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Demonstrieren — resignieren?

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Die Bauern sind unzufrieden, ja verbittert und in wachsender Anzahl zu nachdrücklichen Schritten entschlossen, falls die Erfüllung ihrer seit langem angemeldeten dringenden Wünsche weiter auf die lange Bank geschoben werden sollte. Niemand mehr kann sich gegenüber dieser Tatsache taub stellen, sie verlangt in den letzten Wochen und Monaten immer eindringlicher nach Gehör. Nicht nur in Österreich und nicht nur in Frankreich — wo die gesamte Öffentlichkeit bereits sehr fühlbar auf die unhaltbare Situation in der Landwirtschaft aufmerksam gemacht wurde —, auch in Deutschland und in der Schweiz, in Italien und in Dänemark und in vielen weiteren Staaten der freien Welt, ih denen die Bauernschaft immer mehr in den Schatten einer allgemeinen wirtschaftlichen Hochkonjunktur gedrängt wird. Das Wissen um diese Situation ist den 80 und mehr Prozent Nahrungsmittelkonsumenten unbequem, und in der Angst, sich unpopulär zu machen, überläßt man alle Aufklärungsarbeit darüber der Bauernvertretung, die es aber natürlich besonders schwer hat, bei der Masse der Verbraucher ein geneigtes Ohr zu finden.

Von der Wissenschaft nicht zur Kenntnis genommen

Es hat auch weithin den Anschein, daß selbst Nationalökonomen und Soziologen noch immer wie gebannt ihr volles Interesse ausschließlich auf den Entwicklungsprozeß der gewerblich-industriellen Welt konzentrieren. Die gewaltigen ökonomischen und soziologischen Umwälzungen im ländlich-bäuerlichen Bereich werden — man kann sich dieses Eindruckes nicht erwehren — von der Wissenschaft entweder nicht zur Kenntnis genommen oder so einseitig aus städtisch-industriellem Gesichtswinkel gesehen, daß der starken Eigengesetzlichkeit, die schon im landwirtschaftlichen Produktionsablauf begründet liegt, niemals entsprechend Rechnung getragen wird. Immerhin aber schein man sichf wenigstens in der einen Meinung ziemlich einig zu sein, daß der bäuerliche Familienbetrieb die gesündeste und nachhaltigste Form der Bodenbewirtschaftung darstellt und sowohl aus Wirtschafts- als auch aus gesellschaftspolitischen Gründen höchste Förderung verdient. Der Politik bleibt die schwierige Aufgabe, aus dieser Erkenntnis die praktischen Konsequenzen zu ziehen, wobei naturgemäß Partei- und wahltaktische Rücksichten, auf die bereits hingedeutet wurde, die Entscheidungen wesentlich erschweren.

Daß es sich bei den Schwierigkeiten, mit denen die Landwirtschaft im Industriezeitalter zu kämpfen hat, um weltweite Erscheinungen handelt, nimmt dem einzelnen Staat und seiner Gesellschaft nicht die Verantwortung dafür ab, nach einer eigenen befriedigenden Lösung dieser Fragen zu suchen. Gute und weniger gute Beispiele gibt es dafür zur Genüge. Sie spielen auch im Rahmen der wirtschaftlichen Integrationsbestrebungen eine große Rolle. Als Utopist gilt allerdings bedauerlicherweise noch immer, wer es wagt, die besonders schwer zu lösende Überschußfrage, mit der die moderne Landwirtschaft in allen fortschrittlichen Industriestaaten in zunehmendem Maße zu kämpfen hat, mit der Tatsache in Verbindung zu bringen, daß gleichzeitig noch immer zwei Drittel der Menschheit Hunger leiden und dringend benötigte Nahrungsmittel entbehren müssen.

Es ist das große, gar nicht genug zu würdigende Verdienst des gegenwärtigen Papstes, Johannes XXIIL, in einem breiten Abschnitt seiner Sozialenzyklika alle Welt auf die gefährliche Situation der Landwirtschaft hingewiesen zu haben. Darüber hinaus ließ es der Papst nicht mit dem Hinweis bewenden, sondern gab sehr konkrete, bis ins Detail gehende Richtlinien zur Behebung der Krise, die zweifellos von weltweiter Gültigkeit sind und deren Durchführung den Staaten mit allem Nachdruck emp.-hllfn wird. *,.

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