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Aktien nicht hoffähig

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Die Wiener Aktienbörse macht nur von sich reden, wenn ausländische Werte aus Prestigegründen in den Kurszettel aufgenommen werden (wie jetzt BMW) oder eine der wenigen verbliebenen österreichischen

Aktiengesellschaften gestrichen zu werden droht (wie jetzt Semperit). Zwischen derartigen „Ereignissen“ verharrt die Aktienbörse in vornehmer Ruhe - und zwar nicht nur publizistisch. Alle Versuche, ihr Leben einzuhauchen, sind bislang kläglich gescheitert.

Das liegt zum einen an der Enge des Marktes, zum anderen an der Einstellung hierzu-

lande gegenüber Begriffen wie Aktie und Dividende (wobei die Marktenge vermutlich auch eine Folge der Einstellung ist): Das Sicherheitsdenken beherrscht jedwede Szene, wer glaubhaft mehr Sicherheit versprechen kann,

hat auch schon den ersten großen Schritt in Richtung Wahlsieg getan. Risiko akzeptiert man höchstens passiv bei Ski- und Autorennfahrer (dort darf es auch abgegolten werden!), nicht aber beim eigenen Geld. In einem

Land, wo die Sparförderung in erster Linie dem 08/15-Sparbuch gilt; wo selbst bei den festverzinslichen Wertpapieren die Kurspflege zur Kursgarantie entartet; wo bei der Erhöhung des Kapitalmarktzinsfußes das Absak-

ken der Kurse auf dem Sekundärmarkt (dem Markt für bereits begebene Wertpapiere) durch eine Bonifizierung verhindert wird, dort kann Risikokapital ganz einfach nicht hoffähig sein.

Jens Tschebull schrieb kürzlich, die „Onedin-Linie“ wäre die beste Wirtschaftssendung des Fernsehens. Hinzuzufügen wäre, daß all das, was Käpten Onedin auszeichnet und zum Filmhelden macht - Spekulation und

Risikobereitschaft -, in der österreichischen Realität verpönt ist.

Durch die Übernahme von Risiko in kurzer Zeit viel Geld zu verdienen, billigt man vielleicht noch dem Flugunternehmer Niki Lauda zu. Beim Aktionär Meier oder Schulz ist es suspekt. Aktien sind anrüchig, hohe

Dividenden werden selten einem überdurchschnittlich tüchtigen Management, gerne aber einer Übervorteilung der Konsumenten zugeschrieben. Dividenden haben den Geruch des unverdienten Einkommens

(„Sofakapitalismus“), auch wenn sie niedriger als Sparbuchzinsen sind.

Dieser Einstellung trägt auch unsere Steuergesetzgebung Rechnung: Obwohl unerläßlich für die Bereitschaft, Risikokapital zur Verfügung zu stellen, wird der ausgeschüttete Gewinn höher besteuert als der im

Unternehmen verbliebene.

Man sollte Aktien mehr von der sportlichen als von der moralischen Seite sehen. Mit Aktien zu spekulieren ist genauso moralisch oder unmoralisch wie im Casino zu spielen oder auf Pferde zu setzen. Nur volkswirtschaftlich ungleich wertvoller.

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