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Der Juli-Boom

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Jahrelang war die Geschäftsentwicklung an der Wiener Wertpapierbörse ruhig verlaufen; zu ruhig — wie viele Fachleute meinten. Börsenkrachs an anderen Börsen wurde am Wiener Platz nicht einmal durch Kursschwankungen zur Kenntnis genommen, aber auch die Umsätze blieben entsnrerhonrl kloin.

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Jahrelang war die Geschäftsentwicklung an der Wiener Wertpapierbörse ruhig verlaufen; zu ruhig — wie viele Fachleute meinten. Börsenkrachs an anderen Börsen wurde am Wiener Platz nicht einmal durch Kursschwankungen zur Kenntnis genommen, aber auch die Umsätze blieben entsnrerhonrl kloin.

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Obwohl es in den letzten Jahren manchmal kleinere Zeiträume der steigenden Kurse gab, die allerdings nie lang anhielten, überrascht der gegenwärtige Geschäftsverlauf doch ziemlich. Seit Jahrzehnten steigen die Kurse konstant an, doch sensationell wurden die Kursanstiege erst in der Woche nach dem 7. Juli.

War der Aktienkursindex in der Woche davor noch um fünf Punkte gestiegen, so konnte in der zweiten Juliwoche bereits eine Steigerung um 26 Punkte verzeichnet werden. Alle Rekorde hat aber die Vorwoche gebrochen: Der am 21. Juli veröffentlichte Aktienkursindex lag um 54 Punkte über dem Wert der Vorwoche, das bedeutet eine Kurssteigerung, wie es sie seit den früher sechziger Jahren nicht mehr gegeben hat. Nicht nur die Aktien der beiden verstaatlichten Großbanken kletterten in ungeahnte Höhen (allein die CA-Vorzugsaktien konnten in der letzten Woche 20 Punkte gewinnen), sondern auch Werte, die bisher unbeachtet geblieben waren, beteiligten sich an den Kursanstiegen. Sc stiegen die Bau- ebenso wie Brauwerte und Elan-Aktien, deren Kurs seit Jahren stagniert hatte, gewannen 15 Punkte. Auch die Papiere der Maschinenindustrie und der Magnesitwerke kletterten kräftig.

Am überraschendsten freilich waren wohl die Kursanstiege dei seinerzeit als „Volksaktien“ für die kleinen Sparer eingeführten Papiere deren Besitzer schon alle Hoffnung aufgegeben hatten, je damit Erfolge verbuchen zu können.

Fachleute nennen mehrere Ursachen für diese überraschende Entwicklung: einerseits ist sicher das gute Geschäftsergebnis mancher Aktiengesellschaften im vergangenen Jahr nicht ohne Einfluß aul die Kurse geblieben; dazu komml die Konjunktur und der Wunsch Sachwerte zu besitzen. Ebenso wie die fast unerklärlichen Kaufanstiege bei Antiquitäten scheinen auch Aktien den Anlegern sicherer zu seir als die üblichen Sparformen, die unter der ständigen Geldentwertung leiden.

Ein Faktor, der ebenfalls Einfluß luf das Börsengeschehen haben tonnte, ist der Zustrom von Aus-andsgeldern. Beunruhigt durch morme Zuflüsse spekulativer Gelder laben sowohl die Bundesrepublik

Deutschland als auch die Schweiz nicht nur den Geldimport, sondern auch den Erwerb von Aktien durch Ausländer empfindlich eingeschränkt. Es wäre durchaus verständlich, daß die Anleger nunmehr den Weg nach Wien gefunden haben.

Diese Zuflüsse zeigen aber auch, welches Vertrauen ausländische Börsenanleger einerseits in die Stärke der österreichischen Währung und anderseits in die Position der österreichischen Wirtschaft setzen. Das Ansteigen der österreichischen Kurse hat die Welt überrascht — während andere Börsenplätze bei weitem nicht eine derart erfreuliche Entwicklung verzeichnen konnten.

Die New Yorker Börse zum Beispiel hat sich von den letzten Rückschlägen noch immer nicht erholt.

Wie lange die Entwicklung anhalten wird, ist schwer vorauszusagen; aber mit der entsprechenden Marktpflege und einer Verbesserung der steuerlichen Begünstigungen könnte Wien zumindest seine augenblickliche Geschäftsentwicklung behalten.

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