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Der vierte Akteur
Ich schreibe die vorliegenden Zeilen, während mein Blick sich immer wieder zum Fernsehschirm erhebt, auf dem Neil Armstrong und Edwin AI drin auf dem Mond zu sehen sind. Ich sehe sie in nahezu dem gleichen Augenblick (einmal trifft dieses Wort ganz zu), in dem die beiden Männer dort droben herumgehen und ihre Arbeiten verrichten. Ich sehe es, obwohl der Weg, auf dem mir das Geschehen zugetragen wird, dreimal so weit ist wie die Entfernung Erde— Weltraum: vom Mond zur Erde nach Houston, Texas; von dort in den Weltraum zurück, wo es von dem umherkreisenden Nachrichtensatelliten aufgefangen wird, um sodann wieder zur Erde sämtlichen Fernsehstationen zugesandt zu werden, deren eine — die österreichische — es mir auf meinen Fernsehschirm zaubert. So sind denn diese Zeilen nicht nur dem vielleicht größten Ereignis in der bisherigen Menschheitsgeschichte und seinen drei Helden gewidmet, sondern auch dem vierten Akteur, der uns er-
möglichte, es mitanzusehen, während es geschah: dem Femsehen. Man bedenke die völlige Einsamkeit und Isoliertheit, in der frühere Entdecker ihre Leistungen vollbrachten — angefangen von den phönikischen ersten Seefahrern über die Wikinger, Vasco, Kolumbus, bis zu Polarforschern wie Scott und Nansen. Die Kenntnis von ihren Leistungen ist uns zuerst nur durch Mythen und Legenden überliefert worden, späterhin durch mühselige archäologische Ausgrabungen und nachträgliche Rekonstruktionen. Selbst von zu Beginn dieses Jahrhunderts vollbrachten Entdeckungen haben wir nur etwa durch ein Tagebuch erfahren, das neben den erstarrten Leichen der Forscher in Eis und Schnee vergraben aufgefunden wurde. Und nun hat uns die Fernsehkamera ermöglicht, nicht nur die Mondfahrt
mitzuerleben, sondern auch den Aufenthalt der Astronauten auf dem Mond bis zu dem Augenblick um 6 Uhr morgens des 21. Juli, da sie sich wieder in ihre Landefähre zurückbegeben hatten, dem gleichen Augenblick, in dem ich darüber diese Zeilen zu Ende schreibe.
Das Erschütternde an dieser Zeugenschaft des Geschehens ist, daß all die 650 Millionen Menschen, die es mitansahen, nichts weiter als dies tun konnten. Keiner von ihnen kann den Astronauten helfen, wenn der Untergang über sie hereinbrechen würde. Soviel Aufklärung und Information uns die Bemerkungen der Kommentatoren der Fernsehübertragung des Ereignisses auch vermitteln mögen, kann man sie in ihrer praktischen Nüchternheit und Beschränkung zeitweise nicht anders als läppisch empfinden. Die Dramatik dieses Geschehens auszudrücken, während es sich vollzieht, bedürfte es eines ganz großen Dichters. So waren jene den sachlichen Verrichtungen und Beobachtungen gewidmeten Bemerkungen def Kommentatoren wahrscheinlich das einzig Mögliche im gegebenen Augenblick. Erstaunlich kompetent und versiert die Auskünfte des im Wiener Studio anwesenden österreichischen Experten, Dr. Pichler. Weniger augenscheinlich, weil uns bereits zu selbstverständlich, jedoch deshalb nicht weniger anerkennenswert, die Leistungen der Fernsehtechniker, vorerst natürlich der amerikanischen, jedoch auch der Österreicher: das Wunder von der dreimaligen Überbrückung der Entfernung vom Weltraum zur Erde. Die Astronauten haben auf dem Mond verschiedene wissenschaftliche Apaaraturen hinterlassen, durch die der ehdem tote Planet an das Denken irdischer Gehirne angeschlossen wurde. Es verblieben auch verschiedene Trophäen und Symbole des Erdvolks, eine Fahne der USA, Porträtmedaillen der bei den Vorbereitungen zur Mondfahrt umgekommenen Astronauten. Vom Fernsehen wurde ein Monument seiner selbst zurückgelassen: die Kamera, welche sämtliche Vorgänge auf dem Mond vom Anfang bis zum Ende, ohne weiteres menschliches Hinzutun, automatisch aufgenommen und treulich einer dankbaren Erde weitervermittelt hat.
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