aber vor Augen hält,- daß die Voyager-Sonden, denen wir schüeßlich unser bisheriges Wissen über das Jupiter-System verdanken, aus rein finanziellen Gründen abgeschaltet werden sollen, muß man doch wohl besorgt sein, ob der wissenschaftlichen Auswertung der Galileo-

Mission ein ähnlicher Stellenwert zukommen wird wie ihrer zweifellos hohen Popularität.

Besonders unverständlich erscheint, daß die Erforschung des erdähnlichsten Planeten, der Venus, durch die Streichung des geplanten Radarsatelliten Voir praktisch eingestellt wurde, obwohl naturgemäß gerade dieses Projekt die unmittelbarsten Rückschlüsse auf die Erde versprochen hätte.

Verglichen mit dem Millionenheer der Arbeitslosen muß man sich vielleicht um die 400 bis 500 jungen Wissenschaftler, die nun aus der Mond- und Planetologie-forschung ausscheiden, keine Sorgen machen.

Was allerdings die Abschaffung einer gesamten wissenschaftlichen Disziplin kulturell bedeutet, wird man wohl erst in vielen Jahren klar erkennen können. Viel früher allerdings werden jene Spitzenwissenschaftler, die das Mondprogramm an die Universitäten gebunden hatte, und die jetzt in die Industrie abwandern, in der Ausbildung der kommenden Forschergeneration fehlen.

Der Autor ist Geologe an der Universität New Mexico (USA).

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