Börse: heiß lieben, kalt behandeln

Werbung
Werbung
Werbung

"Kaufen, wenn die Kanonen donnern!" lautet die legendäre Rothschild-Empfehlung. Ob dieser Rat heute noch gilt, und vor allem ob es ethisch vertretbare Kaufoptionen neben der Rüstungsindustrie gibt - darum geht es unter anderem in diesem furche-Dossier, das sich dem Thema Börse und Geldanlage in Kriegszeiten widmet.

Viele lieben die Börse, noch mehr verachten sie, aber gleichgültig lässt sie fast niemanden. Für die einen ist sie der Platz, wo die hässliche Fratze des Kapitalismus am deutlichsten sichtbar wird, etwa dann, wenn Meldungen über Entlassungen die Aktienkurse in die Höhe treiben. Für andere wieder ist sie der ideale Markt, wo Angebot und Nachfrage ungestört zusammentreffen können und keine staatlichen Eingriffe das Ergebnis dieses Austauschprozesses verzerren. Und schließlich ist die Börse für manche einfach eine andere Erscheinungsform des Casinos, wo es zwar um mehr Geld geht, aber wo das Spielen weniger Spaß macht.

Aber schon der berühmte Spekulant André Kostolany wusste, dass man die Börse heiß lieben, aber kalt behandeln soll. Das ist zwar leicht gesagt, doch angesichts der jüngsten Ereignisse in den USA und des seit nunmehr eineinhalb Jahre andauernden Kursverfalls fragen sich viele Anleger: Ist es vernünftig, in Aktien zu investieren? Die kurze Antwort darauf lautet: Ja. Für die Begründung muss man allerdings weiter ausholen.

Beginnen wir bei der Börse selbst. Das mit dem idealen Markt ist natürlich ein Trugschluss, an kaum einem anderen Ort geht es so irrational zu wie an der Börse. Dort wird zwar mit Wertpapieren gehandelt, doch tatsächlich geht es um Informationen und Erwartungen. Aber Informationen sind nicht gleich verteilt, manche Marktteilnehmer wissen mehr als andere, dessen sollten sich vor allem Privatanleger bewusst sein. Zudem ist viel Unsicherheit im Spiel. Die Anleger interessiert nicht, wieviel Gewinn ein Unternehmen in der Vergangenheit gemacht hat, sondern wie es sich in Zukunft entwickeln wird. Darüber gibt es aber nur Annahmen. Werden sie übertroffen, steigt der Kurs. Kommen die Ergebnisse, selbst wenn sie gut sind, unter den Erwartungen zu liegen, fällt der Kurs. Mit Logik hat das manchmal wenig zu tun, aber da die Börsen von Menschen bestimmt werden, spielen Emotionen nun einmal eine große Rolle.

Nehmen wir die aktuelle Situation. Dass viele Aktionäre jetzt in Panik geraten, ist zwar verständlich, aber in den meisten Fällen unbegründet. Kritisch wird es bekanntlich erst, wenn Verluste realisiert werden, sprich, wenn man gezwungen ist, zu einem Kurs zu verkaufen, der tiefer liegt, als jener zu dem man gekauft hat. Wer jetzt nicht verkaufen muss, weil er das Geld nicht braucht, dem passiert also gar nichts. Grund zur Panik hat nur der, der seine Aktien mit einem Kredit finanziert hat. Vor Aktienkauf auf Pump kann man aber nur warnen. Und spekulieren sollte man überhaupt nur mit Geld, auf das man notfalls auch verzichten kann. Offenbar tun Anlegern aber auch nicht realisierte Verluste weh. Das umgekehrte Phänomen gibt es übrigens auch. Vielfach werden Gewinne zu spät lukriert, aus Angst, mögliche Kursgewinne zu verschenken. Was Menschen dabei treibt, ist schlicht und einfach die Gier. Aber weder Angst noch Gier sind an der Börse gute Ratgeber.

Das führt uns zu einem anderen vielbeachteten Punkt an der Börse, dem Timing. Die Frage, wann es richtig ist, einzusteigen oder seine Aktien wieder auf den Markt zu werfen, beschäftigt alle. Die einzig ehrliche Antwort lautet: den richtigen Zeitpunkt gibt es nicht. Auch für Profis ist es unmöglich, immer den Tiefstkurs für den Einstieg zu erwischen, genauso wie die Wahrscheinlichkeit, genau am Höhepunkt auszusteigen, praktisch Null ist. Aktienanleger sollten es daher gar nicht erst versuchen und die Ratschläge so genannter Timing-Experten getrost vergessen.

Damit sind wir beim Unterschied zwischen Spekulanten und Investoren. Während der Anleger Aktien kauft, den Depotauszug in die Lade legt und nur ab und zu einen Blick auf den Kurszettel wirft, geht es dem Spekulanten darum, sein Portfolio rasch an aktuelle Veränderungen anzupassen. Märkte, wie sie sich derzeit präsentieren, sind ein Paradies für Spekulanten. Ihre Stunde schlägt, wenn die Unsicherheit besonders groß ist. Aber das Traden, sprich das häufige Kaufen und Verkaufen von Aktien, ist etwas für Leute, die nicht nur das nötige Geld, sondern vor allem die nötige Zeit haben, ständig mit einem Auge auf die Entwicklung der Märkte zu schielen. Wer nicht die Zeit hat und seine Gewinne nicht von den Spesen auffressen lassen will, ist gut beraten, in Fonds zu investieren und das am besten für einen Zeitraum von einigen Jahren. Investmentfonds sind gewissermaßen die Vermögensverwaltung des kleinen Mannes.

Eine gute Möglichkeit, vom Auf und Ab der Börsen zu profitieren, ohne selbst aktiv werden zu müssen, sind auch sogenannte Wertpapier-Sparpläne. Dabei wird etwa monatlich eine fixe Summe in Aktien investiert, was zur Folge hat, dass man in Zeiten tiefer Kurse mehr Stücke kauft und wenn die Börse hoch steht, entsprechend weniger. Cost-Averaging-Effekt nennen die Experten dieses Prinzip, dass sie selbst bei Investments in großem Stil auch anwenden. Das führt uns zurück zur Ausgangsfrage. Soll man sein sauer verdientes Geld in Aktien investieren? Die Antwort ist: Ja, unter gewissen Bedingungen.

Aktien sind eine gute Möglichkeit, auf längere Sicht ansehnliche Erträge zu erwirtschaften, aber sie bieten keine hundertprozentige Sicherheit. Wer die sucht, kann auf sogenannte Kapitalgarantie-Produkte zurückgreifen. Sie ermöglichen dem Anleger, am Kursanstieg bis zu einer festgelegten Grenze teilzunehmen. Das bedeutet freilich, dass man auf Zuwächse, die darüber hinaus gehen, verzichten muss. Dafür hat man die Gewissheit, sein Kapital in jedem Fall wieder zurück zu bekommen.

Kehren wir zum Schluss noch einmal zu André Kostolany zurück. Ihm zufolge hängt die Börse nur davon ab, ob es mehr Aktien gibt als Idioten oder mehr Idioten als Aktien. Beides ist in reichem Maße vorhanden. Herauszufinden, wann welcher Zustand vorherrscht, macht den Reiz der Börse aus. Wer diesen Kitzel nicht braucht, sollte die Hände vom Spekulieren lassen und der Börse besser den Rücken kehren. Wer dennoch Aktien kaufen, aber nicht zu den Idioten gehören und auch noch ruhig schlafen will, sollte langfristig investieren. Und sich den Kick, über Nacht reich zu werden, aber auch alles verlieren zu können, lieber im Casino holen.

Der Autorist Wirtschaftsredakteur in der Wiener Redaktion der "Salzburger Nachrichten".

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung