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Wie ist eigentlich dieses Fortleben nach dem Tod?

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„Man geht durch einen langen Gang, der dunkel ist. Man ist völlig allein. Am Ende des Ganges erreicht man einen matt erleuchteten Raum, in dem sich eine Unmenge von Schatten bewegt: Das Reich der Schatten!“ Diese Schilderung, die fast modern klingen mag, ist etwa 2000 Jahre alt und umschreibt die Vorstellung des isrealitischen Volkes vom Scheol-Reich, in das die Toten eingingen. Die heutigen Schilderungen klingen etwas froher: keine Angst mehr, man fliegt, alles ist Harmonie, bunt und voller Musik. Alles ist „superschön“.

700 Teilnehmer am VII. Internationalen Kongreß der Gesellschaft für Grenzgebiete der Wissenschaft „Imago mundi“ in Innsbruck waren fünf Tage lang aufmerksame Zuhörer der Schilderungen von 25 Referenten über das Jenseits und über die Frage des Hereinragens dieses Jenseits in diese Welt. Heftige Diskussionen und Nachfragen täuschten aber nicht darüber hinweg, daß man am Ende des Kongresses nicht mehr wußte als vorher. Die Teilnehmer erwarteten sich einen Blick durch die Hintertür des Himmels, die Veranstalter die Geburt einer neuen Wissenschaft, der Thanatologie, der Lehre vom Tod.

Da wurden die Aussagen von Sterbenden in ihren letzten Minuten preisgegeben, da wurden Tonbänder mit Stimmen aus dem Reich des Todes angepriesen und dann doch nicht vorgespielt, und da gab es metaphysische, Akrobatik“ zum Thema „Tor zur Unsterblichkeit“. Man stritt sich hier oder dort, ob auch der Teufel sich hier oder dort gemeldet habe, und man hörte sich geduldig eine Stunde lang die verschiedenen Situationen zum Thema „Geistersehen“ an. Aber die Frage, ob es aus dem Jenseits nun wirklich Kontakte in das Diesseits gibt, blieb der privaten Diskussion überlassen.

Sieht man davon .ab, daß der Mensch, als Mensch geachtet und respektiert bis in die letzten Minuten seines Lebens, sterben dürfen sollte und nicht jemand neben sich haben möchte, der jedes Wort zwecks Forschung mitstenographiert, so bleibt doch die Frage, ob denn solche Aufzeichnungen wirklich etwas nützen? Kann die Vision eines Sterbenden, und in diesem Sinne noch nicht Toten, wirklich genutzt werden, um unser Bedürfnis zu stillen, nun auch über das Letzte des Menschen, über das er nicht verfügen kann, über das „Fortleben nach dem Tode“, etwas zu erfahren?

Jedem Mediziner ist bekannt, daß der Körper in Streß und Angstsituation (wie es der Tod ist) Stoffe

abgibt, die durch Halluzinationen die Angst zu verringern suchen. Und die „klinisch Toten“ - sind sie denn wirklich tot? Muß nicht differenziert werden, was nun eigentlich „tot“ ist: Herzstillstand, während die Gehirnströme noch intakt sind, oder erst beim Aussetzen der Gehirnströme? Diese Fragen blieben in Innsbruck unbeantwortet, wie überhaupt die kritische Gegenseite nicht zu Wort kam.

Aber auch dem unbeteiligten Beobachter fiel auf, daß das, was hier als „wissenschaftliche Analyse“ angekündigt wurde, dem gebräuchlichen Wissenschaftsbegriff sicherlich nicht standhalten konnte.

Es genügt nicht, die Anzahl von Visionen in einem Diagramm darzustellen. Wissenschaftlichkeit heißt: kritisches Hinterfragen, analysieren, Kontrollmöglichkeiten haben, Wiederholbarkeit des „Experimentes“.

Die Beiträge zur Thanatologie konnten auch nichts Neues enthüllen, denn daß die Seele unsterblich ist, nahmen, wie gezeigt, schon vor Jahrtausenden die Menschen an. Die Exkurse auf Goethe und Schiller blieben zwar interessant, besagen jedoch keine Beweiskraft.

Einflüsse aus dem Jenseits und Diesseits? Sicherlich, aber dazu bedarf es wieder der Erzählung von der Stimme eines Verstorbenen, die dem Referenten einen Ratschlag zum Neukauf eines Tonbandgerätes gab. Dazu braucht man nur auf die Lebensgeschichte von Menschen unserer Tage wie Roger Schutz oder Mutter Teresa zu blik-ken, um zu wissen, daß hier Werke vollbracht werden, die mit menschlichen Kategorien allein nicht zu erklären sind.

Begonnen hat diese „Welle“ mit dem Buch von Dr. Elisabeth Kueb-ler-Ross „Interviews mit Sterbenden“, die eine Handreichung geben wollte für den seelsorglichen Umgang mit dem Menschen* cd er. <vaor seinem Tod steht. Dr. Raymund Moody griff nach nur 50 Interviews zur Feder, um ein Buch zu schreiben, und der Nächste wird der amerikanische Parapsychologe Dr. Kar-Iis Osis sein, der sein Buch „Der Tod - Ein neuer Anfang“ in Kürze publizieren wird. Es ist nicht schwer zu vermuten, daß auch dieses Buch reißenden Absatz finden, aber letztlich dem Streben der Öffentlichkeit nicht die gewünschte Informationen bringen wird.

Alle Philosophie und Rhetorik in glanzvollen Reden in Innsbruck mußten doch vor dem Geheimnis dieser Grenze des Menschseins verstummen, wo Gott das Schicksal der Menschen in die Hand nimmt. Nachdem jahrhundertelang die Philosophie und die Theologie versuchten, Gott zu „beweisen“, und beide damit scheiterten, versucht nun die Thanatologie den Griff nach Gott. Es ist nicht schwer zu vermuten, daß auch dieser Griff ins Leere gehen wird und man sich wieder damit begnügen muß, die Dinge, deren wissenschaftliche „Klärung“ man so gerne proklamieren möchte, als unerklärlich stehen zu lassen.

Fast peinlich wirkten die Fragen, die an den ehemals klinisch toten Züricher Architekten Stefan Jan-, kovich nach seinem Bericht gestellt wurden, als er erzählt hatte, er selbst habe „in absoluter Liebe“ sein Leben richten müssen und die negativen Seiten seines Lebens seien „ausgeblendet“ worden. Ob er den Eindruck gehabt habe, man könne hier unten alles tun, er werde ohnehin später „ausgeblendet“? Ob er denn auch Gott oder ähnlichen Wesen begegnet sei und wie es ausgesehen habe?

Schon einmal griffen die Menschen nach Gott, als sie einen Turm bauten - in Babel. Schon einmal zerstörte er diese Hoffnungen der Menschen, ihn in den Griff zu bekommen. Was nach dem Kongreß bleibt, ist nicht neu, ist seit 2000 Jahren gültig: Die Botschaft Jesu!

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