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Wir fördern Fehlinvestionen

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In einem früheren Artikel wurde bereits darauf hingewiesen, welche

Funktionen ein modernes Steuersystem zu erfüllen hat, und dargelegt, daß unser derzeitiges, auf der reichsdeut- schen Konzeption beruhendes Steuersystem Wettbewerbs- und leistungs

feindlich ist. Dies konnte an Hand einiger allbekannter Tatsachen leicht bewiesen werden.

Dies ist aber nicht der einzige

wesentliche Mangel. Es gibt fast noch schwerwiegendere.

Eine fundamentale Notwendigkeit

der freien Wirtschaft ist der

Kapitalmarkt und die Investitionstätigkeit,

und eine der wichtigsten Funktionen eines Steuersystems der freien Marktwirtschaft ist es, die Bildung und Entwicklung eines wirklichen Kapitalmarktes zu fördern und die Investitionstätigkeit in volkswirtschaftlich .richtiger Weise zu entwickeln und zu lenkeni •

Wird unsere’ Steuersystem "dieser Forderung gerecht? Bei einer oberflächlichen Betrachtung könnte man dazu gelangen, diese Frage zu bejahen. Tatsächlich bot die Bewertungsfreiheit und die Investitionsbegünstigung fast allen Betrieben die Möglichkeit, die Nachkriegsschwierigkeiten leichter zu meistern, die Kriegsschäden rascher zu überwinden und die Eigenfinanzierung

zu erleichtern, während die Steuerbegünstigungen für bestimmte öffentliche Anleihen den Kapitalmarkt belebten.

Eine etwas eingehendere Betrachtung

zeigt aber leider ein weit ungünstigeres Bild, da die ursprünglich vorhandenen Tendenzen nicht weiter verfolgt wurden und teilweise sogar wieder rückgängig gemacht werden sollen. Tatsächlich ist der Kapitalmarkt noch weit unterentwickelt und recht einseitig auf Staatspapiere beschränkt,

während die Kapitalbeschaffungsmöglichkeit für Privatbetriebe fast ausschließlich auf der Kreditgewährung der Banken beruht. Schuld daran trägt vor allem die steuerliche Diskrimi-

nierung der Aktie und die übermäßige Ausstattung der öffentlichen Anleihen, die eine private Anleihetätigkeit mit Obligationen usw. fast unmöglich macht.

Viel bedrohlicher ist jedoch nocJ die Entwicklung der Investitionstätigkeit. Zweifellos wird gegenwärtig nocl sehr viel investiert. Die derzeitig« Form der Investitionsbegünstigung ha aber nun ergeben, daß vor allem ertragreiche Unternehmungen oft zi Investitionen gezwungen werden, die volkswirtschaftlich nicht vertretbai sind und sogar erhebliche Gefahrer heraufbeschwören können.

Das Kriterium der volkswirtschaftlichen Produktivität

Volkswirtschaftlich interessant sine nur Investitionen, die eine optimal« Produktivitätssteigerung ermöglichen das heißt eine maximale Zuwachsrat« des Nettonationalprodukts ermöglichen. Jeder Techniker oder Betriebs wirt, der sich mit Rentabilitätsberech nungen von Investitionen befaßt weiß, daß unter gegebenen Voraus Setzungen die „Investition der größter Rentabilität“ weit unter der „Investition des größten Nettoertrages“ liegt Anders ausgedrückt heißt dies, dal von einer bestimmten Investitionshöh« an die Rentabilität der zusätzlicher Investitionen sinkt und jeder zusätzlich investierte Schilling daher nui noch einen kleineren Ertragszuwachi hervorbringen kann.

Eine erhebliche Zahl ertrags- unc kapitalstarker Unternehmungen is nun infolge der derzeitigen Investitionsbegünstigung gezwungen, Investitionen durchzuführen, die bereits ein« geringere Rentabilität abwerfen, ab bei Anlage dieser Geldmittel in anderen Betrieben, auf dem Umweg über einen funktionierenden Kapitalmarkt erzielbar wäre, da bei den Eigeninvestitionen die Summe aus „Rentabilität der Zusatzinvestition plus Steuereinsparung durch Investitionsbegünstigung“ größer ist als der Ertrag einer Investition gleichen Wertes in einem Fremdbetrieb ohne Steuerbegünstigung. Es werden also Investitionen begünstigt, die betriebswirtschaftlich über der Investition der größten Rentabilität liegen, während ertrags- und kapitalschwächere Betriebe diesen Kulminationspunkt noch nicht erreichen konnten, also noch Investitionsmöglichkeiten mit einem größeren Ertragszuwachs pro investierten Schilling bieten würden.

In der Praxis wirkt sich diese etwas theoretische Überlegung so aus, daß sehr viele kapitalstarke Betriebe, ja in einzelnen Fällen ganze Branchen, mit Hilfe von Steuerersparnissen überinvestiert wurden, während andere Betriebe und andere Branchen ihren wünschenswerten und möglichen Produktivitätsgrad aus Geldmangel noch nicht erreichen konnten.

Steuergelder für Fehlinvestitionen

Jede Investition, die unter gegebenen Bedingungen als Überinvestition zu betrachten ist, stellt aber eine Fehlinvestition dar, und unsere Wirtschaft kann es sich nicht leisten, Investitionen durchzuführen, die keinen Optimalertrag bringen. Anderseits stellen überinvestierte Betriebe volkswirtschaftlich eine erhebliche Gefahr dar, weil sie wegen der überhöhten Amortisation eine unelastische Kostenstruktur aufweisen und außerdem krisenempfindlicher sind. Es läßt sich mathematisch leicht nachweisen, daß die „Investition der größten Krisensicherheit“ identisch ist mit der In-

vestition der größten Rentabilität, und daß daher jede Überinvestition eine Erhöhung der Krisenempfindlichkeit bewirkt’.

Gleiche Bedingungen für Kapitalanlagen

Das derzeitige System der Investi- tionsbegünstigung hat also sicherlich während einer bestimmten Periode Vorteile gebracht, aber in der gegenwärtigen Situation erweist es sich als gefährlich, da es ausgesprochene Fehlinvestitionen begünstigt.

Es ist eine alte Binsenwahrheit, daß sich das anlagesuchende Kapital stets der. Weg zur rentabelsten Investition sucht, die im allgemeinen, von einigen Ausnahmen abgesehen, auch die Investition der größten volkswirtschaftlichen Produktivität ist — aber nur dann, wenn es davon nicht abgehalten wird.

Es dürfte also im wesentlichen genügen, für alle Kapitalanlagen gleiche Bedingungen zu schaffen, wobei noch immer genügend Spielraum für Begünstigungen besonders wichtiger Investitionen gelassen werden kann. Die allgemeine Investitionsbegünstigung für Eigeninvestitionen müßte radikal beseitigt werden, wobei gleichzeitig die nicht entnommenen Gewinne in gleichem Ausmaß steuerlich zu begünstigen wären, um rentable Eigeninvestitionen zu ermöglichen.

ln gleichem Ausmaß müßten Investitionen in Fremdbetrieben steuerlich begünstigt werden, wobei eine gezielte Investitionsbegünstigung, wie etwa in der Deutschen Bundesrepublik, durchaus denkbar wäre. Im Rahmen einer derartigen Investitionspolitik könnten Investitionen in besonders wichtigen Branchen und Gebieten besonders gefördert werden.

Zusammenfassend müßten also folgende Maßnahmen vorgesehen werden:

• Aufhebung der allgemeinen Investitionsbegünstigung,

• steuerliche Begünstigung der nicht entnommenen Gewinne,

• Einführung einer gezielten Investitionsbegünstigung,

• Beendigung der steuerlichen Diskriminierung der Aktie,

• allgemeine Investitionsbegünstigung in Fremdbetrieben.

In einem abschließenden Artikel werden wir uns mit den fiskalischen Auswirkungen der geforderten Maßnahmen und den Möglichkeiten einer aktiven steuerlichen Konjunkturpolitik auseinandersetzen.

Unseren Lesern, die sich für diese Zusammenhänge näher interessieren, empfehlen wir das Werk „Die Rentabilität industrieller Anschaffungen“ von Oberbaurat Dipl.-Ing. Gerbel, Springer-Verlag, Wien.

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