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Wie 1929?

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Der Kurssturz an der New Yorker Börse, der am 19. Oktober mit einem Rückgang des Dow-Jones-Industrial-Index um 22,6 Prozent seinen dramatischen Höhepunkt erreichte, hat in aller Welt die Erinnerung an den „Schwarzen Freitag“ 1929 heraufbeschworen (der, nebenbei, ein Donnerstag war, nämlich der 24. Oktober mit einem 12,9 prozentigen Kursrückgang).

Rechtens freilich hätte zumindest hierzulande auch die Erinnerung an einen wirklichen „Schwarzen Freitag“ auftauchen müssen: An den Wiener Börsenkrach am 9. Mai 1873, der nicht nur eine ähnlich hohe Kurswerteinbuße brachte wie der New Yorker Krach 1929 - bis Dezember 1873 rund eineinhalb Milliarden Gulden, das hatte etwa einem Drittel des Sozialprodukts der Monarchie entsprochen; die 15 Milliarden Dollar Kurswerteinbuße der amerikanischen Aktien bis Ende 1929 entsprachen einem Sechstel des BIP der USA -, sondern der ebenfalls (so groß war damals noch die Bedeutung der Wiener Börse!) eine Weltwirtschaftskrise einleitete.

Dennoch wäre es zumindest voreilig, ähnliche Folgewirkungen-des jetzigen Kurssturzes an allen großen Börsen der Welt zu befürchten, weil es gegenüber 1929 und 1873 zwei wichtige Unterschiede gibt: Damals war ein Großteil der Aktien, deren Kurs dann in den Keller fiel, auf Kredit erworben worden; im September 1929 war vom gesamten kommerziellen Kreditvolumen ein Achtel auf sogenannte „Maklerdarlehen“ entfallen.

Diese Sumpfblüten sind dann von der Krise hinweggerafft worden, und nur deren Aktionäre haben ihr ganzes Geld eingebüßt. Ansonsten aber büßte damals — und büßt jetzt wieder — nur der Aktienbesitzer Geld ein, der die Nerven verliert und zur Unzeit verkauft. Wer sich hingegen seinerzeit vom drastischen Rückgang des Dow-Jones-Industrial-Index von 1929 mit 311,2 auf 64,6 im Jahr 1932 nicht hatte ins Bockshorn jagen lassen, besaß selbst am Abend des katastrophalen 19. Oktober 1987 bei einem Indexstand von 1.738,4 ein Aktienvermögen, das real um 90 Prozent größer war als vor dem Börsenkrach 1929.

Verwundern kann das nur jemand, der das Wesen der Aktie als Substanz- und Erfolgsbeteiligung an einem Unternehmen nicht verstanden hat: Wächst der Substanz- und der Ertragswert des Unternehmens weiter, verschafft jeder, der bei einem schlechten Börsenkurs seine Aktien mit Verlust verkauft, bloß dem Käufer dieser Aktien einen umso höheren künftigen Kursgewinn.

Der Autor ist Wirtschaftspublizist und Herausgeber der „Finanznachrichten“.

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