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Selektion wird Trumpf

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Die Wiener Börse war heuer die Sensation auf den internationalen Aktienmärkten. Wer richtig schaltete, konnte enorme Gewinne machen. Was können Anleger in Zukunft erwarten?

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Die Wiener Börse war heuer die Sensation auf den internationalen Aktienmärkten. Wer richtig schaltete, konnte enorme Gewinne machen. Was können Anleger in Zukunft erwarten?

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Von vielen belächelt und sogar zum Teil als „Grenzdorf im Wald-viertel“ verspottet, gab die Wiener Börse im heurigen Jahr ein kräftiges Lebenszeichen von sich (vgl. FURCHE 10 und 17/1985). Der österreichische Aktienmarkt, der als kleinste nationale Börse der Welt noch 1984 einen Jahresumsatz hatte, der einem mittleren Tagesumsatz in IBM-Aktien an der New Yorker Börse entspricht. konnte heuer sein Kursniveau mehr als verdoppeln und die Umsätze fast versechsfachen. Maßgeblich für das gesteigerte Anlegerinteresse war in erster Linie die zunehmende Nachfrage ausländischer Investoren, aber auch inländische Aktienkäufer zeigten zunehmendes Interesse.

Auslösend für den Börsenboom war zweifellos das Abgabenänderungsgesetz 1985 (und zuvor dessen Ankündigung), das neben der Linderung der Doppelbesteuerung für Dividenden auch die Förderung des Erwerbs .junger“ Aktien durch den Fiskus vorsieht. Unter jungen Aktien werden dabei Dividendenpapiere aus Kapitalerhöhungen verstanden, wobei der dem Unternehmen zufließende Ertrag (also der Kaufpreis dieser Aktien) als Sonderausgabe bis zu 40.000 Schilling pro Person und

Jahr geltend gemacht werden kann.

Berechtigt zur Begebung derartiger junger Aktien sind aber lediglich Unternehmen, die „körperliche Wirtschaftsgüter produzieren“. Dieser Begriff wird voraussichtlich eine recht weite Fassung durch das Finanzministerium erhalten (so zählt auch „Software“ dazu). Dienstleistungsunternehmen (Hotels, Schilifte, Banken, Versicherungen) werden von dieser Regelung ausgeschlossen bleiben, Holding-Gesellschaften (Unternehmen, welche sich mit der geschäftsleitenden Verwaltung ihrer Beteiligungen beschäftigen) sind nur dann zur Ausgabe steuerbegünstigter junger Aktien berechtigt, wenn deren Beteiligungsgesellschaften sich mit der Produktion körperlicher Wirtschaftsgüter beschäftigen.

Österreich ist nicht das erste Land, das derartige Steuerbegünstigungen für den Aktienerwerb einführt. Zuvor schon ist die Risikokapitalaufbringung in Frankreich, Belgien, Schweden und in anderen Ländern Europas gefördert worden. In all diesen Staaten nahm der Risikokapitalmarkt einen deutlichen Aufschwung, was sowohl am Kursniveau und am Aktienumsatz als auch an der Menge aufgebrachten Kapitals durch Kapitalerhöhungen und Neueinführungen an der Börse festzustellen war. Der Schluß lag also vor allem für ausländische

Anleger nahe, daß ähnliches in Österreich auch passieren würde, sollten die Aktien steuerlich besser gestellt werden, Die 1985 feststellbare Aktienhausse war somit zum Teil auch ein Vorgriff auf die nunmehr beschlossenen steuerlichen Maßnahmen.

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Wesentlich für den Aktienmarkt waren allerdings auch die Ertragsverbesserungen der börsennotierten Unternehmen. Wiewohl es nicht für alle Unternehmen gleichermaßen zutrifft, konnten die Gewinne der börsennotierten Gesellschaften 1984 spürbar gesteigert werden, und auch für 1985 und 1986 bestehen weiter relativ gute Aussichten. Da nun die Aktie eine Beteiligung am Geschick eines Unternehmens darstellt und der Ertrag des Aktionärs durch den anteiligen Gewinn des Unternehmens verkörpert wird, steigen die Aktienkurse, wenn ein Unternehmen höhere Gewinne macht. Daraus ergibt sich auch, daß Gewinn erzielende Betriebe auch an der Börse günstiger abschneiden werden als Verlustunternehmen. Besieht man sich etwa die Liste der zehn besten und zehn schlechtesten Aktien des heurigen Jahres, so wird man unter den zehn besten Aktien nur solche Unternehmen finden, welche Gewinne machen und Dividenden abwerfen; unter den zehn schlechtesten hingegen gibt es nur Verlustunternehmen ohne Dividende.

Daneben war sicher auch die nicht ungünstige Gesamtverfassung der österreichischen Wirtschaft (Wachstum über dem OECD-Durchschnitt, niedrige Inflationsrate) sowie der stabile Schilling für ausländische Anleger ein Anreiz zum Engagement am Wiener Aktienmarkt. Zahlreiche Berichte in in- und ausländischen Medien sowi^ die Marktenge trugen ebenfalls zum Kursanstieg bei, ebenso der Aspekt, daß in den Jahren zuvor der österreichische Aktienmarkt kaum Steigerungen zu verzeichnen hatte.

Wie können nun die weiteren Aussichten am Aktienmarkt beschrieben werden? Man kann davon ausgehen, daß die Aktienförderung für anhaltendes Interesse in einheimischen Dividendenpapieren seitens inländischer Anleger sorgen dürfte, werden diese doch an der Ausnützung der steuerlichen Möglichkeiten interessiert sein.

Für ausländische Anleger verbleiben die Kombination einer harten Währung, einer im internationalen Vergleich trotz einiger Probleme recht positiven Wirtschaftsentwicklung und die Aktienförderung weiterhin als Kaufargumente. Dem steht allerdings gegenüber, daß das Kurs/Gewinn-Verhältnis, also die Relation zwischen dem Preis und der Ertragskraft einer Aktie, mit zirka 30 im internationalen Vergleich außergewöhnlich hoch ist. Die österreichischen Aktien werden daher von manchen Anlageberatern als gesamthaft bereits „zu teuer“ angesehen.

Das gesamte Szenario deutet darauf hin, daß noch punktuelle Kurssteigerungen durchaus möglich sind, aber Selektion der Aktien Trumpf sein wird.

Der Autor ist Finanzanalyst der Girozentrale in Wien.

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