Kometenjagd und Mars-Attacke

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Die Europäische Weltraumbehörde ESA plant in naher Zukunft zahlreiche Expeditionen ins All

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Die Europäische Weltraumbehörde ESA plant in naher Zukunft zahlreiche Expeditionen ins All

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Das Wettrennen ist vorprogrammiert: Geht es nach den Wünschen der ESA, dann soll genau zu Weihnachten 2003 das Landefahrzeug Beagle 2 auf dem Mars seine ersten Runden drehen - knapp zwei Wochen, bevor ebendort ein Roboter der NASA landet. Der Eifer der ESA-Experten für die Mission Mars Express kommt nicht von ungefähr: Sie erwarten sich nichts weniger als eine Antwort auf die ewige Frage nach Wasser - und damit Leben - auf dem Mars. Im Gegensatz zu den Amerikanern, die mit Hilfe der Raumsonde Mariner-4 bereits 1965 erste sensationelle Daten über den Roten Planeten liefern konnten und nach zwei Pleiten mit Mars Odyssey 2001 nun eine neue Sonde auf die Suche nach den besten Landeplätzen schickten, bestreiten die Europäer ihren Jungfernflug zum Mars. Gestartet wird ab 23. Mai 2003 mit einer Sojus-Rakete im kasachischen Weltraumbahnhof Baikonur - je nach Wetter innerhalb eines Zeitfensters von vier Wochen.

Kosmisches Neuland Was den Beagle 2 nach sechsmonatiger Reise auf dem Nachbarplaneten erwartet, machen nicht zuletzt die jüngsten Aufnahmen des Weltraumteleskops "Hubble" von NASA und ESA deutlich: Sandstürme und Temperaturen bis zu minus 100 Grad Celsius. Bedingungen, welche die britischen Konstrukteure des Roboters vor enorme Herausforderungen stellen. "Der Beagle landet schließlich mit Fallschirmen und Airbags auf der Oberfläche," erklärt Rudolf Schmidt, gebürtiger Grazer und Projektleiter von Mars Express. Während also die Trägersonde den Planeten weiterhin in einem Orbit von 250 bis zu 11.550 Kilometern Höhe umrundet und mit Hilfe eines Radargeräts bis zu vier Kilometern unter der Marsoberfläche nach Eis und Wasser sucht, erkundet der Beagle seine Umgebung und schießt mit einer in Deutschland hergestellten Spezialkamera dreidimensionale Fotos. Ausgewertet werden die Aufnahmen übrigens von der Technischen Universität Wien sowie dem Joanneum Research in Graz.

Doch nicht nur Bilder, auch Gesteinsproben können neue Erkenntnisse über Leben auf dem Mars liefern: So klappt sich ein Greifarm des Beagle 2 aus und ein länglicher "Maulwurf" bohrt sich bis zu 1,5 Meter tief in den Boden. Noch vor Ort werden die Proben in einem Mini-Chemielabor analysiert. "Die dazu nötige Energie gewinnt der Roboter aus Solarzellen und wiederaufladbaren Batterien", erklärt Rudolf Schmidt. Ein Indiz für Wasser auf dem Mars sei auch die geologische Beschaffenheit der Nordhalbkugel: Im Unterschied zum gebirgigen Süden könnte im flachen Norden sogar ein Meer gewesen sein.

Die Erwartungen an die ESA-Mission sind groß, ist doch der Mars das einzige planetarische Ziel für bemannte Raumfähren - oder gar menschliche Kolonisation. Vergleichsweise gering sind dagegen die Kosten der Mars-Expedition für die ESA: Sie belaufen sich nach unterschiedlichen Angaben auf 164 bis 186 Millionen Euro. Ein Grund dafür ist auch der günstige Transport: Statt der teuren Ariane 5 kommt eine russische Sojus-Rakete zum Einsatz. "Die ist rund fünf Mal billiger", weiß Projektleiter Schmidt. Europaweit würden zudem rund 1.000 Arbeitsplätze durch Mars Express gesichert.

Die Ziele der europäischen Raumfahrtbehörde und ihrer 15 Mitgliedsstaaten reichen freilich über den Besuch des Roten Nachbarplaneten hinaus - und legen nicht selten die Kooperation mit der amerikanischen Konkurrenz nahe. So macht sich die europäische Sonde Huygens an Bord der NASA-Muttersonde Cassini seit 1997 auf den Weg zum Saturn. Nach einer siebenjährigen Reise durch das All, nach Vorbeiflügen an Venus, Erde und dem größten der Planeten, Jupiter, soll Huygens schließlich im Jahr 2004 mit 20.000 Kilometern pro Stunde in die orange Atmosphäre des Saturnmondes Titan eindringen und an einem Fallschirm an der Oberfläche landen. Die spektakuläre Mission ist nur der Beginn einer Vierjahresforschung an Saturn, seinen vier Ringen und Monden. Bis die Sonde nach ihrer langen Reise ans Ziel gelangt, wird sie alle sechs Monate vom Europäischen Raumflugkontrollzentrum ESOC in Darmstadt aus ihrem "Winterschlaf" geweckt.

Im Vergleich dazu erscheinen die Kometenjagden der ESA fast halsbrecherisch. Passierte Giotto bereits 1986 den Halleyschen Kometen, so heftet sich die Sonde Rosetta ab 2003 an die Fersen des Kometen Wirtanen und untersucht sein Verhalten bei der Annäherung an die Sonne. Das Unterfangen gleicht einer "Kamikaze-Aktion", erklärt der Projektleiter von Rosetta, Paolo Ferri: "Das Trägerraumschiff schwingt sich um den Mars und zweimal um die Erde, es nützt die Schwerkraft der Planeten um Energie zu gewinnen." Auch Vorbeiflüge an zwei Asteroiden sind geplant. Nach Jahren kommt es dann 2011 zum Rendezvous mit dem Kometen.

Hauptproblem der waghalsigen Mission ist die Energiegewinnung in einer Entfernung von 5,2 astronomischen Einheiten (AE) von der Sonne (1 AE entspricht dem Abstand von Erde und Sonne, rund 150 Millionen Kilometer). Da sich die ESA zum Verzicht auf Nuklear-Antrieb durchgerungen hat, sollen Solarpaneele mit der Gesamtlänge eines Fußballfeldes Abhilfe schaffen. Auch in dieser Expedition ist ein Produkt Österreichischer Forschung an Bord: Für das Raster-Kraft-Mikroskop zeichnet als Principal Investigator das Grazer Institut für Weltraumforschung verantwortlich.

Ursprung des Alls Ziel der Mission ist es, im Schweif des Kometen Grundbausteine der interstellaren Materie ("Sternenstaub") zu finden, erklärt Rudolf Schmidt. "Daraus soll einmal der ganze Weltraum entstanden sein." Der Name des Projekts wurde nicht zufällig gewählt, gelang doch am Stein "Rosetta" einst die Entzifferung der Hieroglyphen. Aufklärung über die Entstehung des Universums erwarten sich die Wissenschafter nicht nur vom Röntgenobservatorium XMM, einem Satelliten, der nach materieverschlingenden schwar-zen Löchern forscht. Spätestens 2007 soll das Weltraumobservatorium Herschel die Vorgänge bei der Geburt von Sternen einsichtig machen. Und von der Mission Planck erwartet man sich sogar Aufschlüsse über die Big-Bang-Theorie. Rudolf Schmidt stellt gar Großes in Aussicht: "Mit Planck kann man Gott auf die Finger schauen."

TV-Tipp: Die ORF-Serie "Universum" lädt am 12. und 19. Juli jeweils um 20 Uhr 15 auf ORF 2 zur "Reise ins All"

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